Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Dezember 2015, S. 17.
Das Schlüsselerlebnis meines Lebens als Volkswirt hatte ich am Samstag, dem 12.August 1961. Ich war 13 Jahre alt. Meine Eltern fuhren mit mir am Morgen in unserem Lloyd Alexander TS, den mein Vater kurz vorher stolz erstanden hatte, durch das Brandenburger Tor, um Tante Lieschen im Osten zu besuchen. Als wir am Nachmittag zurück wollten, war das Tor durch Militär versperrt. Stacheldraht wurde ausgerollt, und alles wirkte bedrohlich. Über eine andere Straße wurden wir zurück in den Westen geleitet. Am nächsten Tag machte ich mich selbständig noch einmal auf den Weg und lauschte den Protestreden westlicher Politiker. Ich ahnte nun, was Kommunismus ist.
Wie magisch zog es mich später immer mal wieder nach Ost-Berlin, als ich meine Tanten in West-Berlin besuchte. Ich war neugierig, was sich dort tat, nachdem man sich eingeigelt hatte. Der Vergleich zwischen der DDR und der Bundesrepublik faszinierte mich und veranlasste mich, 1967 in Münster mit dem Studium der Volkswirtschaftslehre zu beginnen. Die Systemfrage war damals für mich interessant, aber nicht entschieden. Auf der einen Seite gab es die Studentenführer, die von der Anarchie der Märkte und der repressiven Toleranz des Kapitalismus sprachen, auf der anderen Seite meine Lehrer, die die unsichtbare Hand der Marktwirtschaft priesen.
Es war eine bewegte Zeit. Ostermärsche, Vietnam-Demonstration, Dutschke, Nevermann, Salvatore und vieles andere zwangen uns Studenten und unsere Lehrer, sich mit revolutionären Thesen auseinanderzusetzen. So klar es war, dass der russisch-stalinistische Kommunismus der DDR ins Abseits führen würde, so begeistert waren wir von Alexander Dubcek und Ota Sik, die im Prager Frühling den Systemwechsel herbeiführen wollten. Ich war damals auch in Prag, um zu sehen, was da passierte. Als die Suche nach dem Dritten Weg durch russische Panzer abgebrochen und Dubcek inhaftiert wurde, haben auch die Linken Protestdemonstrationen organisiert.
Mit einem Mitarbeiter Siks, Jan Osers, habe ich in der Mitte der siebziger Jahre an der Universität Mannheim ein Seminar zur Arbeiterselbstverwaltung organisiert. Dabei fuhren wir mit einer Studentengruppe nach Sarajevo, um die Funktionsweise der "jugoslawischen Firma" zu erkunden. Dass diese Firma nicht funktionieren konnte, weil sie wegen der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer zum Ausschluss neuer Arbeitskräfte neigte, ließ sich nicht übersehen. Schon lange vorher hatte sich freilich die Systemfrage für mich entschieden, nachdem ich die Hauptsätze der Wohlfahrtstheorie der Nobelpreisträger Arrow und Debreu verstanden hatte, die Adam Smiths Metapher von der unsichtbaren Hand der Märkte präzisierten. Ich hatte eingesehen, dass die Marktwirtschaft durch die Kombination erwerbswirtschaftlicher Motive mit dem Preismechanismus grundsätzlich in der Lage ist, ohne Zentralplanung eine effiziente Wirtschaftsordnung herbeizuführen, während die Zentralverwaltungswirtschaft das nicht einmal dann schafft, wenn sie die Arbeiter von der Stasi bewachen lässt. Zwangsherrschaft und Ineffizienz standen gegen Freiheit und Prosperität. Dieser Wahrheit konnte ich mich nicht verschließen.
