„Maß und Mitte verloren: Die deutsche Energiepolitik“

Hans-Werner Sinn

Europa zukunftsfähig machen – Jahresheft des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Familienunternehmen, Stiftung Familienunternehmen (Hrsg.), München 2025, S. 41-63. 

I. Schlusslicht Deutschland

Deutschland geht es schlecht. Die vielen Werksschließungen und die Krise bei Industrie und Bau haben allgemein Unsicherheit darüber verbreitet, ob der bisherige Kurs der Wirtschaftspolitik richtig war. Was lief falsch, und was muss und kann geändert werden? Dieser Beitrag argumentiert, dass insbesondere in der Klimaund Energiepolitik teilweise falsche Weichenstellungen vorgenommen wurden, die dringend korrigiert werden sollten. 

Manche Politiker argumentieren zwar immer noch, Deutschland habe nur ein kurzfristiges Konjunkturproblem, das auch alsbald wieder verschwände. Doch liegen die Probleme wesentlich tiefer. Die Krise, die das Land erfasst hat, ist nicht nur konjunktureller Natur, sondern hat strukturelle Gründe, die Deutschlands Wirtschaft stärker herabziehen als die Wirtschaft anderer Länder. 

Abbildung 1: Reale BIP-Wachstumsraten 2024 im Vergleich 

Abbildung 1

Wie schon zur Zeit der Schröderschen Reformen, die vor zwanzig Jahren implementiert wurden, ist Deutschland Schlusslicht im internationalen Wachstumsvergleich. Das zeigt Abbildung 1, die das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2024 für eine ausgewählte Ländergruppe darstellt. Während andere Länder, die für Deutschland von Bedeutung sind, wuchsen, schrumpfte Deutschland um 0,2 Prozent.2 Naturgemäß ist die Liste, der in der Grafik dargestellten Länder, nicht vollständig. Auch bezieht sie sich nur auf ein Jahr. Indes ändert sich wenig, wenn auch noch andere OECD-Länder, als die dargestellten, einbezogen werden oder wenn ein längerer Zeitraum betrachtet wird. Bei solcherlei erweiterten Vergleichen zeigt sich, dass Deutschlands Wachstumstrend im Jahr 2018 nach unten abknickte. Deutschland hat sich schon damals vom internationalen Geleitzug entkoppelt. Gemessen an der Länge und Tiefe der Einbrüche ist die Krise die schwerste der deutschen Nachkriegsgeschichte, vom stetigen Niedergang der DDR einmal abgesehen. 

Abbildung 2: Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe*, Indexkurven (Q3/2007 = 100, bis November 2024) 

Abbildung 2

Die Entkoppelung Deutschlands wird besonders deutlich an der Industrieproduktion, konkret der Entwicklung der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe, wie sie in Abbildung 2 dargestellt ist. Die Abbildung zeigt Indexkurven der realen Produktionsmengen verschiedener Länder, bei denen alle Werte so normiert sind, dass sie, ein Jahr vor der Lehman-Krise, im 3. Quartal 2007 den Wert 100 erreichen. Man erkennt an ihnen das Wachstum der Produktion im Zeitablauf, nicht aber das absolute Niveau, dessen Vergleich bei Ländern unterschiedlicher Größe ohnehin irrelevant ist.

Man erkennt die Lehman-Krise des Jahres 2008 und den Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020. Bemerkenswert ist, dass sich Deutschland zwar schneller als viele andere Länder aus der Lehman-Krise befreien und dem Durchschnitt der EU-Länder bis zum Jahr 2018 enteilen konnte, dass die Reise danach aber bergab ging. Offenkundig war 2018 der Wendepunkt. Gegenüber den meisten der gezeigten europäischen Länder, aber auch gegenüber den USA, verlor die deutsche Industrie an Boden. Dabei hatten die USA, wie man deutlich sieht, in den Jahren nach der Lehman-Krise selbst erhebliche Probleme, wieder auf die Beine zu kommen, was einer der Gründe für die Wahlerfolge von Donald Trump war.

Auch ein Vergleich mit den deutschsprechenden Nachbarn Österreich und der Schweiz ist erschreckend für Deutschland, denn während seine eigenen Industrien schrumpften, wuchsen die Industrien dieser Länder lange Zeit kräftig. Österreich schwächelt nur am aktuellen Rand ein bisschen. Die Schweiz indes springt von einem Produktionsrekord zum anderen, obwohl man doch denken würde, dass die massive Aufwertung des Franken während der letzten Jahre dem Land ordentlich hätte zugesetzt haben müssen.

Unter den betrachteten Ländern hatte offenkundig bislang nur Frankreich noch größere Probleme als Deutschland. Über Jahrzehnte hinweg war die französische Industrie im Vergleich zu anderen Sektoren geschrumpft, weil sich Frankreich seit jeher einem staatlich gelenkten Merkantilismus hingegeben hatte, was überhaupt nicht funktioniert hatte. Auch seine Performance seit der Lehman-Krise ließ sehr zu wünschen übrig. Dabei sei nochmals betont, dass die Kurven nicht die Niveaus der Produktion darstellen, sondern nur die relative Veränderung seit dem 3. Quartal 2007, sodass alles wegen der Indexdarstellung künstlich gleichgesetzt ist. Tatsächlich ist die Wertschöpfung in der französischen Industrie relativ zur gesamten Wirtschaftsleistung in Frankreich nur halb so groß wie in Deutschland.

Es gibt Stimmen, die sagen, in der heutigen Welt komme es auf die Industrie nicht an. Ein Wachstum der anderen Sektoren der Wirtschaft könne den Rückgang in der Industrie kompensieren. Wer so argumentiert, verkennt, welch zentrale Rolle die international gehandelten Industriegüter im Vergleich zu den Binnengütern für den Wohlstand eines Landes haben. Weil die Industriegüter weltweit im Wettbewerb stehen und sich mit ihren Löhnen, ihrer Produktivität und der Qualität ihrer Produkte dort behaupten müssen, definiert die Industrie das reale Lohnniveau, an das sich letztlich auch die Binnensektoren anpassen müssen und können. Die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erklären deshalb ganz wesentlich auch den Lebensstandard jener Bevölkerungsteile, die in Binnensektoren beschäftigt sind. 

Auch dieser Lebensstandard hängt maßgeblich davon ab, wie viele Importgüter vom Tourismus über das Handy bis zur Banane eine Volkswirtschaft im Austausch für ihre Exportgüter erwerben kann. In der Ökonomie wird dieser Zusammenhang beim sogenannten Balassa-Samuelson-Effekt verwendet, um den fortwährenden Anstieg der Preise der Binnengüter in Relation zu den Exportgütern zu erklären.3 Die Führungsrolle der Industriegüter für die allgemeine Wohlstandsentwicklung gilt sinngemäß auch für andere Güter, wie zum Beispiel Software-Produkte, die als Dienstleistungen definiert werden und trotzdem international gehandelt werden. Aber sie gilt eben nicht für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Bauleistungen, die mit immer weiter steigenden Löhnen zurechtkommen müssen, die anderswo definiert werden. So gesehen ist der Rückgang der deutschen Industrieproduktion, der in Abbildung 2 gezeigt wird, ein höchst problematischer Vorgang für den Wohlstand der deutschen Bevölkerung.

