Alle setzen auf einen schwachen Euro: Frankreich verlangt ihn, Hedgefonds wetten auf den Wertverfall und wollen damit Geld verdienen. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn aber warnt vor den Folgen.
Die Welt: Wäre ein schwächerer Euro in der gegenwärtigen Situation hilfreich für die Euro-Zone und die Überwindung ihrer Krise?
Hans-Werner Sinn: Ein schwächerer Euro würde mehr Inflation erzeugen, aber das wäre mit dem Auftrag der EZB, die Preise stabil zu halten, nicht mehr kompatibel. Zurzeit hat die Euro-Zone eine niedrige Inflationsrate, was belegt, dass die EZB ihr Mandat insofern erfüllt. Die Abwertung ist auch insofern problematisch, als die Euro-Zone im Ganzen einen Leistungsbilanzüberschuss hat; der würde dann noch größer.
Sollten Europas Regierungen und Währungshüter offen für einen schwächeren Euro werben, wie der französische Zentralbankchef Christian Noyer es gerade getan hat?
Nein.
Eine Abwertung würde aber die Krisenländer wettbewerbsfähiger machen, oder?
Richtig ist, dass Südeuropa durch die Inflation in den scheinbaren guten Jahren des Euro zu teuer wurde. Das Problem muss auch durch eine Senkung von Preisen in den Krisenländern angegangen werden. Es allein durch eine externe Abwertung lösen zu wollen heißt, die Euro-Zone insgesamt und allen voran Deutschland zu inflationieren. Das wäre nicht kompatibel mit dem Maastrichter Vertrag. Es ist im Übrigen nicht die Aufgabe der EZB, die Wechselkurse zu manipulieren.
Hätte ein schwächerer Euro womöglich zumindest den Vorzug, dass er, wenn er die Konjunktur etwas anschöbe, Forderungen nach dem Ankauf von Staatsanleihen in den Hintergrund treten lassen könnte?
Nein. Die EZB hat ja schon angekündigt, dass sie den Banken Wertpapiere abkaufen will. In der Presse ist die Rede von 500 bis 800 Milliarden Euro. Dazu sollen die Banken ihre oftmals toxischen Kreditforderungen in sogenannten ABS-Papieren bündeln, was die Gläubiger der Banken schützt, die Steuerzahler aller Euro-Länder belastet und die Bankbilanzen rettet. Die Europäische Investitionsbank soll mithelfen, indem sie die besonders riskanten Tranchen dieser Papiere erwirbt. Das bedeutet nicht nur eine Vergemeinschaftung der Verluste aus fehlgeschlagenen privaten Immobilieninvestitionen in Südeuropa, sondern auch eine Investitionslenkung, wie sie der Marktwirtschaft fremd ist. Das deutsche Sparkapital wird ermuntert, statt in deutsche Arbeitsplätze investiert zu werden, für den Erwerb der ABS-Papiere und damit für den Freikauf der Anleger aus aller Welt in den Krisenländern zur Verfügung zu stehen. Deutschland exportiert im Jahr 2014 Ersparnisse von rund 200 Milliarden Euro. Das ist mehr als jedes andere Land der Erde exportiert. Gleichzeitig investiert es sehr wenig zu Hause.
Nachzulesen auf www.welt.de