Gleichwohl blieb das Thema der großen Ungleichheit im marktwirtschaftlichen System ungelöst. Eine Marktwirtschaft ist zwar effizient, aber nicht gerecht, wie immer man die Gerechtigkeit im Einzelnen definieren mag. Sie entlohnt nach Grenzproduktivität, und das impliziert, dass das Einkommen bei gleicher Leistung von der Knappheit dieser Leistung abhängig ist. Tut man etwas Nützliches, das viele andere auch tun, ist das Einkommen klein. Hat man Glück und muss sich nur mit wenigen gleichwertigen Konkurrenten messen, ist es hoch.
Deshalb benötigt eine Marktwirtschaft den Sozialstaat zum Ausgleich, eine Institution, die den überdurchschnittlich Verdienenden Ressourcen wegnimmt und sie den unterdurchschnittlich Verdienenden gibt. Diese Umverteilung ist ein Versicherungsschutz gegen die Unbilden des Lebens, wie sie von einer privaten Versicherung nicht geleistet werden kann, schon weil die private Versicherung nur von Erwachsenen abgeschlossen werden kann und damit erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Schleier des Unwissens über die Fähigkeiten eines Menschen bereits weitgehend gelüftet ist.
Man darf aber nicht zu viel umverteilen, denn mit der Umverteilung sinkt der Anreiz, sich selbst anzustrengen, um das Einkommen zu erhöhen. Jenseits eines bestimmten Punktes wird der Kuchen, der für alle zur Verfügung steht, umso kleiner, je gleichmäßiger man ihn verteilt. Insofern bedarf es der Abwägung zwischen rivalisierenden Zielen, des Augenmaßes bei der Suche nach einem tragfähigen Kompromiss zwischen der Verteilungsgerechtigkeit und der wirtschaftlichen Prosperität. Eine Gesellschaft, die dem Ziel der Verteilungsgerechtigkeit so nahe kommen möchte, wie es nur irgend geht, vernichtet ihre Wirtschaft und versinkt in Armut.
Die siebziger Jahre haben sehr deutlich demonstriert, dass man es übertreiben kann. Da war die Rede vom Widerspruch zwischen einem privaten Reichtum und einer öffentlichen Armut, der zu überwinden sei. Die Gemeinden erhielten Schlüsselzuweisungen, um die konsumtive Infrastruktur aufzubauen. Viele Straßen, Stadthallen, Frei- und Hallenbäder wurden damals gebaut, nicht immer unter Schonung der alten Bausubstanz. So manches Schwimmbad verrostete mittlerweile und wurde abgerissen. Die Rentenversicherung wurde für weitere Berufsgruppen geöffnet, was dem Staat kurzfristig Einnahmen verschaffte, ihn aber langfristig schwächte, weil die Beitrittsbedingungen extrem großzügig definiert wurden. Die Tariflohn-Steigerungen gingen damals bis in den zweistelligen Bereich hinein, Sockellohn-Vereinbarungen wurden populär, die Sozialhilfe wuchs schneller als die Nettolöhne, und die Arbeitslosenhilfe, dieses zweite Arbeitslosengeld, das notfalls bis zur Pensionierung geleistet wurde und das es nur in Deutschland gab, wurde mit einem fixen Prozentsatz an den vorherigen Lohn gekoppelt.
Der Sozialstaat entwickelte sich zum Konkurrenten der privaten Wirtschaft, indem er immer mehr Lohnersatzleistungen anbot, die sich als implizite Mindestlöhne entpuppten, weil sie hohe Lohnansprüche aufbauten. Da zumindest die FDP Angst vor dem Belastungstest hatte, den Willy Brandt der Wirtschaft zumuten wollte, wurden viele der üppigen Geschenke auf Pump finanziert. In der Amtszeit von Helmut Schmidt verdoppelte sich die bis dahin konstante Staatsschuldenquote von 20 Prozent auf 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Konsequenz der wachsenden Lohnersatzleistungen bei gleichzeitig steigenden Ölpreisen war eine Zunahme der Arbeitslosigkeit im Verein mit einer Zunahme der Inflation. Fünf Prozent Inflation seien besser als fünf Prozent Arbeitslosigkeit, sagte Schmidt damals, um seinen untauglichen Versuch zu begründen, den Angebotsproblemen der Wirtschaft mit einer keynesianischen Nachfragepolitik mittels Verschuldung zu begegnen. Einem linearen Trend folgend schoss die Arbeitslosigkeit von einem Konjunkturzyklus zum anderen immer weiter hoch, bis schließlich Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 die Notbremse zog.