Welche Sektoren den Produktionsrückgang der Industrie erklären, zeigt die nachfolgende Tabelle 1, die die Wachstumsraten der einzelnen Sektoren vom Jahr 2018 bis zum aktuellen Rand im November 2024 angibt. Offenbar häufen sich die Minuszeichen. Besonders wichtige Sektoren sind für Deutschland die Autoindustrie, die Chemieindustrie und der Maschinenbau. Die Produktion in diesen Sektoren ging um 18 Prozent bis 22 Prozent zurück. Auch andere Sektoren sind offenbar schwer angeschlagen. Die Bereiche Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse zeigen allerdings eine bessere Entwicklung.

Tabelle 1: Produktionswachstum bzw. -schrumpfung ausgewählter Branchen von 2018 bis November 2024 

Tabelle 1

Die viel beschworene Deindustrialisierung ist also kein Horrorszenarium der Zukunft, sondern bereits seit sieben Jahren in vollem Gange. Die Ankündigungen von Entlassungen in der Industrie, die die Zeitungen derzeit überschwemmen, sind echte Phänomene, die durch die dramatischen Produktionsrückgänge der Industrie erklärt werden. 

II. Die politisch erzwungene Deindustrialisierung in Europa und Deutschland 

Was erklärt nun diese Deindustrialisierung? Natürlich gehört die kriegsbedingte Durchbrechung der Handelsketten mit Russland, speziell die Unterbrechung der Energiezufuhr, zu den Erklärungen. Und die demografischen Verwerfungen aufgrund der Kinderarmut der Deutschen tragen genauso zur Krise bei wie das immer schlechter werdende Ausbildungsniveau der Jugendlichen, wie es durch die PISA-Studien dokumentiert wird. Der teure Ausbau des Sozialstaates gehört ebenso zu den Erklärungen wie der Umstand, dass der Sozialstaat als mächtiger Konkurrent der privaten Wirtschaft auf den Arbeitsmärkten agiert.

Da sich die Krise auf die metallverarbeitende Industrie inklusive der Automobilindustrie sowie auf die Chemieindustrie konzentriert, muss sich der Blick jedoch vorrangig auf die Klima- und Energiepolitik richten, denn im Kern handelt es sich dabei um eine Politik, die die Wirtschaft ihrer Energie beraubt und eine marktwirtschaftlich rentable Produktion verbietet. Die Verbote gelten nicht nur für Deutschland, sondern sind teilweise auf Vorgaben der EU zurückzuführen, die sich mit dem Green Deal weltweit zum Vorreiter beim Klimaschutz präsentieren möchte.4 Dies ist die Liste der Einschränkungen und Produktionsverbote, die den Volkswirtschaften der EU aufgezwungen wurden: 

  • „ Ab 2018 dramatische Verschärfung der Formel für
    den CO2-Ausstoß der Automobilflotten der Hersteller
  • „ 2019 Green Deal: Verbrenner-Aus bis 2035
  • „ 2019 ESG-Gesetzgebung5 
  • „ 2023 Energieeffizienzgesetz: Reduktion des Energieverbrauchs von 2008 bis 2045 um 45 Prozent
  • Ab 2024 Ölheizungsverbot nach Aufstellung kommunaler Wärmepläne
  • „ Ab 2035 „Verbrenner-Aus“
  • „ 2030 bis 2038 Kohleausstieg
  • „ Erdgasausstieg bis 2045
  • 2024 Green Paper zum Rück- und Umbau der Gasnetze 

Vieles von dem, was beschlossen wurde, betrifft Einschränkungen beim Verbrauch fossiler Energieträger und lässt sich deshalb durch die Hoffnung erklären, die Erderwärmung aufgrund der wachsenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu vermeiden oder wenigstens zu verringern. Es lassen sich aber nicht alle Maßnahmen so erklären.

So ist die ESG-Gesetzgebung ein planwirtschaftliches Sammelsurium von Berichtspflichten für die Kontrolle und Bewertung der ethischen, sozialen und umweltrelevanten Aktivitäten eines Unternehmens sowie seiner sämtlichen in- und ausländischen Vorlieferanten, die nur teilweise mit Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit zu tun haben, die Unternehmen jedoch in hohem Maße einengen.6 Es handelt sich aus ökonomischer Sicht um ein Steuerungselement einer Zentralverwaltungswirtschaft, das im krassen Widerspruch zu den Systemregeln der Marktwirtschaft steht und erheblichen Sand im Getriebe der europäischen und deutschen Wirtschaft bedeutet, bis hin zu einer Standortflucht. Eine ersatzlose Abschaffung ist zu erwägen. 

Besonders hervorzuheben ist ferner das Energieeffizienzgesetz aus dem Jahr 2023.7 Es ist nicht, wie man angesichts vieler verbaler Bezüge zur Klimaproblematik im Gesetzestext zunächst glauben könnte, auf die Zurückdrängung „schmutziger“, fossiler Energieformen beschränkt. In dem entscheidenden § 4, der die Zurückdrängung quantifiziert, gibt es eine solche Einschränkung nicht. Auch wenn es gelänge, die gesamte Energie CO2-frei zu gewinnen, müsste der Energieverbrauch bis 2045 um knapp die Hälfte des Niveaus von 2008 sinken. Diese gesetzliche Vorgabe ist ökonomisch unverständlich, selbst wenn man die Notwendigkeit einer Berücksichtigung umweltschädlicher Aktivitäten berücksichtigt. Das Gesetz hat tatsächlich nichts mit Klimaschutz zu tun. Es bremst nur die wirtschaftliche Aktivität an sich. Das Energieeffizienzgesetz ist ein Deindustrialisierungsgesetz.

Und Deutschland lässt sich mit diesem Gesetz auch nicht für die digitale Ökonomie fit machen, wie es ja häufig gerade von jenen gefordert wird, die sich für die Abschaffung „schmutziger“ Industrien stark machen. Gerade auch dann, wenn die künstliche Intelligenz (KI) zu der erwarteten Revolution des Arbeitsmarktes führt und die menschliche Intelligenz so hebelt wie früher die Verbrennungsmaschinen die menschliche Arbeitskraft, werden riesige Energiemengen gebraucht. Intelligenz erfordert nun einmal Energie, bei biologischen wie auch künstlichen Quellen. Das menschliche Gehirn beansprucht ein Fünftel der von unserem Körper verbrauchten Gesamtenergie. Bei den Supercomputern, die von der KI benötigt werden, ist es ganz ähnlich. So gesehen kommt das deutsche Energieeffizienzgesetz trotz seines wohlklingenden Namens auch noch einer Modernisierungsblockade gleich. 

III. Der Atomausstieg

Das deutlichste Manifest der drohenden Blockade ist der deutsche Atomausstieg. Die nachfolgende Abbildung 3, die auf den Publikationen der World Nuclear Association (WNA) basiert, zeigt die aktuelle Situation der weltweiten Atomwirtschaft. Man sieht, dass es 440 Atomkraftwerke auf der Welt gibt, von denen die meisten in den USA stehen, gefolgt von China mit 58 und Frankreich mit 57 Werken.

