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Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn fordert einen Neustart der Eurozone und eine Sicherheitspartnerschaft der EU-Länder.
28 Armeen vorzuhalten, sei völlig unsinnig. „Europa ist völlig auf dem falschen Trip“, sagte Sinn am Dienstag in Berlin. Angesichts der Herausforderung durch Flüchtlingskrise und Kriege im Umfeld brauche Europa eine neue Perspektive. Die EU sei eine extrem erfolgreiche Entwicklung in der Nachkriegszeit gewesen, die zur Prosperität und Befriedung geführt habe. Dies dürfe nicht verspielt werden. Der Erfolg der EU drohe aber durch den Euro in der derzeitigen Form zunichte gemacht zu werden.
Sinn sprach sich ausdrücklich gegen eine Schuldengemeinschaft aus. Der Weg in eine Transferunion, in der die Starken die Schwachen alimentierten, müsse gestoppt werden. Dies würde derart immense Summen erfordern, die selbst von den Stärksten nicht zu stemmen wären. In der Eurozone sollte man stattdessen „eine Art Resetknopf drücken“, sagte der scheidende Präsident des Münchner Ifo-Instituts bei der Vorstellung seines Buches „Der Euro - von der Friedensidee zum Zankapfel“. Die Gläubiger unter den Euroländern müssten sich von der Illusion verabschieden, dass die Krisenländer ihre Schulden zurückzahlen könnten. Und: „Schuldenschnitte wird man manchen südeuropäischen Ländern gewähren müssen, um ihnen wieder Luft zum Atmen zu geben.“
Dies gelte insbesondere für Griechenland und Portugal, die ihren Schuldenberg nicht aus eigener Kraft bewältigen könnten. Statt verdeckter Schuldenschnitte sollten auf einer Entschuldungskonferenz formell Schuldenerlasse beschlossen werden. Dies ginge diesmal zulasten der öffentlichen Gläubiger. Auch sollten Vermögensabgaben und Zwangshypotheken überlegt werden. In vielen Ländern gebe es ein beträchtliches Privatvermögen. „Allein Schuldenschnitte machen aber keinen Sinn, wenn die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder nicht wieder hergestellt wird“, betonte Sinn.
Der Wirtschaftsprofessor schlägt „eine atmende Währungsunion“ vor. Der leichteste Weg, Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, sei ein vorübergehender Austritt aus der Eurozone, um eine weichere eigene Währung zu bekommen. Griechenland werde absehbar nicht in der Lage sein, im Euro seine Konkurrenzfähigkeit wieder zu erlangen. Die Stundenlöhne im verarbeitenden Gewerbe lägen beispielsweise fast doppelt so hoch wie in Polen. Und während Griechenland Lohnkosten von knapp 15 Euro je Stunde aufweise, kämen die EU-Nachbarn Rumänien und Bulgarien auf etwa drei bis vier Euro auf und die angrenzende Türkei auf 5,50 Euro die Stunde.