WirtschaftsWoche, 15. November 2024, Nr. 47, S. 44.
Für den Plan der italienischen Bank UniCredit (UniCredit S.p.A.), die Commerzbank zu übernehmen, gibt es viele denkbare Motive. Das Interesse an einer Diversifizierung und der Versuch, Effizienzgewinne durch ein besseres Management zu heben, stehen laut UniCredit im Vordergrund.
Zu den möglichen Motiven könnte aber auch der Versuch gehören, unter den Schutzschirm der deutschen Einlagensicherung für Privatbanken zu schlüpfen, nachdem entsprechende Versuche, Deutschland mit seiner noch hohen Bonität in ein europäisches System der Einlagensicherung zu locken (Stichwort Kapitalmarktunion), bislang nicht gefruchtet haben.
Für die deutschen Vorbehalte gegenüber einer europäischen Einlagensicherung spricht vor allem, dass sie die Banken zum Zocken verleiten kann. Erinnert sei an die amerikanische Savings-and-Loan-Krise der 1980er-Jahre. Damals waren in den USA über 1000 Sparkassen insolvent geworden, nachdem sie, wie es in einem offiziellen Bericht hieß, wegen der Einlagensicherung in windige Finanzprodukte investiert hatten. Bei der Einlagenversicherung fielen damals Verluste von rund 150 Milliarden Dollar an, von denen etwa 125 Milliarden beim Staat hängen blieben.
Insofern ist es bedenklich, welche Optionen sich der UniCredit bieten, von der deutschen Einlagensicherung zu profitieren. Hier ist zunächst die Möglichkeit anzuführen, dass die Commerzbank als Tochter der UniCredit bestrebt sein könnte, ihrer Mutter Kundengelder zu leihen, die in Deutschland billiger zu haben sind als in Italien. Der Spread zwischen italienischen und deutschen Spareinlagen lag im September bei Laufzeiten von rund zwei Jahren bei einem knappen Prozentpunkt und bei einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten bei etwa einem 3/4 Prozentpunkt.
Hirngespinste? Leider nein, denn tatsächlich hat sich die UniCredit S.p.A. bereits sehr viele Kredite von ihren Tochtergesellschaften HVB (UniCredit GmbH) und Bank Austria gewähren lassen, als sie EZB-Kredite TLTRO-III zurückzahlen musste. Laut ihrem Halbjahres-Bilanzbericht bezog sie von Ende Dezember 2023 bis Ende Juni 2024 für knapp 13 Milliarden Euro weniger TLTRO-III-Kredite von der Banca D’Italia und holte sich stattdessen knapp 18 Milliarden Euro mehr an privaten Repokrediten, allen voran von der HVB und der Bank Austria. Dieses Geschäftsmodell ließe sich auf die Commerzbank ausdehnen.
Dass die HVB noch vor Kurzem eine Aktiengesellschaft im Besitz der italienischen UniCredit war, seit dem 15. Dezember 2023 aber nur noch als GmbH fungiert, spricht Bände. Während eine Aktiengesellschaft in einer Holding gegenüber der Konzernzentrale noch sehr viel Eigenständigkeit hat, ist eine GmbH weisungsgebunden.
Eine weitere Möglichkeit dürfte sich später eröffnen, sollte die Situation in Italien wieder brenzliger werden. So könnte die UniCredit S.p.A. zur Not mit ihren deutschen Töchtern fusionieren und den Firmensitz nach Deutschland verlegen. Mit diesem Schritt würde sie geläufige Narrative zur Kapitalmarktunion und zur Schaffung von europäischen Champions bedienen und bei der EZB wie auch der EU-Kommission offene Türen einrennen.
Sämtliche italienische Konten der UniCredit wären danach durch die deutsche Einlagensicherung abgedeckt, die faktisch eine deutsch-italienische Einlagensicherung wäre. Deutschland würde in diesem Fall von der schlechteren Bonität der italienischen Einlagensicherung angesteckt und die Zinsspreads zwischen der italienischen und der deutschen Wirtschaft sänken zulasten Letzterer – ähnlich wie es von einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung zu erwarten wäre. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine solche Möglichkeit zuvor schon als Druckmittel für die Schaffung einer europäischen Einlagensicherung verwendet werden würde, um den Umzug der UniCredit-Zentrale und etwaige Nachahmereffekte zu verhindern.
Man fragt sich, was die deutsche Finanzaufsicht BaFin zu all dem sagen würde. Da sie die Umwandlung der HVB in eine GmbH bereits klaglos akzeptiert hat, muss man befürchten, dass sie solche Manöver nicht beanstanden würde.
Und man fragt sich auch, wie die EZB als Oberaufseherin der europäischen Banken agieren würde. Die Chefin der Bankenaufsicht der EZB hat zur feindlichen Übernahme korrekterweise bereits erklärt, dass sie nicht gehalten sei, die späteren Absichten der UniCredit zu prüfen.
Angesichts dieser teilweise schon in den Vorschriften angelegten Gleichgültigkeit und der derzeit chaotischen Verhältnisse in der deutschen Regierung, könnte sich der UniCredit schon bald die Chance bieten, Nägel mit Köpfen zu machen. Ausreichend Commerzbankaktien dürfte sie sich bereits bei Investmentbanken gesichert haben.
Nachzulesen auf www.wiwo.de.