Der fortschrittsfeindliche Geist der Grünen muss verschwinden

Hans-Werner Sinn

Welt online, 25. Dezember 2021.

Durch den Impfstoff-Erfolg stehen wir an der Wiege einer neuen Pharmaindustrie, lobt der Ökonom Hans-Werner Sinn in einem Gastbeitrag. Ob Deutschland wieder zur „Apotheke der Welt“ werden kann, hängt aber auch von den Grünen ab. Schon einmal verspielten sie einen entscheidenden Trumpf.

Meine Hoffnung, ja mehr noch, meine feste Erwartung ist, dass die Corona-Krise durch Impfungen überwunden wird. Der Impfstoff ist ja da. Er kommt von einem Spin-off der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz mit dem englischen Namen Biontech.

In den angelsächsischen Ländern der Welt wird der Mainzer Impfstoff bereits seit Mitte Dezember geimpft, und die EU-Kommission hat ihn ebenfalls genehmigt. Der designierte amerikanische Präsident Joe Biden hat versprochen, er werde in den ersten hundert Tagen hundert Millionen Menschen impfen lassen. Die Hoffnungen auf einen Riesenerfolg sind berechtigt, denn der Impfstoff hat eine unerwartet hohe Qualität.

Neues Verfahren weckt hohe Erwartungen

Das liegt daran, dass er von ganz neuer Bauart ist. Es werden keine echten Viren abgetötet, es werden auch keine Teile des Virus an ein Erkältungsvirus von Affen angehängt, was beides nicht gut funktioniert und auch nicht immer ganz sicher ist.

Vielmehr wird auf den Zettel, auf dem die DNA den Zellfabriken mitteilt, welche Moleküle sie basteln sollen, nun die Anweisung geschrieben, dass sie einen für sich allein nicht lebensfähigen Teil des Corona-Virus produzieren sollen, damit der Körper sodann eine Immunreaktion üben kann.

Bei diesem Verfahren gibt es die Gefahren der traditionellen Impfstoffe nicht. Und in der Tat hat es unter mehr als 20.000 Geimpften nicht eine einzige problematische Impfreaktion gegeben, während im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die Placebos bekam, 95 Prozent weniger an Corona erkrankten. Von den wenigen, die trotzdem Symptome zeigten, war kein Einziger schwer erkrankt. Besser kann ein Impftest nicht ausfallen.

Eine weitere gute Nachricht ist: Mit dem Verfahren kann man auch den Krebs bekämpfen, denn man kann für jede einzelne Krebsart – und fast jeder Krebs ist anders – die Produktion spezifischer körpereigener Antikörper steuern.

Auch die jährlichen Grippeimpfungen mit nur halbwegs treffsicheren Impfstoffen lassen sich vermutlich dramatisch verbessern. An der Grippe waren im Winter 2017/2018 etwa 25.000 Menschen in Deutschland gestorben.

Wirtschaftlich bedeutet der Erfolg zweierlei. Erstens wird die westliche Welt im Laufe des kommenden Jahres die schärfste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit überwinden.

Schon im Herbst 2021 wird ein fulminanter, freilich nur konjunktureller Aufschwung beginnen. Nachdem die großen Länder Asiens, die das Virus durch Disziplin und Kontrollen frühzeitig besiegt haben, sich schon längst wieder eines wirtschaftlichen Booms erfreuen, kann auch die westliche Welt nachziehen. Ein Jahr später dürfte dann der Rest der Welt folgen.

Zweitens stehen wir jetzt weltweit an der Wiege einer neuen Pharmaindustrie, die den Körper veranlasst, sich selbst die Medikamente herzustellen, die er zur Bekämpfung von vielen Arten von Krankheiten braucht.

Deutschland war einmal die Apotheke der Welt. Eine der letzten Trumpfkarten hatten in den 1980er-Jahren die Grünen in der Hessischen Landesregierung, allen voran Joschka Fischer, verspielt, als sie Hoechst die gentechnische Produktion von Humaninsulin in den bereits genehmigten Anlagen untersagten.

Hoffen wir, dass die Grünen nun dazugelernt haben und dass der unselige und fortschrittsfeindliche Geist, der diese Partei damals erfasst hatte, wieder verschwindet. Dann kann unser Land vielleicht wieder an die alten Erfolge anknüpfen.

Immerhin sind ja auch noch andere deutsche Unternehmen auf dem Sektor tätig und immer mehr könnten es werden, wenn es mehr Forscher der Universitäten wagen, ihre Erkenntnisse in Form von Start-ups selbst zu vermarkten.

Shakespeare schrieb einmal, wenn die Nacht am schwärzesten ist, sei der Morgen schon nah. Dies ist das Motto, mit dem wir nun die nächsten Wochen und Monate, die sicherlich noch ganz schwierig werden, durchstehen können.

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