Handelsblatt Online, 7. September 2018.
In seinem Gastbeitrag für das Handelsblatt stellt Peter Bofinger meine Aussagen zu Target-Salden falsch dar. Wenn ich sage, dass man für die Nettoüberweisungen, die die Target-Salden messen, Geldschöpfungskredite braucht, die über das für die heimische Geldzirkulation nötige Maß hinausgehen, sage ich damit nicht, dass es asymmetrische Kredite sind.
Gemeint ist nur, dass die nationale Liquidität ohne Ersatzgeld aus der „Druckerpresse“ austrocken würde. Damit ist nicht nur die asymmetrische Kreditvergabe gemeint, die die erste Target-Welle bis 2012 erklärt, sondern auch das anschließende QE-Programm, das die zweite, bis heute laufende Welle hervorbrachte.
Bei diesem Programm wurden die Zentralbankkredite der ersten Welle durch eine symmetrische Vergabe von neuen Zentralbankkrediten auf dem Wege des Rückkaufs von Schuldpapieren ersetzt und erweitert.
Was berechtigt Peter Bofinger, wenn ich davon rede, dass in Deutschland mittels der Target-Kredite alles gekauft werde, was „nicht niet- und nagelfest“ ist, als Gegenbeleg auf sich verbessernde bilaterale Leistungsbilanzsalden zu verweisen, obwohl ich in dem von ihm zitierten Artikel ausdrücklich schreibe: „Man tilgte seine Schulden in Deutschland und ging dort einkaufen. Dadurch gelangte ein Nettobestand an Gütern und Vermögensobjekten wie Aktien, Schuldtiteln, Firmen, Häusern und Bankkonten im Wert von 1000 Milliarden Euro in ausländische Hand, ohne dass wirkliche Substanz zurückkam.“
Was hat der Verkauf von Aktien, Schuldtiteln, Firmen und Häusern sowie der Aufbau von Bankkonten mit den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen zu tun? Und wo nehme ich gar auf bilaterale Leistungsbilanzsalden Bezug? Hier wird gedichtet, um widerlegen zu können.
Wieso kann Bofinger behaupten, meine Aussage, im Umfang des deutschen Target-Saldos sei ein Strom von Gütern und Vermögensobjekten in ausländische Hand gelangt, stehe im Widerspruch zur Tilgung von Auslandsschulden, die er zu Recht betont.
Die Hauptsache beim QE-Programm ist eine Schuldentilgung durch Rückkauf von Staatspapieren im Umfang von 2000 Milliarden Euro, von denen bei den Target-Defizit-Ländern der Löwenanteil im Ausland lag. Durch das QE-Programm wurden, wie ich bereits in meinem Buch der Schwarze Juni vom Herbst 2016 (Kapitel 4) und auch in meinem frühen Handelsblatt-Artikel „Die große Umtauschaktion“ vom 8. Dezember 2016, aber dann eben auch in den von Bofinger selbst zitierten FAZ-Artikeln erläuterte, die wachsenden Target-Salden der letzten Jahre maßgeblich erklärt.
Es ist schon ein Witz. Man schreibt sich die Finger wund, um der Welt den Zusammenhang zwischen QE-Programm und Target-Salden zu erläutern, und dann wird einem genau dieser Zusammenhang entgegen gehalten, so als hätte man ihn übersehen, und mit einer verharmlosenden Semantik übermalt, die an dem Sachverhalt gar nichts ändert. Gegen diese Art von intellektueller Unwilligkeit ist einfach kein Kraut gewachsen.
Und eines sei nochmals in aller Deutlichkeit betont: Damit im Zielland einer Überweisung über das Target-System den Privaten neues Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden kann, muss die den Auftrag ausführende Notenbank anderen Notenbanken einen Überziehungskredit geben. Eine Überweisung von A nach B ist stets ein Kapitalfluss der die Überweisung tätigenden Institution von B nach A.
Wird die Überweisung von einer privaten Clearing-Einrichtung erledigt, handelt es sich um einen privaten Kapitalfluss in die Gegenrichtung der Überweisung. Doch bei Überweisungen über das Target-System handelt es sich unbestreitbar um Kredite, weil die einzelnen Notenbanken beim Eurosystem keine Guthaben besitzen.
Es handelt sich natürlich nicht um Kredite, in die private Institutionen involviert sind, sondern um Kredite zwischen den Notenbanken, wie sie sich die westeuropäischen Länder im Rahmen der Westeuropäischen Zahlungsunion der 1950ger Jahre gewährten, oder auch um Kredite, wie sie in dem damit verbundenen Bretton-Woods-System durch die Annahme von Devisen anderer Länder zustande kamen.
Auch die Überziehungskredite des Internationalen Währungsfonds sind sehr ähnlich. In den 1950er und 1960er Jahren erhielt die Bundesbank im Zuge der Tilgung solcher Kredite und auch auf dem Wege des direkten Ausgleichs von Zahlungsbilanzüberschüssen 4.034 Tonnen Gold. Hätte sie die zur Jahresmitte 2018 akkumulierten Target-Salden in Gold umgetauscht bekommen, hätte sie weitere 28.277 Tonnen erhalten.
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