Helmut Kohl, der Helmut Schmidt 1982 ablöste, hielt den Kurswechsel zu mehr fiskalischer Stabilität nur bis zur deutschen Vereinigung durch. Seine Wahlkampftaktik, den Deutschen die Kosten der Vereinigung zu verschweigen, sollte sich später bitter rächen, denn weil Deutschland 1996 die für den Eurobeitritt selbstgesetzte Latte der Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts riss, konnte es den Beitritt der hochverschuldeten Südländer nicht mehr verhindern. Damit nahm das Unglück seinen Lauf, das im Endeffekt zur Radikalisierung mancher südeuropäischer Staaten und in gewissem Umfang auch Frankreichs führte und Deutschland in eine Haftungsspirale hineinzog, aus der es sich kaum noch befreien kann.
Die deutsche Vereinigung haben Kohl und Genscher gut hingekriegt, was die Außenpolitik betrifft. Die wirtschaftliche Vereinigung hat indes eher nicht funktioniert. Noch immer hängen die neuen Länder am Tropf, und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, hat es die vergangenen zwanzig Jahre keine Konvergenz bei der Wirtschaftsleistung mehr gegeben. Das private Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf dem Gebiet der Ex-DDR liegt heute gerade mal bei 62 Prozent des Westniveaus. Die weitgehende Konvergenz der Lebensstandards wurde vom gemeinsamen Sozialstaat bezahlt.
Der tiefere Grund für diese Fehlentwicklung liegt im deutschen Korporatismus, der schon 1967 in der Konzertierten Aktion von Strauß und Schiller seinen Anfang genommen hatte. Die Treuhand-Firmen wollte man gegen eine Übernahme durch ausländische Investoren verteidigen. Eine Niedriglohnkonkurrenz durch die Japaner und all die anderen, die schon mit den Hufen gescharrt hatten, um beim Wettbewerb um die Treuhand-Unternehmen vorne zu sein, galt es zu verhindern. Deswegen hat man den westdeutschen Gewerkschaften und den westdeutschen Arbeitgebern erlaubt, die Lohnsteigerungen der ostdeutschen Treuhand-Firmen, also ihrer eigenen Konkurrenten, noch vor deren Privatisierung zu diktieren und so deren zukünftige Eigentümer tarifrechtlich zu binden. Man wähle diesen Kurs, auch wenn damit ein Drittel bis 40 Prozent der Treuhand-Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit getrieben würden, sagte IG-Chemie-Chef Hermann Rappe damals.
Die Kehrtwende der verkorksten Lohnpolitik unter Schmidt und Kohl musste die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder vollziehen, indem sie sich zur Agenda 2010 aufraffte. Der Schritt fiel ihr nicht leicht, doch wurde sie von den rechten Parteien, den Medien und der Wissenschaft gedrängt, bis sie nachgab. Noch kurz vor der bahnbrechenden Rede Schröders vom 21.März 2003 war unklar, ob er sich an die Arbeitslosenhilfe heranwagen würde. Man merkte Schröder die Anspannung an, als er die entsprechende Stelle seines Manuskripts verlas.
