Auch in seinem neuesten Buch „Das grüne Paradoxon“ vertritt Hans-Werner Sinn einen originellen Kontrapunkt zu den häufig ideologisch gefärbten Argumenten der Klimapolitikdebatte. Die provokante Kernbotschaft des Direktors des Münchener ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung lautet: Die von Deutschland auf den Weg gebrachten umweltpolitischen Maßnahmen zielen zwar auf eine Reduktion der klimaschädlichen CO2-Emissionen ab und sind gut gemeint – dennoch bleiben sie unwirksam und sind daher sinnlos bzw. sogar kontraproduktiv.
Denn, so die ökonomisch plausible Antwort des Autors, indem die europäischen Staaten Energiesparkonzepte umsetzen und damit die Nachfrage und das Energiepreisniveau verringern, subventionieren sie die Energieverschwendung in Staaten wie z.B. China, die nicht dem Kyoto-Protokoll unterliegen. Immerhin produzieren diese Verweigerer 70 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. Damit führt die auf ressourcenschonenden und sparsamen Energieverbrauch ausgerichtete Umweltpolitik in Westeuropa unterm Strich zu dem paradoxen Ergebnis, dass der weltweite Kohlendioxidausstoß steigt und die Erderwärmung sich eher beschleunigt.
Sinn geht in seiner Argumentation noch einen Schritt weiter. Die in Europa geführte Klimadebatte und die Appelle zum sparsameren Umgang mit Energie werden seiner Meinung nach die Angst der Förderländer vor sinkenden Öl- und Gaspreisen schüren und sie dazu animieren, bereits heute eher mehr zu fördern und damit den Klimawandel zu forcieren.
Die These des Autors lautet daher: Wer das Klima retten will, muss dafür sorgen, dass möglichst viel Öl möglichst lange im Boden bleibt. Ob jedoch hier wirklich ein von der UNO gesteuertes Nachfragekartell oder die Einführung einer Zinssteuer auf Kapitalmarktanlagen der Ressourceneigentümer einen probaten Lösungsweg darstellt, mag bei aller Sympathie für die Originalität und den ökonomischen Scharfsinn, der in diesem Buch steckt, angezweifelt werden. Gleichwohl ist Sinns Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik ein Buch, das jeden ökonomisch denkenden Leser begeistern und jeden Umweltpolitiker nachdenklich stimmen sollte.
Winfried Fuest