19 Atomkraftwerke sollen bis 2030 abgeschaltet werden. Für die Abschaltungen gibt es technische Gründe, zumeist das nahende Ende des normalen Lebenszyklus. Die Abschaltungen führen aber mit Ausnahme von Taiwan, das sein Atomkraftwerk im Mai 2025 abschalten will, nicht zum Totalausstieg aus der Atomkraft. Solche Totalausstiege gab es allerdings zuvor in Litauen und Italien. Litauen musste der EU versprechen, seine zwei Graphitreaktor-Kraftwerke vom Tschernobyl-Typ, die in den 1970er-Jahren erbaut worden waren, abzuschalten, bevor es der EU beitreten durfte. Und Italien führte im Jahr nach dem Unglück von Tschernobyl, das 1986 stattfand, eine Volksabstimmung durch, der eine Stilllegung seiner Kraftwerke folgte. Österreich hatte in den 1970er-Jahren mit dem Bau eines Kraftwerks begonnen, es aber nicht bis zur Netzanbindung gebracht. Weiterhin gab es viele Forschungsreaktoren, die wieder abgeschaltet wurden. Und natürlich haben viele Länder der Welt, insbesondere solche in der Dritten Welt, schon deshalb keine Atomkraftwerke, weil sie nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, sie zu betreiben.

Schweden war im Jahr 1981 nach dem Unfall von Harrisburg das erste Land, das beschlossen hatte, aus der Atomkraft auszusteigen. Dieser Beschluss wurde aber niemals umgesetzt. Im Jahr 2023 beschloss Schweden auch unter dem Einfluss grüner Politiker, neue Kraftwerke zu bauen. 

Abbildung 3: Atomkraftwerke und Ausstiege nach dem Unglück von Fukushima. Stand: Januar 2025, nach Angaben der World Nuclear Association (WNA) 

Abbildung 3

Insgesamt ist es angesichts der wachsenden Gefahren der Erderwärmung durch den CO2-Ausstoß beim Verbrennen fossiler Brennstoffe, der Gefährdung der Gaslieferungen aus Russland und des Energiebedarfs für die KI in den letzten Jahren zu einem Revival der Kernkraftwerke gekommen. In Frankreich hat Präsident Macron den Bau weiterer 8 Kraftwerke angekündigt, nachdem er in seiner ersten Amtszeit den Ausstieg erwogen hatte. Und selbst Japan hat sich nach dem Unfall von Fukushima im Jahr 2011 und der Revision seiner sämtlichen Kraftwerke wieder eindeutig zur Kernkraft bekannt.

Ganz im Gegenteil zu Deutschland steht die Welt heute im Zeichen der Renaissance der Atomkraft. So werden weltweit 65 Atomkraftwerke neu gebaut, 86 weitere sind bereits fest geplant, und für 352 Kraftwerke gibt es Vorplanungen. Dabei sind die vielen Projekte mit neuen Reaktortypen, die weltweit erforscht werden, noch gar nicht gerechnet. So spricht die Presse beispielweise für Schweden davon, dass bis 2045 zehn weitere Werke in Planung seien, darunter auch Kleinkraftwerke.8

Derweil investieren die Internet-Giganten Milliarden in die Entwicklung solcher Mini-Kraftwerke, auch um die Supercomputer für die KI mit verlässlicher Energie zu versorgen. Es gibt weltweit mehr als ein halbes Dutzend finanziell wohlausgestatteter Start-ups, die sich das Ziel gesetzt haben, kleine Atomkraftwerke im industriellen Maßstab quasi am Fließband zu erzeugen, um die zu erwartende Knappheit an regelbarem, stetig verfügbarem Strom zu vermeiden. Dabei geht es zum einen um kleine traditionelle Druckwasserreaktoren, wie sie auf Atom-U-Booten eingesetzt werden, und zum anderen um den neuen Typus der Flüssigsalzreaktoren, bei denen das Brennmaterial für die Kernreaktion stets in geschmolzenem Zustand mit flüssigem Salz verbunden vorliegt. Da die Kernschmelze bei diesen Kraftwerken der Normalzustand ist, können sie anders als konventionelle Kraftwerke von einer Kernschmelze nicht bedroht werden. Sie sind auch deshalb inhärent sicher, weil die Kernreaktion bei Defekten bereits aus physikalischen Gründen erlischt. Eines der Projekte ist der Dual-Fluid-Reaktor, der von der gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung der Forschung IFK mbH in Berlin entwickelt wurde. Es wird nun von der Dual Fluid Energy Inc. in Kanada betrieben.

Unter den Ländern, die zum Einflussbereich westlicher Bündnisse stehen, hat sich nur Deutschland nach dem Unglück von Fukushima entschlossen, seine Kraftwerke abzuschalten. Es ist der Geisterfahrer auf der Autobahn. 

IV. Utopische Vorgaben

Die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre war auch in anderer Hinsicht ungewöhnlich, um nicht zu sagen utopisch. Warum, das sieht man unter anderem an den Vorgaben für den zeitlichen Ablauf der CO2-Reduktion, zu denen sich die Bundesrepublik gesetzlich verpflichtet hat. Bereits durch eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2021,9  der sie selbst zugestimmt hatte, war die Bundesrepublik gezwungen, ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Der Bundestag hat aber im Jahr 2024 selbst ein Gesetz erlassen, wonach Deutschland dieses Ziel bereits bis zum Jahr 2045 erreichen muss.10  Außerdem hat sich Deutschland aufgrund von EU-Vorgaben und eigenen Entschlusses verpflichtet, Zwischenziele zu realisieren, die als prozentuale Reduktionen des CO2-Ausstoßes gegenüber dem Jahr 1990 definiert sind.11 Das Jahr 1990, also das Jahr nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist auch das Jahr, auf das sich die Zielvorgaben der Pariser Klimakonferenz beziehen. Abbildung 4 verdeutlicht die gesetzlichen Zielvorgaben des CO2-Rückgangs in Form einer Kurve, die bei 100 Prozent im Jahr 1990 beginnt und bei null Prozent im Jahr 2045 endet. 

Abbildung 4: Tatsächliche und gesetzliche Zielvorgaben für den Rückgang der deutschen CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 

Abbildung 4

Des Weiteren wird in Abbildung 4 der tatsächliche Rückgang der CO2-Emissionen seit dem Jahr 1990 gezeigt. Dieser Rückgang ist beeindruckend, denn Deutschland hat nicht nur bis zum Jahr 2020 die Zielmarke eines Rückgangs von 40 Prozent genau erreicht, sondern danach bis zum Jahr 2023 einen weiteren Rückgang bis auf eine Reduktion von 43 Prozent realisiert, was eine Erfüllung der Vorgaben auch in Zukunft signalisiert.

Die Rückgänge sind freilich nicht nur auf zielgerichtete Planungen bei der Vergrünung der Energieversorgung zurückzuführen. Angesichts des Umstands, dass diese Planungen bislang im Wesentlichen nur auf den Stromsektor bezogen waren, der selbst nur für ein Fünftel der Primärenergie steht, kann das schwerlich der dominante Faktor gewesen sein. Hinzu kommen ganz andere Faktoren, die der Politik geholfen haben, die Zielvorgaben zu erfüllen, ohne dass sie im öffentlichen Diskurs betont oder anerkannt wurden. Zum einen hat sich nämlich der Untergang der DDR bemerkbar gemacht, deren schmutzige Industrien von der Treuhand nach der Wende alsbald dichtgemacht wurden. Zum anderen sind die Rückgänge das Ergebnis der oben schon dargestellten Deindustrialisierung, die im Jahr 2018 zum Trendbruch in der deutschen Wirtschaftsentwicklung führte.