Im Kern hat die Regierung Schröder den impliziten Mindestlohn gesenkt, den der Sozialstaat mit seinen Lohnersatzleistungen setzte. Sie verschärfte nämlich die Zumutbarkeitsbedingungen für neue Stellen und strich die Arbeitslosenhilfe, was im Westen 1,14 Millionen Arbeitslose und im Osten 0,91 Millionen auf die Sozialhilfe herunterdrückte. Sie fügte dann noch ein Lohnzuschusselement ein. Manche sprechen fälschlicherweise von "Aufstockung", so als würde auf ein festes Niveau aufgestockt. Davon konnte nicht die Rede sein, denn gerade eine solche Aufstockung, die es vorher bei der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe gegeben hatte, wurde ja abgeschafft. Nein, es war ein echter Lohnzuschuss, der zum Beispiel bei einer Familie mit einem Verdiener und zwei Kindern erst bei einem Lohneinkommen von 2000 Euro versiegte. Die solcherart geänderte Sozialhilfe nannte die Regierung Schröder Arbeitslosengeld II.
Auch wenn wir vom Ifo-Institut noch energischere Formen forderten, haben wir sie doch im Kern begrüßt, denn im Prinzip war es ja das, was wir mit der aktivierenden Sozialhilfe schon im Mai 2002 gefordert hatten und was dann im August in die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Wirtschaftsministerium und im Oktober in das Gutachten des Sachverständigenrates Eingang gefunden hatte, das unter Vorsitz und Federführung von Wolfgang Wiegard entstanden war. Das 20-Punkte-Programm, von dem die Regierung die Hälfte übernahm, war ein Meilenstein in der Geschichte der wissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland.
Der Erfolg der Reform war grandios und ehrlicherweise größer, als wir es zu hoffen gewagt hatten. Die Maßnahmen traten bis zum Beginn des Jahres 2005 in Kraft, doch zeigten sich die Effekte nicht gleich. Bis der volle Effekt der Agenda eintrat, vergingen sieben Jahre. Allein in Westdeutschland dürfte sie 1,2 Millionen zusätzliche Stellen geschaffen haben, wenn man gegen den bis dato ansteigenden Trend der Arbeitslosigkeit rechnet. Das waren zwar keine tollen Stellen, doch waren sie besser als die Arbeitslosigkeit.
Das sollten sich diejenigen klarmachen, die heute behaupten, der gesetzliche Mindestlohn, mit dem die Schrödersche Reform wieder zurückgedreht wurde, würde keine Wirkung zeigen. Im Übrigen zeigt eine empirische Analyse schon heute, dass der neue Mindestlohn Stellen kostet, denn er hat die konjunkturelle Beschäftigungsdynamik in den neuen Bundesländern schon gebrochen, wie Marcel Thum von Ifo-Institut Dresden gezeigt hat, weil dort anteilig doppelt so viele Arbeitnehmer wie im Westen vom Mindestlohn erfasst wurden, nämlich 20 Prozent statt 10 Prozent. Von den Flüchtlingen aus den Krisengebieten ist übrigens die Hälfte vom Mindestlohn betroffen.
Deutschland war bei der Arbeitslosenquote der gering Qualifizierten zur Zeit Schröders mit weitem Abstand OECD-Weltmeister. Heute liegt es auch in dieser Hinsicht im Mittelfeld. Nicht einmal die Ungleichheit der Nettoeinkommen stieg durch die Agenda an. Der Einkommensgewinn der bislang Arbeitslosen wog bezüglich der Einkommensverteilung stärker als die Spreizung der Lohnsätze, die durch die Senkung des Mindestlohns zustande kam.
Die Wirtschaftspolitik Deutschlands folgt, wie diese und andere Betrachtungen zeigen, einer Wellenbewegung. Es gibt investive und konsumtive Phasen, Phasen der Verantwortungsethik und der Gesinnungsethik, um die Sprache Max Webers zu benutzen. Erhards Reformen waren investiv und verantwortungsethisch, denn sie haben den vermeintlichen Schutz der Rationierung beseitigt, die Marktkräfte entfesselt und Massenwohlstand geschaffen. Die Reformen der sozialliberalen Koalition waren konsumtiv und gesinnungsethisch, weil die Regierung einem spontanen Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung und der Medien entsprach, doch die ökonomischen Konsequenzen übersah oder verdrängte, weil sie erst viel später kamen. Die Maßnahmen der Regierung Kohl wurden durch die historische Sondersituation erklärt und lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Außenpolitisch waren sie verantwortungsethisch, innenpolitisch gesinnungsethisch. Klarer ist wieder die Zuordnung der rot-grünen Regierung und der jetzigen großen Koalition, die im Wesentlichen spiegelbildlich zu sehen sind.
