Die Corona-Pandemie beendet die Globalisierung nicht. Doch sie wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Eindrücke vom Symposium anlässlich des 100. Geburtstags von Herbert Giersch.
Die Corona-Pandemie hat der Globalisierung, die ohnehin schon seit der Finanzkrise an Tempo eingebüßt hat, einen kräftigen Dämpfer verpasst. Die Sorge wächst, dass die Krise nun endgültig das düstere Szenario einer „Slowbalisation“ einläutet – also einer stark verlangsamten Globalisierung –, das seit Ausbruch des Handelskriegs zwischen den USA und China im Raum steht.
Von Pessimismus war die am Dienstag abgehaltene Onlinekonferenz zum 100. Geburtstag des bedeutenden deutschen Ökonomen Herbert Giersch, organisiert von der Herbert-Giersch-Stiftung und dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, dessen Präsident Giersch von 1969 bis 1989 war, gleichwohl nicht geprägt. Es hätte wohl auch nicht zu Giersch, der seinerzeit eines der Gründungsmitglieder des Sachverständigenrats war, gepasst. Fühlte sich der Vordenker der Globalisierung doch stets zum Optimismus verpflichtet.
„Die These, dass Corona die Globalisierung beendet, halte ich für grundsätzlich falsch. Das Gegenteil ist der Fall“, sagte Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des Münchner Ifo-Instituts. Die Globalisierung werde sich jedoch grundlegend ändern, erwartet der in Genf lehrende Handelsökonom Richard Baldwin. Er prognostizierte in seiner Eröffnungsrede am Montagabend, dass es durch den technischen Fortschritt in naher Zukunft verstärkt zu „Telemigration“ kommt, also dass Arbeitnehmer in Ländern mit niedrigem Lohnniveau Dienstleistungen in anderen Ländern mit höherem Lohnniveau erbringen. Arbeitsplätze in den entwickelten G-7-Staaten würden dadurch stark unter Druck geraten – und den sozialen Frieden vor große Herausforderungen stellen. „Es ist die Aufgabe der Regierungen, sicherzustellen, dass die Kosten und die Gewinne geteilt werden“, mahnte Baldwin. Märkte müssten für Effizienz und Regierungen für Gerechtigkeit zuständig sein.
Doch während der Handel mit Dienstleistungen zunehmen dürfte, stehen die Zeichen bei der Produktion von Waren auf Rückverlagerung. Treiber ist hier vor allem die Robotisierung. Nach Einschätzung von Dalia Marin, Professorin für Internationale Ökonomie an der TU München, verleiht die Pandemie dieser Entwicklung einen kräftigen Schub. Die Erfahrung von Ausfällen und Unterbrechungen mache die Produktion in Lieferketten weniger attraktiv. Diese Unsicherheit im Zusammenspiel mit den gegenwärtig niedrigen Zinsen, die die Kreditkosten für die Anschaffung senkten, begünstige die Robotisierung.
Die Hoffnung, dass die Corona-Krise auch dem Klimaschutz Vorschub leistet, bestätigt sich mit Blick auf die Ausrichtung der globalen Konjunkturpakete zwar nicht. Galina Kolev, Leiterin der Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur am Institut der Deutschen Wirtschaft, zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass sich Handel und Klimapolitik versöhnen lassen. Wenngleich sich die Ideallösung einer globalen Kohlendioxid-Bepreisung derzeit nicht realisieren lasse, sei doch ein Club mit Handelserleichterungen denkbar, der den Beitritt an die Einsparungen von Emissionen knüpfe. Für Länder, die sich keine angemessenen Kohlendioxid-Preise leisten könnten, plädiert Kolev für die Einrichtung eines internationalen Klimafonds, um ihnen den Beitritt zu ermöglichen.
Sinn entwirft als Alternative dazu einen Club nach dem Vorbild des Yale-Professors William Nordhaus, der diejenigen Staaten, die sich ihm nicht anschließen, mit Steuersanktionen oder noch härteren Maßnahmen bestraft. “Wenn der Club groß genug ist, kann man die anderen auf Kurs bringen“, sagte Sinn.
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