Dies ist problematisch, denn obwohl die Deindustrialisierung wie gezeigt schon im Energieeffizienzgesetz angelegt war, haben die verantwortlichen Politiker sie niemals öffentlich erwähnt. Ganz im Gegenteil haben sie eine wundervolle Zukunft gezeichnet, bei der Deutschland dank der weisen Voraussicht der Politik eine weltweite Spitzenstellung bei der Vermarktung der grünen Technologien einnehmen würde. Man könne zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, so hieß es sinngemäß: Zum einen in den Klimaschutz investieren und zum anderen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken und dadurch den Lebensstandard der Bevölkerung heben. So absurd einem Ökonomen die Vorstellung vorkommen muss, durch eine Mischung aus Produktionsverboten und Energieverteuerung ein wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen, so sehr haben sich die für die öffentliche Meinung tonangebenden Medien eine solche Sichtweise der Dinge zu eigen gemacht. Noch im Jahr 2023 beschwor der deutsche Kanzler Olaf Scholz die Möglichkeit, durch die grüne Politik Wachstumsraten wie zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders erzeugen zu können.12 Später sprach er sogar vom „Wachstumsturbo“, den man mit der grünen Politik anzünden könne.13

Tatsächlich wird es ganz und gar unmöglich sein, die gesetzlichen Zielvorgaben, die inzwischen ja sogar in die Rechtsprechung des deutschen Verfassungsgerichts Eingang gefunden haben,14 ohne eine weitere Deindustrialisierung des Landes zu erreichen. Es hat 33 Jahre gedauert, bis der CO2-Ausstoß um 43 Prozent unter das Niveau von 1990 gesenkt wurde. Das waren 1,3 Prozentpunkte pro Jahr. Im Anschluss daran bis 2045, also in weiteren 22 Jahren, die restlichen 57 Prozentpunkte zu schaffen, hieße, im Schnitt einen Weg von 2,6 Prozentpunkten pro Jahr zurückzulegen, also doppelt so schnell zu werden. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn die „Low Hanging Fruits“ sind bereits alle gepflückt, es sei denn, ein weiteres Industriesterben würde in Kauf genommen, wenn nicht bezweckt. Um das Ziel rechtzeitig zu erreichen, müsste man nach der DDR-Industrie nun auch noch die westdeutsche Industrie demontieren. Politiker, die das in Kauf nehmen wollen, wird das Wahlvolk nicht im Amt belassen, denn schon jetzt hat es gemerkt, welch absurden Versprechungen es aufgesessen ist. 

Es ist unbegreiflich, wie eine Gesetzgebung den Bundestag passieren und das Verfassungsgericht überzeugen konnte, die schlichtweg als utopisch bezeichnet werden muss.

Dass der deutsche Kurs nicht möglich ist, zeigt auch ein Blick auf die geplante Ausweitung des Wind- und Sonnenstroms, der ja fast die gesamte Anpassungslast bewältigen soll. Er hatte, wie in Abbildung 5 gezeigt, im Jahr 2023 nach den offiziellen Angaben der AG Energiebilanzen e. V. aber nur einen Anteil von knapp sieben Prozent am Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik, während die grüne Energie insgesamt bei 19 Prozent lag. Danach müsste der Wind- und Sonnenstromanteil mangels Erweiterungsmöglichkeiten im Bereich der Bioenergie oder der Talsperren bis zum Jahr 2045 von sieben Prozent auf 81 Prozent gesteigert werden – auch das ein Beleg für die Utopien, die in Deutschland als real mögliche Politik verkauft wurden.

Und dass im Jahr 2023 der Anteil des Wind- und Solarstroms nur sieben Prozent gewesen sein soll, finden viele Leser sicherlich verwunderlich. Man muss aber bedenken, dass der Anteilswert sich auf die Gesamtenergie einschließlich jener Energien bezieht, die in Heizungen, Produktionsprozessen und Verbrennungsmotoren verbraucht wird. Der Strom, der normalerweise als Bezugsbasis gewählt wird, ist ja selbst nur ein Fünftel der Gesamtenergie, die Deutschland verbraucht.

Sicher kann man mit Wärmepumpen einiges erreichen, denn mit ihrer Hilfe lässt sich, wenn es um die Bereitstellung einfacher Heizungswärme geht, im Jahresmittel vielleicht ein Dreifaches der verbrauchten Elektroenergie als Wärme erzeugen. Auch könnte man Wasserstoff einsetzen, der in den Wüsten der Welt aus Sonnenlicht gewonnen wird, wenn er denn irgendwann einmal zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar wäre. So oder so ist der zurückzulegende Weg so extrem weit, dass man ihn durch technischen Fortschritt bei grünen Technologien unmöglich in etwa zwanzig Jahren bewältigen kann. Er liefe ja auf mehr als eine Verelffachung des Anteilswertes hinaus.

Aber natürlich hätte man jederzeit die Möglichkeit, den Anteilswert auch in der kurzen Frist weiter zu erhöhen, wenn man die Deindustrialisierung durch weitere Verbotsorgien forcieren würde. Es mag Idealisten geben, die das begrüßen würden. 

Abbildung 5: Energiemix Deutschland 2023 gemäß AG Energiebilanzen e. V. (Anteil am Primärenergieverbrauch) 

Abbildung 5

V. Der Flatterstrom

Das Unterfangen, Deutschland mit der geballten Macht des Staates zum Verzicht auf fossile Brennstoffe in nur zwanzig Jahren zu zwingen, ist auch deshalb utopisch, weil der Wind- und Sonnenstrom unstete Flatterströme sind, mit denen allein Deutschland nicht zurechtkommt.

Der Strom ist manchmal da und manchmal nicht, je nach Wetterlage. Und man kann ihn schwerlich regeln, um ihn an den sich ständig ändernden Bedarf der Volkswirtschaft anzupassen, der im Stunden-, Tagesund Wochentakt sowie vor allem mit den Jahreszeiten schwankt. Wind- und Sonnenstrom brauchen an ihrer Seite zwingend konventionellen, regelbaren Strom, dem dann nicht nur die Aufgabe zukommt, die Schwankung des Bedarfs mitzumachen, sondern zusätzlich noch durch gegenläufige Variation die Schwankungen des grünen Stroms selbst auszugleichen.

Als nur wenige Solardächer und Windanlagen in Deutschland installiert waren, war das kein Problem, denn das Bisschen zusätzlicher Volatilität konnten die konventionellen Kraftwerke mithilfe der vorhandenen Stromleitungen leicht abfedern. Inzwischen gibt es aber zunehmende Probleme, denn der Anteil dieses Stroms an der gesamten Stromversorgung ist nun schon sehr hoch, während gleichzeitig nicht nur die gut regelbaren Atomkraftwerke vom Netz genommen wurden, sondern auch viele der ebenfalls zum Ausgleich der grünen Unwucht geeigneten Gas- und Kohlekraftwerke nicht mehr in Betrieb sind. 

Nach den Angaben der AG Energiebilanzen e. V. lag der Anteil des Wind- und Sonnenstroms an der gesamten Stromerzeugung im Jahr 2024 bereits bei 43 Prozent.15 Gleichzeitig wurden im Jahr 2024 nicht weniger als 33 Kohle- und Gaskraftwerke außer Betrieb genommen, so als könnten die vielen Wind- und Solarstromanlagen die Stromversorgung zuverlässig sichern.16 Tatsächlich ist das nicht der Fall, denn wenn weder die Sonne scheint noch der Wind weht, wenn also eine Dunkelflaute vorliegt, nützt es nichts, hohe Marktanteile zu erreichen, weil immer mehr Wind- und Solaranlagen zur Verfügung stehen. Denn der viele Strom, den sie in günstigen Zeitperioden produzieren und dann teilweise noch exportieren, steht in den Dunkelflauten nicht zur Verfügung, und er kann auch nicht über die Jahreszeiten hinweg gespeichert werden. 

