Der Wissenschaftler: Hans-Werner Sinn, 62, ist Präsident des Ifo-Instituts und an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Wie kaum ein anderer Ökonom hat Sinn in den vergangenen Jahren die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland geprägt. In der Öffentlichkeit wurde Sinn durch viele Fernsehauftritte und seine teilweise provokanten, unpopulären und starken Thesen bekannt. Einen besonderen Bekanntheitsschub erlangte er durch den kontroversen Bestseller "Ist Deutschland noch zu retten?", in dem er für Lohnzurückhaltung, längere Arbeitszeiten, weniger Kündigungsschutz und eine Beschränkung der Gewerkschaftsmacht plädierte. Der gebürtige Westfale ist verheiratet und hat drei Kinder.
Das Institut: Das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) wurde 1949 gegründet. Seit Amtsantritt im Jahr 1999 gelang es Sinn, das einstmals angeschlagene und vom Wissenschaftsrat heftig kritisierte Haus zu sanieren und seine wissenschaftliche Reputation wiederherzustellen. In der Öffentlichkeit ist das Ifo-Institut vor allem durch seinen Geschäftsklima- Index bekannt. Der monatlich ermittelte Index erfasst die Stimmungen und Erwartungen in der Wirtschaft und gilt als wichtiger Frühindikator für die deutsche Konjunktur.
Die Target-Salden: Hans-Werner Sinn warnte vor zwei Jahren als Erster öffentlich vor den milliardenschweren Ungleichgewichten, die sich durch das Zahlungsausgleichssystem Target in den Bilanzen der Notenbanken der Euro-Zone aufgebaut hatten. Der Ökonomieprofessor interpretiert die Target- Salden als öffentliche internationale Kredite, die insofern vergleichbar seien mit den Krediten des Rettungsschirms EFSF oder den Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die Target-Debatte: Sinns Mahnungen wurden zunächst kritisiert, von Teilen der Medien ebenso wie von der Bundesbank und der EZB. Die Bundesbank tat die Target-Salden als statistische Restgrößen ab, die aus ökonomischer Sicht keinerlei Relevanz besäßen. Inzwischen erkennt sie die von Sinn identifizierte Problematik im Wesentlichen an. Die Bundesregierung, beklagt Sinn in seinem neuen Buch, verweigere sich bisher einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Tatsächlich erklärte Bundesfinanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU) in einem Brief an seinen Parteifreund Peter Gauweiler noch im März 2012, Target-Salden seien keine Kredite, sondern lediglich "Verrechnungsposten", die dazu dienten, "die Bilanzen (der Notenbanken) wieder auszugleichen".
Das Target-Buch: Am Montag erscheint im Hanser-Verlag "Die Target-Falle", Sinns Buch zur Krise der Europäischen Währungsunion und der von ihm selbst aufgebrachten Target-Debatte. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der Wirtschaftswissenschaftler immer wieder mit zentralen wirtschaftspolitischen Themen auseinandergesetzt: 1995 kritisierte er mit seiner Ehefrau und Ko-Autorin Gerlinde Sinn in "Kaltstart" das Missmanagement beim Aufbau Ost, später folgten Bücher über die Wachstumsschwäche und andere Probleme des Standorts Deutschland ("Ist Deutschland noch zu retten?", "Die Basar-Ökonomie"), über die Klimapolitik ("Das grüne Paradoxon") und über die Finanzkrise ("Kasino-Kapitalismus").