Der Ökonom Hans-Werner Sinn plädiert für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union, koste es was es wolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll den Briten ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können, um ein neues Referendum vorzubereiten.
Der langjährige Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn erachtet einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union (EU) als grundlegend wichtig für die Exportnation Deutschland. Ein Ungleichgewicht von EU-Ländern mit schwächelnden Industrien könnte die EU zu einer „Handelsfestung“ wandeln, auch in der Reaktion auf Donald Trumps Politik.
„Das Vereinigte Königreich brachte ein liberales Grundklima in die Außenhandelspolitik der EU, von der Deutschlands Export-Wirtschaft über Jahrzehnte profitierte“, so Sinn auf der Weihnachtsvorlesung des Ifo-Instituts am Montag in München.
Mit dem Vereinigten Königreich würde die EU die zweitstärkste Volkswirtschaft aus ihren Reihen verlieren. Bei einem Austritt der Briten müsste zudem das gesamte Gefüge der EU neu justiert werden. Beim jetzt verhandelten „Rückfallabkommen“ gäbe es keine Lösung, welche den Briten zusage.
Brexit: Briten tun sich schwer
Das Hauptproblem bliebe die Sonderstellung mit EU-Rechten von Nordirland innerhalb des Vereinigten Königreichs. Diese bedrohe die Souveränität und könnte ebenfalls Schottland dazu verleiten, erneut nach einer Loslösung zu streben. „Der erste Zöllner, der in Nordirland hingestellt wird, wird von der IRA erschossen“, so Sinn mit einer drastischen Bildsprache.
Die Briten könnten aktuell den Termin zum Austritt noch verschieben und bis zu einer Frist vom 29. März 2019 gar in die EU zurückkehren. Die Bundesregierung sollte den Briten „ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können“, um ein neues Referendum vorzubereiten und sie in der EU zu halten.
Brexit und die Strafideologie der EU
„Die EU möchte Großbritannien bestrafen, um Nachahmer abzuschrecken. Das hat etwas von einem Gefängnis und einer Strafideologie“, kritisiert Sinn die Austrittspolitik auch in Hinblick auf die Spannungen der EU mit Italien hinsichtlich des geplanten zu hohen Haushaltsdefizits des Landes.
Für Sinn ist das Hauptproblem der EU die ökonomische Unvereinbarkeit von Wohlfahrtsstaat, Binnenmigration und Inklusion (Einschluss) der Migranten ins Sozialsystem. Hier müssten auf der Seite der Inklusion nun Änderungen vorgenommen werden. So plädiert er für eine strikte Trennung von erarbeiteten Sozialleistungen und vererbten Sozialleistungen, welche EU-Binnenmigranten nach fünf Jahren Aufenthalt ein Leben lang erhalten.
Exit vom Brexit als Ideallösung
„Wir müssen eines der Ziele opfern, weil die Bedürftigen sich in den reichen Staaten sammeln werden“, warnt Sinn. Hierbei stimmt Sinn dem ehemaligen Premierminister David Cameron zu, der der Initiator des Brexit-Referendums war. Cameron wollte 2016 seine innerparteiliche Position mit dem Referendum stabilisieren, aber keinen Austritt des Königreichs bewirken.
Sollte es nicht zu einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU kommen, müsse den Briten jedoch der freie Güterhandel erlaubt werden, denn laut Sinn sind Güterhandel und Migration ökonomische Substitute. Primär wäre der Exit vom Brexit die Ideallösung und „ein Funken Hoffnung“ bleibe noch.
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