Von seinen Jüngern gefeiert wie ein Popstar, der Audimax der LMU München gefüllt bis auf den letzten Platz. Vor über 1.100 Zuhörern geriet die Abschiedsvorlesung von Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn zur Abrechnung mit der Politik der Großen Koalition. Zu den Megathemen Demografie, Eurorettung, Energiewende und Flüchtlingskrise sagte Sinn, jedes Thema einzeln betrachtet ließe sich vielleicht noch managen, aber alles zusammen nicht.
Zum Auftakt des gut zweistündigen Ritts durch die bundesrepublikanische Wirtschaftsgeschichte lobte Unternehmensberater Roland Berger die Qualitäten Hans-Werner Sinns als Manager, der das damalige Ifo-Institut wieder auf Vordermann gebracht und aus einer Stimme unter vielen, bis heute das wichtigste Sprachrohr der Wirtschaftswissenschaften und der kritischen Vernunft in Deutschland gemacht habe. Mit einem Blick in sein privates Fotoalbum startete Sinn darauf seinen ganz persönlichen Rückblick auf 82 Semester als Hochschulprofessor. Als wichtige Wegmarken in seinem Leben beschrieb Sinn, durchaus zur Verwunderung des Publikums, Teilnahmen an Demonstrationen mit Rudi Dutschke , Zeltlager mit den sozialistischen Falken, den Prager Frühling als Beobachter vor Ort und die Lektüre von Marcuse und Co.
Den teilweise brachialen Um- und Neubau der alten BRD-West verglich Hans-Werner Sinn mit China, nicht nur dort habe es eine Kulturrevolution gegeben, sondern auch in der alten Bundesrepublik. Wirtschaftspolitisch habe der kürzlich verstorbene Bundeskanzler Helmut Schmidt mit seiner keynesianischen Politik den Weg in die Schuldenrepublik geebnet und mit Ottmar Issing hat sich Sinn im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung für den 1:1-Wechselkurs von DM-Ost auf DM-West ausgesprochen. Damals sei eine Transfer-Ökonomie entstanden, die heute Vorbild für Europa geworden ist.
Damit war der Einstieg in die Tagespolitik getan, die Hans-Werner Sinn allerdings nur sanft kritisierte: “Im Rausch des Erfolges” hatte Sinn das letzte Kapitel seiner gut zweistündigen Betrachtung der deutschen Ökonomie überschrieben und auf den Rausch folgt bekanntlich der Kater. Die Energiewende sei technisch gar nicht möglich, zwölf Millionen Zuwanderer zur Deckung der demografischen Lücke ebenfalls illusorisch und der Euro versuche gar das Primat der Politik über die ökonomischen Grundsätze zu stellen. Jedes einzelne Vorhaben sei schon an sich eine Herausforderung, aber alles zusammen, so Sinn abschließend, sei so nicht zu schaffen.
Nachfolger als Präsident des Ifo-Instituts wie auch in seinem Lehrstuhl ist Clemens Fuest , bis dahin Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium.
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