Verstehen kann man die Europolitik und die Flüchtlingspolitik der Merkel-Regierung angesichts der Exogenität der Ereignisse, auch wenn man sich sehr gut Politikalternativen vorstellen kann. Der gesetzliche Mindestlohn und die Rente mit 63 sind eindeutig konsumtive Maßnahmen, die nur deshalb proklamiert werden konnten, weil man auf der Welle des wirtschaftlichen Erfolges schwamm, die eine Vorgängerregierung ausgelöst hatte, und weil die negativen Konsequenzen von Nachfolgeregierungen auszubaden sein werden. Bestenfalls ist das Etikett der Gesinnungsethik hierfür angebracht.
Auch die Energiepolitik ist ausschließlich gesinnungsethisch zu begründen, denn sie kann nun einmal keinen Beitrag zur Verringerung der Erderwärmung leisten. Bekanntlich kann das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seinen Einspeisetarifen den Kohlendioxid-Ausstoß in Europa nicht verändern, weil der schon durch die Menge der von der EU ausgegebenen Emissionszertifikate definiert ist. Und nicht einmal der europäische Emissionshandel selbst kann weltweit etwas bewirken, weil die Mengen an fossilen Brennstoffen, die Europa nicht verbraucht, anderswo angeliefert und verbrannt werden. Man hätte es Max Weber gegönnt, dieses Anwendungsbeispiel für seine Unterscheidung erleben zu können.
Der Unterschied zwischen der Gesinnungsethik und der Verantwortungsethik liegt darin, dass man für Erstere keinen Sachverstand braucht. Da man bereits die Stellschrauben der Wirtschaftsmaschinerie moralisch bewertet, muss man nicht wissen, wie sie funktioniert. Man kann munter drauflos moralisieren und dann zu einer politisch rationalen, wenn auch ökonomisch unvernünftigen und klimapolitisch wirkungslosen Entscheidung gelangen.
Wer indes verantwortungsethisch handeln möchte, muss ökonomischen Sachverstand haben, weil er wissen muss, wie die Maschinerie auf die Bewegung der Stellschrauben reagiert. Weil er Moral und Ethik nur auf das wirtschaftliche Endergebnis anwendet, braucht er Weitsicht und Durchhaltevermögen. Das gilt heute mehr denn je, weil der öffentliche Diskurs in der Zeit der Internet-Medien kurzatmig, oberflächlich und unkundig geworden ist.
Ökonomen sind gelernte Verantwortungsethiker, denn ihr Fach besteht gerade darin, die Wirtschaftsmaschinerie als solche zu studieren. Sie wollen mit nur schwachen Werturteilen zu möglichst harten und klaren Politikempfehlungen kommen und scheuen die Moralisierung auf der Ebene der Politikmaßnahmen wie die Pest. Dass viele das als herzlos empfinden oder den Sachverstand bezweifeln, ohne ihn selbst zu haben, ist in Kauf zu nehmen.
Ökonomen sollten wegen der Komplexität der Materie eigentlich nur die Fachleute in den Ministerien und Parlamenten selbst ansprechen. Das jedoch ist hoffnungslos, weil fachlicher Rat unbeachtet bleibt, wenn seine Handlungsimplikationen in der Öffentlichkeit gesinnungsethisch nicht geschätzt werden. Deswegen bleibt ihnen nur die aktive Beteiligung am öffentlichen Diskurs in der Hoffnung, die aufgeklärte Öffentlichkeit zu erreichen. Erst wenn die Öffentlichkeit selbst überzeugt ist, lassen sich auch die Politiker bewegen.
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