Hans-Werner Sinn ist vom NABU zum Dinosaurier des Jahres ernannt worden. Da könnte der Eindruck entstehen, Prof. Sinn sei der letzte einer Art, ein lebendes Fossil, das sich einfach weigert endlich auszusterben. Irrtum, die Dinos sind zahlreich, quicklebendig und sie leben mitten unter uns. Man trifft sie in Instituten und an den Wirtschaftfakultäten und entgegen anderslautender Gerüchte ist mit ihrem Aussterben vorerst nicht zu rechnen. Zugegeben, unter den Ökonomen, die nach der NABU Definition den Dinos zuzurechnen sind, ist Hans-Werner Sinn gewissermaßen der T-Rex, aber seine Thesen zur Klimapolitik werden von vielen Kollegen geteilt und seit langem offen vertreten. Insofern ist es ein bisschen unfair, dass nur Herr Sinn jetzt einen Zinndino in seinem Büro stehen hat – wenigstens kleine Duplikate hätte man an einige verdiente Kollegen verteilen sollen.
Prof. Sinn hat sich der Auszeichnung würdig erwiesen und darauf mit der Veröffentlichung von 8 Thesen zur Klimapolitik reagiert. Der NABU hat darauf geantwortet und in seiner Antwort ein weiteres Mal offenbart, dass er nicht bereit ist, sich ernsthaft mit den Überlegungen auseinanderzusetzen, die von engagierten Umweltökonomen immer wieder vorgetragen werden. Anstatt sich mit denen zu verbünden, die die ökonomischen Mechanismen und Systemzusammenhänge kennen und aus dieser Kenntnis heraus versuchen, Klimapolitik erfolgreich zu gestalten, geht der NABU auf Konfrontationskurs und schürt einen Konflikt, der vollkommen überflüssig ist und erfolgreiche Klimapolitik regelrecht sabotiert. Das ist traurig.
Das Problem lässt sich an keinem andern Punkt klarer verdeutlichen als an der Frage der Förderung erneuerbarer Energien durch das EEG. Ökonomen verweisen immer wieder darauf, dass man die Förderpolitik nicht isoliert betrachten darf, sondern im Zusammenhang mit dem Emissionshandel sehen muss. Zur Erinnerung: Dieser Handel schließt ein, dass die EU eine bindende Obergrenze für die Emission von CO2 im Emissionshandelssektor festgelegt hat. Dieser so genannte Cap ist für die Emissionsmengen entscheidend. Alle zusätzlichen Maßnahmen, wie die Förderung von Wind- und Solarenergie, haben dagegen keine Auswirkungen auf die Emissionsmenge. Alle Einsparungen, die durch erneuerbare Energien erreicht werden, führen nur dazu, dass die dadurch eingesparten Emissionsrechte verkauft werden und die Emission zum Käufer verlagert wird.
Dass man mit erneuerbarer Energie keine CO2-Emissionen über den Cap hinaus einsparen kann, hat sowohl das Bundesumweltministerium als auch das Bundesumweltamt inzwischen eingeräumt. Die Begründung für das EEG wurde deshalb auch längst neu gestrickt: Jetzt heißt es, dass es allein dem EEG zu verdanken sei, dass die EU den Cap überhaupt so weit senken konnte, wie sie es 2008 getan hat. Diese Argumentation stellt allerdings die Dinge auf den Kopf. Das Prinzip des Emissionshandels besteht gerade darin, dass der zentrale Planer ausschließlich das Emissionsziel vorgibt und die Vermeidungsentscheidung den dezentralen Akteuren überlässt. Nur das sichert, dass das Vermeidungsziel kostenminimal erreicht wird. Indem die Bundesregierung die Stromwirtschaft dazu zwingt, erneuerbare Energien einzusetzen, erreicht sie nur zwei Dinge: Erstens werden die Kosten der CO2-Vermeidung mehr als verdoppelt und zweitens sinkt der CO2-Preis um mehr als 70%. Beides ist fatal. Allein die Kosten der CO2-Vermeidung durch Solarstrom werden sich bis Ende dieses Jahres auf ca. 80 Mrd. Euro aufsummiert haben (das haben die Dinosaurier des RWI ausgerechnet). Geld, mit dem wir kein Gramm CO2 einsparen, das aber die Stromrechnungen der deutschen Bevölkerung und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen massiv belastet und das uns fehlt, wenn es darum geht, in internationalen Verhandlungen den Entwicklungsländern die Unterstützung zu geben, die notwendig ist, um sie für den Klimaschutz zu gewinnen. Der sinkende CO2-Preis zerstört die Anreize, die Entwicklung neuer, kosteneffizienter Technologien zur CO2-Minderung voran zu treiben. Wie Prof. Böhringer (ein Dino an der Universität Oldenburg) gezeigt hat, profitiert von dem niedrigen CO2-Preis vor allem die Braunkohle, denn die lässt sich preisgünstig gewinnen und wird nur dann zu einem teuren Brennstoff, wenn der CO2-Preis hoch ist. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das EEG als Gesetz zur Braunkohle Subvention.
Kosteneffizienz der klimapolitischen Maßnahmen zu fordern ist keine Ökonomen-Marotte, sondern ein zwingendes Gebot für gute Klimapolitik. Die Mittel, die wir für den Klimaschutz ausgeben können, werden in jedem Fall begrenzt sein. Wenn man dann noch bedenkt, dass Klimaschutz etwas kostet, ist klar, dass gute Klimapolitik kosteneffizient sein muss, d.h. die eingesparte CO2-Menge pro eingesetzten Euro maximiert. Jede nicht kosteneffiziente Maßnahme hat zur Folge, dass wir weniger Klimaschutz bekommen, als haben könnten. Jeder, der sich um unser Klima Sorgen macht, sollte diese einfache Erkenntnis sehr ernst nehmen.
All diese Zusammenhänge zu erkennen, liegt im Interesse des Klimaschutzes und sollte deshalb auch im Interesse des NABU liegen. Dass die Dinosaurier immer trauriger werden, liegt nicht an verletztem Stolz, sondern daran, dass sie sich berechtigte Sorgen um unsere Umwelt machen und immer mehr erleben, dass diejenigen, die sich angeblich für diese Umwelt einsetzen, zu borniert sind, um sich über steinzeitliche Vorurteile hinwegzusetzen und der Rationalität den Vorrang einzuräumen.
Informationen zum Autor:
Prof. Dr. Joachim Weimann lehrt Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und ist Autor des Buches „Die Klimapolitik-Katastrophe. Deutschland im Dunkeln der Energiesparlampe“.