Batteriespeicher, wie sie in Autos eingesetzt werden, reichen bei weitem nicht. Sie können ja nicht einmal den Strom, den die Autos im Winter selbst brauchen, im Sommer „tanken“. Batteriespeicher sind für wiederkehrende innertägliche Speicheraufgaben nützlich, doch schon beim Versuch, die Energie über mehr als nur ein, zwei Tage hinweg zu speichern, ist die Rentabilitätsschwelle erreicht. Und die Pumpspeicher, die wir in Deutschland haben, würden gerade reichen, einen allgemeinen Stromausfall für sieben bis acht Stunden auszugleichen.17 Solche Speicher sind reine Kurzzeitspeicher. Für das saisonale Speicherproblem bieten sie keine Lösung. Eine mögliche Lösung würde nur ein System mit Wasserstoffspeichern bieten. Doch auch die sind vorläufig extrem teuer, unwirtschaftlich und weit entfernt von einer rentablen praktischen Umsetzung auf großtechnischer Basis. Das gilt sowohl für Wasserstoff, der in den Sommermonaten aus hiesigem Strom für die Nutzung im Winter gewonnen werden soll, als auch für Wasserstoff, der in den Wüsten gewonnen und dann mit Tankern oder Pipelines nach Deutschland gebracht werden soll. Die technische Machbarkeit, die schon von Bölkow in den 1960er-Jahren demonstriert wurde, ist von der wirtschaftlichen Rentabilität noch meilenweit entfernt.

Wegen des hohen Anteils an grünem Strom leidet Deutschland schon heute unter dramatisch ansteigenden Strompreisen während der winterlichen Dunkelflauten, die häufig zur Advents- und Weihnachtszeit auftreten und manchmal einige Tage dauern. Der bedeckte Himmel bei Windstille ist geradezu typisch für diese Jahreszeit. Das zeigt sich auch an den stündlich quotierten Strompreisen an den Strombörsen, wo jeweils in Abhängigkeit von den Wettervorhersagen einen Tag im Voraus Stromangebot und -nachfrage zum Ausgleich gebracht werden. Für den 12. Dezember 2024 stieg der Strompreis dort auf 94 Cent je kWh und Kunden mit einem variablen Tarif mussten an dem betreffenden Tag selbst sogar bis zu 1,30 Euro je kWh bezahlen.18 Hätte es nicht die Möglichkeit gegeben, französischen Atomstrom zu importieren, wäre wegen des exzessiven Rückbaus der konventionellen Kapazitäten in den letzten Jahren ein Blackout im Bereich des Möglichen gewesen. Das hatte auch den Bundesrechnungshof im Jahr 2024 veranlasst, die Rechnungen des Wirtschafts- und Energieministeriums als „unwahrscheinlichen ‚Best Case‘“ und als „wirklichkeitsfremd“ zu titulieren.19

Damit der Weg in den volatilen grünen Strom überhaupt funktioniert, bedarf es einer hinreichenden hohen konventionellen Kraftwerkskapazität. Der konventionelle Strom als solcher muss nicht allzu häufig fließen, wenn es genug Solarpaneelen und Windräder gibt. Aber die konventionellen Kraftwerke müssen Gewehr bei Fuß stehen, bereit zum Einsatz, wenn Sonne und Wind nicht reichen. Die konventionelle Kapazität muss cum grano salis so groß bemessen sein, wie es auch ohne den grünen Strom nötig wäre, denn der Strom muss ja in der Dunkelflaute notfalls tagelang in fast der vollen Höhe erzeugt werden können. So gesehen spart der Wind- und Sonnenstrom zwar konventionelle Brennstoffe ein, doch nicht die konventionellen Kraftwerke selbst. Die Fixkosten dieser Anlagen in Form der Bezahlung der Belegschaft, der Finanzierung der Anlagen, des Ersatzes für Abschreibungen und der notwendigen Reparaturen kann man nicht einsparen.

Der Weg in den grünen Flatterstrom bedeutet doppelte Fixkosten: Zum einen für die neuen Windflügel und Solarpaneelen und zum anderen für den Erhalt der alten Kraftwerke. Diese doppelten Fixkosten sind die hauptsächliche Erklärung für die im internationalen Vergleich sehr hohen Stromkosten. Abbildung 6 zeigt die Entwicklung der deutschen Stromkosten für Privathaushalte im internationalen Vergleich. Man sieht, wie sich diese Kosten im Laufe der Zeit immer stärker erhöht haben und am aktuellen Rand eine internationale Spitzenposition erreichen. Im Jahr 2024 lagen die Stromkosten im Durchschnitt der deutschen Haushalte bei 41 Cent je kWh. Es gibt kein vergleichbares Land auf der Erde, das an diesen Wert herankommt. 

Abbildung 6: Die Entwicklung der Stromkosten für private Haushalte im internationalen Vergleich* 

Abbildung 6

Und dabei erfassen die den Kunden in Rechnung gestellten Stromkosten noch gar nicht alle Kosten, denn die grüne Stromwirtschaft erhält zum Ausgleich für die 2023 abgeschaffte EEG-Umlage jedes Jahr milliardenschwere Zuschüsse aus Steuermitteln. Mit der EEG-Umlage wurden die Stromkunden belastet, um den grünen Anlagen hohe Strompreise zu garantieren und zugleich das Recht zu gewähren, ihren Strom trotz dieser Preise vorrangig ins Netz einspeisen zu dürfen.

Heute wird stattdessen der Steuerzahler belastet. In den Jahren vor ihrer Abschaffung betrug die EEG-Umlage meistens circa 6 Cent pro kWh. Die heutige Subvention, die dem grünen Strom gewährt wird und die versteckte Stromkosten darstellt, dürfte in etwa gleich hoch sein. Zieht man die Stromsteuer, die bei etwa 2 Cent pro kWh liegt, von der Subvention ab, so kommt man zu dem Schluss, dass die wahren volkswirtschaftlichen Stromkosten für Privathaushalte in Deutschland im Jahr 2024 durchschnittlich nicht „bloß“ 41 Cent pro kWh, sondern circa 45 Cent pro kWh betragen haben. Das entfernt Deutschland bei den Stromkosten noch weiter von allen anderen Ländern.

Dass die Sonne keine Rechnung schickt, wie der Journalist Franz Alt einmal meinte, stimmt zwar, doch schicken stattdessen die Betreiber der grünen Anlagen, die Betreiber der weiter benötigten konventionellen Kraftwerke und der Steuerstaat den Bürgern gleich drei Rechnungen auf einmal.

Preistreibend sind indes nicht nur die Maßnahmen zur Kompensation der möglichen Dunkelflauten, sondern auch die manchmal allzu hohen Einspeisungen von Wind- und/oder Sonnenstrom bei günstigen Wetterverhältnissen. Bisweilen schnellt die Grünstromproduktion so plötzlich hoch, dass die konventionellen Anlagen nicht schnell genug heruntergefahren werden können. Die Netzbetreiber müssen den Strom dann häufig gegen Gebühren im Ausland entsorgen. Tatsächlich war der Strompreis auf dem „Day-Ahead-Markt“ im Jahr 2024 an 532 Stunden im Jahr null oder negativ. Das waren eineinhalb Stunden pro Tag im Durchschnitt des Jahres.20

Der zu negativen Preisen an das Ausland gelieferte Strom wurde bei der Berechnung des Grünstromanteils in den einschlägigen Jubelstatistiken meistens so behandelt, als wäre er in Deutschland verwendet worden.

