Wenn die europäische Kommission die Steinkohlesubventionen in Deutschland verbieten will, wenn sie in Italien die Regionalförderung zugunsten von Fiat untersagt und wenn sie in Spanien Steuergutschriften für eine Schiffbaugruppe ablehnt, dann kann man nur zustimmen. Das Beihilfeverbot gemäß § 87 EG-Vertrag hat seine Berechtigung, denn grundsätzlich hat der Staat nicht die Aufgabe, Firmen und Branchen zu stützen. Eigenartig ist aber, mit welcher Intensität die Kommission sich weigert, die indirekten Subventionen der Telekom-Industrien jener Länder zu kritisieren, die ihre UMTS-Lizenzen verschenken oder unter Wert abgeben. In Deutschland kostete eine Lizenz bei der Versteigerung 16 Mrd. DM, in Frankreich, das einen Festpreis gesetzt hatte, kostete sie 10 Mrd. DM bei einer um ein Viertel verkürzten Laufzeit, und in Italien kostete sie nur 5 Mrd. DM. Schweden begnügt sich mit einer geringen jährlichen Nutzungsgebühr von 0,15% des Umsatzes. In Deutschland und Großbritannien wurden je Kopf der Bevölkerung mehr als 200 DM für eine Lizenz gezahlt und in Frankreich 160 DM. In Holland reichten hingegen 50 DM und in Portugal 20 DM. In Spanien kam man für ganze 6 DM zuzüglich einer geringen Benutzungsgebühr zum Zuge.
Die Auktion, die in Großbritannien und Deutschland bei der Vergabe der Lizenzen eingesetzt wurde, ist ein sehr sinnvolles Vergabeverfahren. Erstens kann der Staat sich Einnahmen verschaffen, die sonst über verzerrende Steuern hätten herbeigeschafft werden müssen. Zweitens wird die Gefahr einer Bevorzugung nationaler Gesellschaften vermieden. Drittens hilft die Versteigerung, diejenigen Gesellschaften zu ermitteln, die die Lizenzen tatsächlich am besten verwerten können. Nur wer glaubhaft macht, dass er mit den Lizenzen hohe Gewinne erwirtschaften kann, wird das Kapital auftreiben können, das man für den Erwerb der Lizenzen braucht. Wenn der Staat versucht, wie in Schweden oder Spanien, die richtigen Gesellschaften durch einen »Beauty Contest« zu ermitteln, dann wird die Auswahl von Beamten getroffen, die für ihre Fehler im Auswahlprozess nicht einstehen müssen. Wenn die Auswahl hingegen von Leuten vorgenommen wird, die für ihre Fehler mit dem eigenen Vermögen haften, lässt sich sicherstellen, dass die knappen Lizenzen tatsächlich ihren besten Wirt erreichen.
Man muss auch nicht befürchten, dass die Gesellschaften die Auktionskosten in die Nutzungspreise überwälzen werden. Die Betreiber werden auf jeden Fall Preise setzen, bei denen der Überschuss ihrer Erlöse über die laufenden Betriebskosten maximiert wird. Versuchen sie, im Hinblick auf die Auktionskosten noch höhere Preise zu verlangen, so schneiden sie sich wegen des dann übermäßigen Verlustes an Kunden nur ins eigene Fleisch. Sie können die Auktionskosten zwar durch den Betrieb wieder hereinholen, aber sie können nicht mehr hereinholen, als es im Falle der Verschenkung der Lizenzen möglich gewesen wäre. Die Auktionskosten sind versinkende Kosten, die den ansonsten zu erwartenden Kursgewinn der eigenen Aktien zum Staat hin verlagern, mehr nicht.
Allerdings haben die Gesellschaften, die keine Auktionskosten tragen mussten, einen erheblichen Startvorteil durch die Schonung ihres Eigenkapitals. Die Kriegskasse ist gefüllt und steht für schnelle Attacken auf die Märkte anderer Länder zur Verfügung. Dass die ehemals staatliche spanische Gesellschaft "Telefonica" mit der Bietergruppe 3G in Deutschland so erfolgreich mithalten konnte, während umgekehrt die deutsche Telecom in Spanien nicht zum Zuge kam, verdeutlicht die Asymmetrien zwischen den Ländern sehr deutlich.
Die Kommission tendiert bei dem von ihr zu kontrollierenden Beihilfeverbot stets zu einer sehr weitgehenden Auslegung ihres Auftrages. So rechnet sie den Verkauf von öffentlichem Land unterhalb seines Marktpreises genauso zu den verbotenen Beihilfen wie den gebührenfreien Zugang zur öffentlichen Infrastruktur. Weshalb sie den gebührenfreien Zugang zu dem UMTS-Lizenzen, bei dem es ja im Gegensatz zu vielem, was sie sonst zu bemängeln pflegt, um gigantische Subventionen geht, vom Beihilfeverbot ausgenommen hat, bleibt ein Mysterium. Stand die Kommission unter dem Druck einflussreicher Lobbyisten, oder sie war auf einem Auge blind?
Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Institut