Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, nennt das fehlende Regelwerk als Begründung für das Desaster des "Kasino-Kapitalismus". Die Banken bräuchten einen starken Staat und die Drohung der Zwangsverstaatlichung.
Berlin. An den Renditezielen von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann lässt der Münchner Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn kein gutes Haar. "25 Prozent für eine Bank sind zu viel", schreibt der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in seinem neuen Buch "Kasino-Kapitalimus". Doch er macht nicht die Gier von Managern dafür verantwortlich, sondern das fehlende Regelwerk, das eine solche Gier erlaubt.
"Es wird zu wenig reguliert im Bankenwesen", lautet das Resümee Sinns. Am gefährlichsten hätten sich die geringen Anforderungen an das Eigenkapital der Banken ausgewirkt. "Eine Quote von vier Prozent an der Bilanzsumme lädt zu riskanten Geschäften geradezu ein", erklärte der Ökonom bei der Buchvorstellung. Sollte mal ein riskantes Geschäft das gesamte Eigenkapital verschlingen, wäre das zu verkraften, wenn die Großaktionäre der Bank durch die vorangegangenen Geschäfte gut verdient und entsprechende Ausschüttungen erhalten hätten.
Der Befund der Krise durch den angesehenen Münchner Spitzenforscher fällt verheerend aus. Die amerikanischen Banken hätten bereits 53 Prozent ihres Eigenkapitals abschreiben müssen. Der Internationale Währungsfonds schätzt allerdings, dass erst ein Viertel der gefährdeten Papiere im Wert berichtigt wurden. Damit sei das amerikanische Bankensystem praktisch pleite. In Deutschland sei die Lage nur wenig besser, findet Sinn. So hätten die Kreditinstitute hier zu Lande 22 Prozent ihres Eigenkapitals verloren. Auch hier könnte also noch der komplette Verlust drohen. Nach den Zahlen des Wirtschaftsinformationsdienstes Bloomberg haben die Banken bis Ende Februar insgesamt rund 840 Milliarden Euro an Wertberichtigungen vorgenommen.
Die Banken hätten durch die Aktionen der Bundesregierung bislang nur Zeit gewonnen und eine unmittelbare Liquiditätskrise vermieden. Dazu hätte auch die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) beigetragen. Die habe aber mittlerweile ihr Pulver verschossen. "Die EZB kann den Leitzins von derzeit einem Prozent kaum nennenswert nach unten bringen", sagte Sinn.
Die von der Regierung angestrebte Auslagerung der schlechten Wertpapiere auf eine so genannte Bad Bank sieht der Münchner Wirtschaftsforscher kritisch. Zwar würde der Steuerzahler geschont und die Banken müssten einen Abschlag auf ihre Wertpapiere hinnehmen. Doch am Ende würden sich die Aktionäre auf Kosten des Steuerzahlers besser stellen. Außerdem sei nicht gesichert, dass die Banken dieses Modell annähmen. "Die finden Bad Banks nur attraktiv, wenn sie Geschenke bekommen", meinte Sinn.
Als Rettungsplan schlägt der Wirtschaftsforscher vor, die Quoten für das Eigenkapital deutlich zu erhöhen. So sollte die Kernkapitalquote, mit der Kredite und verbriefte Wertpapiere unterlegt werden, von derzeit vier auf acht Prozent erhöht werden. Auch die Vorschriften für Kreditversicherungen, Hedgefonds und Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanz sollten verschärft werden.
Weil manche Großbank aus Rücksicht auf das Gesamtsystem nicht pleite gehen dürfe, empfiehlt Sinn den zwangsweisen Einschuss staatlichen Kapitals, wenn kritische Grenzen erreicht werden. Eine solche Drohung hielte die Anleger ab, allzu riskante Geschäfte zu tätigen. Das wäre bei den weniger scharfen Staatsbürgschaften dagegen nicht der Fall.
Von Martin Kessler.