In anderen Statistiken wurde er als nutzbringender Export behandelt. In Wahrheit handelte es sich um die kostenpflichtige Entsorgung eines Abfalls im Ausland. Auch die Entsorgungsgebühren sind Teil der deutschen Strompreise.

Werden Gaskraftwerke zum Ausgleich der Schwankungen des Wind- und Solarstroms eingesetzt, ist das Problem der negativen Strompreise geringer als bei Kohle- oder Atomkraftwerken, weil sie flexibler sind und selbst die innertäglichen Schwankungen ausgleichen können. Sie können bei Dunkelflauten verhindern, dass es zu Blackouts kommt und dass Ersatzstrom teuer im Ausland eingekauft werden muss. Und sie können im Fall sich plötzlich verbessernder Wetterverhältnisse schneller herunter gefahren werden. Sie haben schließlich keine Heizkessel, deren Erwärmung und Abkühlung nur langsam erfolgen kann.

Leider verlief der Ausbau des Bestandes an Gaskraftwerken sehr schleppend. Zuletzt hatte sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Verkehr am 11. September 2024 durchgerungen, Kraftwerkskapazitäten für den Gasbetrieb mit einer Kapazität von 12,5 GW auszuschreiben, doch mindestens 20 bis 25 GW werden nach Aussagen der Bundesnetzagentur und der vier Übertragungsnetzbetreiber benötigt.21

Eine solide Dauerlösung ist indes auch durch Gaskraftwerke nicht gesichert, denn bei einem weiteren Ausbau der Wind- und Solaranlagen wird es immer mehr Fälle geben, bei denen die Produktion grünen Stroms den Stromverbrauch übersteigt. Da hilft es auch nicht, sehr flexible Gaskraftwerke einzusetzen, denn weniger als nichts können sie nicht produzieren. Das ist ein ganz neues Problem, das zuletzt erst ansatzweise sichtbar wurde, weil die überschießenden Spitzen bislang noch selten waren. Das Problem wird aber bei einer weiteren Vergrößerung des Wind- und Sonnenstromanteils progressiv an Bedeutung gewinnen.22 Gaskraftwerke können zwar Phasen mit schnell schwankender Stromproduktion sowie echte Dunkelflauten abpuffern, helfen aber nicht gegen Stromspitzen, die entstehen, wenn mehr grüner Strom erzeugt als verbraucht wird. Das Problem der negativen Strompreise wird deshalb bei einer Fortsetzung des Ausbaus der grünen Energien in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen und die Netzbetreiber zwingen, immer mehr grünen Anlagen abzuschalten, was deren privatwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Rentabilität weiter verringern wird. 

Ein weiteres Problem, das der forcierte Ausbau des grünen Stroms impliziert, liegt in dem Umstand, dass es ohne einen gewaltigen Ausbau der Struktur und des Volumens der innerdeutschen und internationalen Leitungskapazitäten immer schwieriger wird, den Ausgleich zwischen dem im Herbst und Frühjahr reichlichen Windstrom im Norden und dem im Sommer reichlichen Sonnenstrom im Süden zu finden. Bei geringem Eintrag der jeweiligen grünen Stromarten ins Netz ist dieser Ausgleich einfach, weil die Netzbetreiber noch freie Leitungskapazitäten finden, doch bei wachsenden Marktanteilen wird er immer schwieriger, weil dazu erst noch die Leitungen ausgebaut werden müssten, was aber aus vielerlei Gründen sehr schleppend vorangeht. 

Derweil führt der Ausbau der Wind- und Sonnenstromkapazitäten zu absurden Entwicklungen durch sogenannte Redispatch-Maßnahmen der Netzbetreiber. Redispatch heißt, dass die Netzbetreiber konventionelle Kraftwerksbetreiber dafür bezahlen, dass sie mehr Strom liefern, als es sich für sie bei herrschenden Strompreisen ansonsten lohnen würde, um punktuelle Überlastungen von Stromleitungen zu vermeiden.

Wenn zum Beispiel im Norden Wind aufkommt, ohne dass im Süden zugleich mehr Sonne scheint, ergibt sich ein Spannungsgefälle, das zur Überlastung der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Trassen führt, weil der Strom immer zu den Gebieten mit niedriger Spannung hinströmt. Zugleich sinkt in Deutschland der Strompreis auch im Süden, obwohl der Windstrom dort gar nicht hingelangt, weil eine regionale Preisdifferenzierung in Deutschland verboten ist. Das veranlasst die Betreiber konventioneller Kraftwerke im Süden, ihre Leistung wegen des Windstroms im Norden zurückzunehmen, obwohl der zusätzliche Windstrom aus dem Norden wegen der schwachen Leitungen gar nicht angeliefert werden kann. Die Folge ist eine weitere Vergrößerung des Spannungsgefälles, was die Gefahr eines Durchbrennens der Leitungssicherungen weiter erhöht. Damit das nicht passiert, müssen die Netzbetreiber die Kraftwerke im Süden dafür bezahlen, dass sie die Spannung im Süden künstlich hochtreiben, und zwar so viel, dass
sowohl das primäre Spannungsgefälle aufgrund des vermehrten Windstroms im Norden als auch das sekundäre Gefälle aufgrund der Abschaltungen der konventionellen Kraftwerke im Süden vermieden wird. 

Diese sogenannten Redispatch-Maßnahmen sind nicht nur teuer für die Stromkunden, sie bedeuten auch, dass per Saldo ein Mehr an Windstrom im Norden ein Mehr an konventionellem Strom im Süden induzieren kann. Das drückt dann an solchen Tagen zusätzlich auf die Strompreise, während zugleich der jahresdurchschnittliche Strompreis wegen der teuren Redispatch-Maßnahmen steigt. Umgekehrtes passiert, wenn im Süden plötzlich mehr Sonne scheint, während im Norden normale Windverhältnisse vorliegen. Der Strom will dann aus technischen Gründen in den Norden fließen und muss durch konventionelle Kraftwerke im Norden, die eine Gegenspannung erzeugen, daran gehindert werden, dass er es tut. Der wechselseitige Selbstverstärkungseffekt durch das Redispatch könnte zu den Gründen für die vielen Tage mit negativen Strompreisen im Jahr 2024 beigetragen haben.

Der Umfang der nötigen Redispatch-Maßnahmen und der entsprechenden Kosten für die Netzbetreiber und die Verbraucher ließe sich verringern, wenn man, wie Grimm und Ockenfels (2024) es vorschlagen, Deutschland in unterschiedliche Strompreiszonen aufteilt. Dann würden die Preise nur in dem vom Wetterstrom begünstigten Landesteil fallen, und in dem jeweils anderen Landesteil hätten die Betreiber konventioneller Kraftwerke weniger Veranlassung, ihre Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Dementsprechend müssten auch weniger konventionelle Kraftwerke durch ein Redispatch zur Mehrproduktion veranlasst werden. Ganz vermeiden ließe sich der Redispatch allerdings nicht, denn er ist aus technischen Gründen grundsätzlich noch immer erforderlich, um den Primäreffekt einer asymmetrischen Spannungserhöhung auf den Nord-Süd-Leitungen abzublocken.

