Münchner Merkur, 11. März 2020, Nr. 59, S. 11.
Hans Werner Sinn, emeritierter Professor des ifo Instituts, beschäftigt sich intensiv mit Energie-Fragen. Heute wollte er in Dietramszell (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) eigentlich einen Vortrag darüber halten, wie E-Autos dem Klima helfen. Wegen des Coronavirus ist der Vortrag abgesagt. Im Interview erklärt der Ökonom, wie die Elektromobilität der Zukunft aussehen muss.
Helfen Elektroautos dem Klima?
Nicht direkt. Es hilft, wenn der Strom CO2-sauber wird. Unter heutigen Verhältnissen ist das E-Auto nicht günstiger für den CO2-Ausstoß als ein moderner Diesel. Weil nämlich erstens bei der Herstellung des Stroms in Deutschland eine Menge fossiler Brennstoffe verbrannt wird. Und zweitens, weil das Elektroauto diese kompliziert herzustellende Batterie hat, bei deren Produktion sozusagen ein riesiger CO2-Rucksack gefüllt wurde, den man nur über viele Kilometer abtragen kann.
Wie viele Kilometer müssten das sein?
Die Denkfabrik Joanneum Research hat für den ADAC eine umfangreiche Studie gemacht, in der ein Elektroauto von der Golfklasse mit einem entsprechenden Diesel verglichen wurde. Man hat festgestellt, dass die beiden Autos mehr als 219 000 Kilometer fahren müssen, bis das E-Auto den etwas geringeren CO2-Ausstoß beim laufenden Verbrauch so in die Waagschale werfen kann, dass der höhere CO2-Rucksack in Form der Batterie ausgeglichen wird. Allerdings muss man auch bedenken, dass die Lebensdauer solcher Autos im Schnitt in Deutschland bei knapp 190 000 Kilometern liegt.
Was muss passieren, damit das E-Auto besser dasteht?
Man wird in Zukunft hoffentlich weniger Strom aus fossilen Brennstoffen erzeugen. Die Herstellung der Batterien läuft meist in China, die Chinesen müssen von ihren Kohlekraftwerken ablassen. Wir in Deutschland müssen auch versuchen, den Strom sauberer zu machen und nicht so viel CO2 auszustoßen.
Welche Probleme gibt es für E-Autos auf dem Land?
Die E-Mobilität hat in der Stadt zwei große Vorteile: Sie ist sauberer, weil der Auspuff fehlt, der die Luft verschmutzt. Zudem setzt der Stop-and-go-Verkehr der Stadt dem E-Auto nicht so zu wie konventionellen Autos. Das heißt, unter Stadtverkehrsbedingungen kommt ein E-Auto eher in den günstigen Bereich rein als ein Dieselauto. Auf dem Land hat man jedoch längere Strecken zu fahren, zum Teil fährt man höhere Geschwindigkeiten. Da sieht das E-Auto dann gar nicht mehr so gut aus.
Ob E-Mobilität gut fürs Klima ist, wird kontrovers diskutiert. Wieso kommen Studien zu verschiedenen Ergebnissen?
Diejenigen, die ihr Geld mit E-Autos verdienen, rechnen sich das gerne schön, indem sie mehr die Zukunft als die Gegenwart beim Energie-Mix unterstellen. Man muss schon mit einem durchschnittlichen Energiemix aus grünem und schmutzigem Strom rechnen. Das ist alles sehr schwierig zu berechnen und man kann die Annahmen innerhalb von Grenzen so oder so setzen.
Das Interview führte Cindy Boden.
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