Wirtschaftsforscher und ifo-Chef Hans-Werner Sinn sieht die Rückkehr zur Drachme als Rettung für die Griechen.
Von Dietmar Mascher
Der Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Hans-Werner Sinn, drängt im OÖNachrichten-Interview am Rande einer Veranstaltung der Denkfabrik Agenda Austria auf einen Euro-Austritt Griechenlands.
OÖN: Wie beurteilen Sie die Taktik des Herrn Varoufakis?
Sinn: Er hat lange auf Zeit gespielt. Inzwischen hat die griechische Notenbank eine Kapitalflucht ermöglicht, indem sie den Banken frisch geschaffenes Geld im Ausgleich für die Auslandsüberweisungen zur Verfügung stellte. Der EZB-Rat hätte das mit Zweidrittelmehrheit verhindern können, tat es aber lange Zeit nicht. Erst am Sonntag hat man Stopp gesagt. Durch die Kapitalflucht wurde viel Vermögen im Ausland in Sicherheit gebracht. Der Sondergeldschöpfung steht eine Verbindlichkeit der griechischen Notenbank gegen den Rest des Eurosystems gegenüber, die nicht erfüllt werden kann, wenn Griechenland pleitegeht. Er verbesserte somit den Drohpunkt bei den Verhandlungen.
Das heißt Plan A: Drinbleiben bei guten Konditionen. Plan B: Grexit mit bester Ausgangslage.
Aber er hat überreizt. Jetzt kommt Plan B.
Sind Sie sicher, dass Plan B kommt?
Nein. Es besteht ja noch die Möglichkeit, dass die Bevölkerung dem Angebot der Eurozone zustimmt, auch wenn es formell nicht auf dem Tisch liegt.
Ist Griechenland jetzt pleite?
Das ist heute aktenkundig geworden, weil die Rate an den IWF nicht bezahlt wurde.
Sie haben in den vergangenen Wochen erklärt, ein Grexit wäre die beste Lösung. Wird das kommen?
Ob es dazu kommt, weiß ich nicht. Aber es wäre die beste Möglichkeit, die Folgen des Konkurses abzufedern. Ohne eine abgewertete Währung hat Griechenland keine Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu werden und ohne ausländisches Geld zurechtzukommen.
Wie kann Griechenland in Schwung kommen?
Der Konkurs führt zu sozialen Härten. Aber der Austritt samt Abwertung mildert die Probleme. Wenn die Importe teurer werden, sind die Griechen wieder gezwungen, eigene Produkte zu kaufen. Da der griechische Tourismus billiger wird, wird er aufblühen. Und das Fluchtkapital kommt zurück. Die reichen Griechen kaufen Häuser und renovieren.
Wie beurteilen Sie die Vorwürfe gegen Deutschland?
Das ist tragisch. Deutschland ist das größte Geberland. Den Griechen ist das viele Geld immer noch zu wenig. Die Verknappung kommt von den Kapitalmärkten, die seit 2008 kein Geld mehr leihen. Die Staatengemeinschaft hat mit 330 Milliarden Euro den Schaden gemildert, wie das vorher in Friedenszeiten nie passiert ist.
Waren diese Kredite schädlich?
Es hat den Druck gemildert und Chaos verhindert, aber auch die Reformen zum Erlahmen gebracht.
Hat Athen Beispielwirkung?
Ja, sehr große. Alle Regierungen leiden unter Geldknappheit. Sie neigen dazu, über ihre Verhältnisse zu leben und sich zu verschulden. Damit bürden sie Leuten die Zeche auf, die noch nicht wählen können. Das Griechenland-Debakel wird andere zu mehr Haushaltsdisziplin animieren.
Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Das Angebot der Staatengemeinschaft wird angenommen. Dann wird Griechenland wohl einige Zeit im Euro bleiben. Aber eine Dauerlösung ist das nicht. Oder das Angebot wird nicht angenommen. Dann wird Griechenland zur Drachme zurückkehren müssen.
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