Das alles zeigt, wie schwierig es ist, die Stromversorgung in einer Volkswirtschaft auf Wind- und Sonnenstrom umzustellen. Die Bändigung des Flatterstroms ist eine Aufgabe, deren Dimensionen sich die verantwortlichen Politiker seinerzeit vermutlich nicht klargemacht
hatten.23 

IV. Wie es weitergehen könnte

Ungeachtet der Schwierigkeiten der Energiewende hat Deutschland inzwischen Hunderte von Milliarden Euro in den Ausbau einer grünen Strominfrastruktur im Großen wie im Kleinen – auf der Haushaltsebene – investiert. Die Kosten dafür sind versunken, genauso wie die Kosten alter Atomkraftwerke oder alter Kohlekraftwerke. Deshalb muss man heute von dem Zustand ausgehen, in dem sich das Land befindet.

Wenn nun eine Energieform noch zulasten einer anderen erweitert werden soll, so rentiert sich diese Erweiterung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nur dann, wenn ihre Durchschnittskosten (einschließlich der Fixkosten) kleiner als die Grenzkosten der anderen Form sind, die zu ersetzen ist. Das spricht zunächst einmal dagegen, Anlagen außer Betrieb zu nehmen, die es schon gibt, denn was schon da ist, hat bei der ökonomischen Vergleichsrechnung den Vorteil, dass alte Kosten, an denen nichts zu ändern ist, nicht mehr zu berücksichtigen sind. Der Verzicht auf bestehende fossile Kohlekraftwerke, auf bestehende grüne Anlagen und auf die Wiederinbetriebnahme noch vorhandener Atomkraftwerke erscheint als gleichermaßen verfehlt. 

Aber es sind nicht nur solche engeren betriebswirtschaftlichen Aspekte, sondern auch übergeordnete volkswirtschaftliche Wirkungen zu bedenken. So ist es von Bedeutung, dass die grüne Energie den Vorteil hat, dass sie im Inland entsteht. Der Wind und die Sonne, die sie nutzt, sind nun einmal hierzulande vorhanden, und sie werden auch in der größten internationalen Krise nicht versiegen. Das ist ein Sicherheitsaspekt, den man nicht von der Hand weisen sollte. Obwohl zur Pufferung dieses Stroms konventionelle Kraftwerke gebraucht werden, lässt sich zumindest der störanfällige Import der Brennstoffe auf nicht kontrollierbaren Verkehrswegen verringern. Wegen der Lagerfähigkeit dieser Brennstoffe wird es möglich, auch ohne laufenden Nachschub Strom zu produzieren. Die lagerbaren Bestände solcher Brennstoffe, seien es Kohle-, Gasoder Uranlager, halten bei einer Unterbrechung der weltweiten Lieferketten umso länger, je mehr Windund Sonnenstrom erzeugt wird, egal ob er ins Netz eingespeist oder für den Eigenbedarf genutzt wird. Und sofern der Eigenverbrauch mittels intelligenter Regelsysteme und durch den Einsatz von Batteriespeichern mit der Verfügbarkeit von selbst erzeugtem Wind- und Sonnenstrom wenigstens für kurze Zeit synchronisiert werden kann, wird das Netz bei den kurzen Frequenzen im Lastwechsel stabilisiert.

Zu den volkswirtschaftlichen Aspekten gehört auch und insbesondere die mögliche Verringerung des CO2-Ausstoßes, um die es bei der grünen Revolution in allererster Linie ging. Der CO2-Ausstoß verstärkt nach den heutigen Erkenntnissen der Klimawissenschaftler den Klimawandel und ruft die allseits befürchteten Sekundärwirkungen auf die Natur hervor, zu denen zum Beispiel die Verstärkung der Stürme, Hochwasserkatastrophen, der Anstieg des Meeresspiegels durch das Schmelzen des Grönlandeises sowie die Verlagerung der bewohnbaren Teile des Planeten gehört, was Unfrieden stiftende Migrationsbewegungen auslöst.

Diese zentralen Vorteile der Wind- und Sonnenenergie darf man nicht aus dem Auge lassen, und sie sprechen grundsätzlich dafür, die grüne Energie nach technischem und ökonomischem Vermögen zu erhalten und womöglich auch weiter auszubauen.

Allerdings sollte der Ausbau mit Augenmaß und ruhiger Hand erfolgen, und zwar so, dass zunächst die neuen Strukturen aufgebaut und erst dann, wenn sie wirklich funktionieren, in einem zweiten Schritt die alten abgebaut werden. Die vorauseilende Zerstörungswut, die die grüne Politik der letzten Jahre gekennzeichnet hat, ist das Kennzeichen einer hastigen Revolution, nicht jedoch einer klugen und bedachten Transformationsstrategie, die Maß und Mitte bewahrt.

Der Ausbau sollte darüber hinaus gemeinsam mit allen europäischen Staaten, den anderen großen Ländern der Welt, insbesondere den USA, China, Indien und Brasilien erfolgen, damit nicht jene Staaten das Nachsehen haben, die sich um das Weltklima kümmern, während die anderen einen für sie vorteilhaften Kurs unverändert weiterfahren. 

Wenn die koordinierte Aktion nicht gelingt, dann ist freilich die Frage, ob der unilaterale Verzicht auf den Einsatz fossiler Brennstoffe, wie ihn die EU und allen voran Deutschland betreibt, überhaupt von Nutzen ist, wenn doch diese Brennstoffe nicht auf europäischem Territorium gewonnen werden, sondern importiert werden müssen. Es drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass ein solcher Verzicht dazu führen könnte, dass diese Brennstoffe dann anderswo auf der Welt zu fallenden Preisen verbraucht und verbrannt werden. In diesem Fall stünde der Deindustrialisierungsgefahr kein Klimanutzen gegenüber. Es ist bemerkenswert, dass Deutschland, welches durch 

  • „ den forcierten Ausbau des Wind- und Sonnenstroms,
  • den Ausstieg aus der Kernkraft,
  • die Zurückdrängung der Verbrennungsmotoren,
  • den Ausstieg aus der Kohle und perspektivisch auch noch durch
  • den Abbau seiner Gasnetze 

seine Existenz als global tätige Industrienation aufs Spiel setzt, diese wichtigste aller Fragen niemals öffentlich diskutiert hat, sondern sich mit einer Mischung aus vordergründig-semantischem Vokabular im Großen und technischen Schwärmereien im Kleinen um die Diskussion der angebotsseitigen Fragen der Klimapolitik gedrückt hat. Dass auch in diesem Beitrag die Frage, wo die durch die Klimapolitik in Europa eingesparten Kohlenstoffmengen letztendlich bleiben – in der Erde oder im Feuer anderer Erdteile –, nicht behandelt wird sollte man nicht als Missachtung verstehen. Tatsächlich ist es nur der Versuch, eine für den hypothetischen Fall der weltweiten Kooperation sinnvolle Politik auf nationaler und europäischer Ebene zu umreißen. Zu der Frage, was andernfalls zu tun wäre, hat sich der Autor an anderer Stelle geäußert Sinn (2008, 2022, 2023a). 

VII. Die Schlussfolgerungen

Dies sind die Schlussfolgerungen aus dieser kurzen Abhandlung: 

1. Deutschlands Wachstumstrend ist seit 2018 gebrochen. Deutschland wurde damit in den letzten Jahren zum Schlusslicht beim Wachstum der OECD-Länder.

2. Deutschland befindet sich seit dem Trendbruch 2018 in einer strukturellen Phase der Deindustrialisierung, die fast alle Industriebranchen erfasst hat, sich aber auf den Automobilbau, die Chemie und den Maschinenbau konzentriert. Nachbarländer wie die Schweiz und Österreich sind trotz ebenfalls starker Industrien weniger betroffen. Auch die EU-Industrie im Ganzen entwickelt sich besser als die deutsche Industrie.

3. Die Deindustrialisierung wurde durch eine Abschaltorgie im Energiebereich induziert, die perspektivisch sämtliche fossile Brennstoffe und Verbrennungsmaschinen in den kommenden zwanzig Jahren ausmerzen will.

4. Die Deindustrialisierung wurde darüber hinaus geradezu erzwungen durch das Energieeffizienzgesetz, das eine Halbierung des Energieverbrauchs ungeachtet der Frage verlangt, ob die Energie grün oder fossilen Ursprungs ist. Den Unternehmen bleibt nach diesem Gesetz keine Möglichkeit mehr, die fossile Energie durch grüne Energie zu ersetzen. Das Energieeffizienzgesetz ist in Wahrheit ein Deindustrialisierungsgesetz.

5. Beim Atomausstieg ist Deutschland der Geisterfahrer. Außer vielleicht Taiwan auf der anderen Seite der Erde folgt niemand nach. In vielen Ländern der Erde ist demgegenüber eine Renaissance der Atomkraft zu verzeichnen, weil sie regelbare und CO2-freie Stromenergie erzeugt und die Sicherheitsprobleme in den Griff bekommen hat. Viele Start-ups sind dabei, modulare Kleinreaktoren zu entwickeln, die den Strom direkt in der Nähe der Verbraucher produzieren.

6. Deutschland will den Verbrauch fossiler Brennstoffe bis zum Jahr 2045, also in nur zwanzig Jahren, vollkommen verbieten, offenbar weil es große Hoffnungen auf den Wind- und Sonnenstrom setzt. Dabei lag im Jahr 2023 der Anteil des Wind- und Sonnenstroms am gesamten Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland erst bei sieben Prozent und die restliche grüne Energie machte etwa zwölf Prozent aus. Der Anteilswert des Wind- und Sonnenstroms müsste sich demnach in der Zeitspanne von 2023 bis 2045 verelffachen. Das ist eine utopische Vorstellung, es sei denn, nach dem Untergang der DDR-Industrie nähme man nun auch noch eine ebenso rigide Deindustrialisierung des Westens in Kauf.

7. Die grüne Energie aus Wind und Sonnenlicht ist flatterhaft und in dieser Form allein nicht nutzbar. Da zum Ausgleich saisonaler Wetterschwankungen Stromspeicher nicht zur Verfügung stehen, kommt nur eine Pufferung mit konventioneller Stromenergie infrage. Konventionelle Kraftwerke müssen für den permanenten Ausgleich der Volatilität des grünen Stroms bis hin zur Abdeckung der Dunkelflauten sorgen. Die daher unerlässliche Duplizität der Energiesysteme führte zu einer Duplizität der Fixkosten der Systeme und hat Deutschland weltweit zum Spitzenreiter bei den Stromkosten der privaten Haushalte gemacht. Die jahrelang von höchsten Stellen verbreitete Vorstellung, der Weg in die grüne Energie verringere die Stromkosten und erzeuge in Deutschland außerdem noch ein neues Wirtschaftswachstum, erwies sich als Blütentraum.

8. Als neues Problem der Stromversorgung wird mit dessen wachsendem Marktanteil das Problem der zeitweise die Stromnachfrage überschießenden Stromspitzen hinzutreten. Solche Spitzen, die an Wochenenden bei hohem Winddruck und starkem Sonnenschein auftreten, können nicht sinnvoll verwertet werden, solange Langzeitspeicher fehlen. Funktionierende und preislich vertretbare Langzeitspeicher in dem benötigten Ausmaß sind nicht in Sicht.24 Schon im Jahr 2024 gab es in Deutschland im Durchschnitt etwa eineinhalb Stunden mit negativen Strompreisen oder solchen von null Euro pro kWh, weil die konventionellen Kraftwerke an sonnigen Windtagen nicht schnell genug heruntergefahren werden konnten. Dieses Problem wird sich durch Stromspitzen, die den Verbrauch übersteigen, bei einem weiteren Ausbau des Wind- und Solarstroms dramatisch verschärfen. Der grüne Kurs wird an natürliche Grenzen stoßen.

9. Dessen ungeachtet ist der potenzielle Umweltnutzen und vor allem der Gewinn an Schutz gegenüber einer Unterbrechung der Energiezufuhr in Krisenzeiten zu würdigen, die der grüne Strom zu bieten in der Lage ist. Die nicht subventionierte, privatwirtschaftlich zustande kommende Selbsterzeugung grünen Stroms für den Eigenverbrauch bleibt deshalb ein sinnvoller Teil der Energiewende, zumal, wenn sie mit privaten Mitteln um Kurzzeitspeicher zur Überbrückung kurzfristiger Wetterschwankungen ergänzt wird.

10. Die grüne Strategie impliziert wegen der Wetterabhängigkeit des Stroms riesige erratisch kreuz und quer verlaufende Stromflüsse innerhalb Deutschlands und auch zu den Grenzregionen der Nachbarländer hin. Diese Stromflüsse haben mit den alten Stromflüssen zur Zeit der konventionellen Kraftwerke wenig zu tun und brauchen deshalb großenteils andere Leitungen. Solange die nicht gebaut sind, müssen die dann unvermeidlichen punktuellen Netzüberlastungen mit aufwendigen und ökologisch bisweilen widersinnigen Redispatch-Maßnahmen aufgefangen werden. Diese Maßnahmen sind also nicht nur nötig, um Dunkelflauten auszugleichen, sondern zunehmend auch, um punktuell hohe Stromeinspeisungen zum Schutz vor Überlastungen der Leitungen durch Gegenspannungen zurückzudrängen, die von konventionellen Kraftwerken erzeugt werden müssen. Um den regional überschießenden grünen Strom sinnvoll nutzen zu können, ist es erforderlich, das innerdeutsche Stromnetz und die Netze beiderseits der Landesgrenzen mit hohem Aufwand zu verstärken.

11. Deutschland sind Maß und Mitte bei seiner Energierevolution verloren gegangen. Das Land hat sich von einer rationalen Begründung der Klimapolitik gelöst und sich in ideologische Höhen geschraubt, von denen aus der wirtschaftliche Absturz droht. Die Politik sollte sich genau überlegen, ob sie die energiepolitischen Ausstiegsszenarien, die sie während der Merkel-Zeit und der Zeit der rot-grünen Regierung im Verein mit der EU zum Gesetz gemacht hat, in dieser rigiden Form beibehalten sollte. Auf jeden Fall sollte sie sofort mit der weiteren Zerstörung funktionierender Infrastruktur im Energiebereich aufhören und neue Wege der CO2-Reduktion erst einmal austesten, bevor sie das gesamte Volk den Weg in eine ungewisse Zukunft weitergehen lässt. 

Literaturverzeichnis und Fußnoten siehe Download-Datei. 

Mehr Informationen sowie den gesamten Bericht auf www.familienunternehmen.de