Der künftige Chef des Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, über seine Reformpläne für die angeschlagene Kieler Ideenschmiede, den Wandel in der VWL - und die beste Strategie im Zollkonflikt mit Donald Trump.
Herr Felbermayr, in wenigen Wochen übernehmen Sie das traditionsreiche Institut für Weltwirtschaft. Ihr neuer Arbeitgeber ist leider nicht in Top-Form und in der öffentlichen Debatte kaum noch zu vernehmen. Was läuft schief in Kiel?
Die wissenschaftliche Exzellenz des Instituts steht außer Frage, schauen Sie sich nur die Veröffentlichungen in volkswirtschaftlichen Top-Journals an. Der bisherige Präsident Dennis Snower hat eine erfolgreiche Strategie der Internationalisierung betrieben. Darüber wurde freilich die deutsche Öffentlichkeit ein wenig vernachlässigt. Ich möchte die Akzente anders setzen: Aktionär des Instituts ist der deutsche Steuerzahler. Also müssen wir die Marke IfW im Inland wieder sichtbarer machen.
Das könnte auch innerhalb der Ökonomen-Community nicht schaden. Auf der jüngsten Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, dem wichtigsten Treffen deutschsprachiger Ökonomen, waren alle großen Institute mit Ständen vertreten. Nur das IfW nicht.
Wir werden da in den nächsten Jahren sicherlich wieder mehr Präsenz zeigen. Wir müssen auch für Nachwuchswissenschaftler attraktiver werden. Beim ifo Institut rennen uns Werkstudenten und junge Ökonomen, die promovieren wollen, die Bude ein. In Kiel schaut das, glaube ich, noch anders aus.
Was haben Sie also mit dem IfW vor?
Ich werde einen breiten Strategieprozess in Gang setzen und alles zur Disposition stellen - mit offenem Ausgang. Das muss sich eine Organisation alle paar Jahre zumuten, um nicht träge zu werden. Klar ist, dass wir stärker auf unsere Kernkompetenz setzen müssen - und das sind nun mal weltwirtschaftliche Themen. Wir wollen für Politik und Wirtschaft als erste Anlaufstelle für alle Fragen der Globalisierung wahrgenommen werden. Als ersten Schritt sind wir dabei, zusammen mit der Universität Kiel zwei zusätzliche Professuren für International Economics einzurichten.
Was wird aus der Konjunkturabteilung?
Die Konjunkturanalyse bleibt ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Wir müssen uns aber fragen, wie wir uns dabei von anderen Instituten abgrenzen können. Das IfW braucht ein Alleinstellungsmerkmal. Dies könnte ein stärkerer Fokus auf die Auslandskonjunktur und ihre Auswirkung auf Deutschland sein. Oder ein neuer Indikator, der die neuen Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz nutzt. Mir schwebt eine Art Realtime-Index vor, der permanent Informationen im Netz sammelt und zum Beispiel tagesgenau die Wahrscheinlichkeit einer Rezession errechnet.
Zuletzt hat das IfW nicht mit Innovationen, sondern mit Finanzproblemen für Schlagzeilen gesorgt. 2019 und 2020 sind nicht alle Ausgaben gedeckt ...
... was für mich keine schöne Situation ist. Die Probleme sind aber nicht so groß, wie sie in den Medien dargestellt wurden. Das Institut hat Maßnahmen eingeleitet, um die Löcher zu stopfen.
Werfen Sie Wissenschaftler raus?
Nein, wir nutzen die natürliche Fluktuation und werden darauf achten, dass auch junge Ökonomen mit befristeten Verträgen eine klare Perspektive haben.
Aber wie wollen Sie die Probleme lösen? Das Finanzloch soll bei immerhin 3,5 bis 4 Prozent der Ausgaben liegen.
Bei der Einwerbung von Drittmitteln ist in Kiel noch Luft nach oben. Da passiert schon viel, aber es muss mehr kommen. Die EU etwa schreibt viele Projekte aus, für die das IfW die notwendige Expertise hätte. Sie dürfen auch ein strukturelles Problem nicht vergessen, das alle Institute trifft: Unsere Finanzausstattung durch den Staat wächst seit Jahren langsamer als die Tarifzuwächse im öffentlichen Dienst. Wir müssen ständig mehr Drittmittel einwerben, allein um den wissenschaftlichen Status quo zu halten.
Unter den früheren Präsidenten Herbert Giersch und Horst Siebert galt das IfW als Gralshüter der Marktwirtschaft. In den vergangenen Jahren hat es diesen Ruf verloren. Wollen Sie das IfW wieder auf strammen Marktkurs bringen?
Nein. Die Welt hat sich verändert. Mit der Finanzkrise ist mancher Glaubenssatz ins Wanken geraten. Der Job des Volkswirts heute ist nicht der eines Chefdogmatikers. Das alte Kieler Institut hat den Fokus vor allem auf Staatsversagen gelegt, wir müssen heute aber auch Marktversagen in den Blick nehmen. Manchmal braucht es den Staat als Ordnungsmacht. Was nichts daran ändert, dass Marktlösungen staatlichen Vorgaben meist überlegen sind.
Ihr persönlicher Fokus liegt auf der Handelspolitik, wo die Expertise der Ökonomen derzeit nötiger denn je scheint. Glauben Sie, dass die von US-Präsident Donald Trump angezettelten Zollkonflikte 2019 eskalieren?
Böse Überraschungen sind bei Trump immer möglich. Ich glaube aber eher, dass sich die Lage beruhigt. Die Kritik der US-Wirtschaft an Trumps protektionistischer Politik wird ja immer lauter. Milliardenschwere Geldspritzen wie für die unter den Zöllen leidenden Landwirte dürfte der US-Kongress nicht mehr mitmachen. Trump muss konzilianter werden und vor seiner angestrebten Wiederwahl einen "Big deal" präsentieren, mit China, mit Europa.
Trumps Drohung von Strafzöllen auf Autoimporte steht trotzdem im Raum. Wäre das der GAU für unsere Industrie?
Nein. Die Zölle täten weh, aber die deutsche Automobilindustrie ist so diversifiziert, dass sie mit einem blauen Auge davonkäme. Sie würde dann eben mehr in den USA produzieren. Probleme gäbe es vor allem für Konzerne wie Porsche oder Audi, die vor Ort - noch - keine eigenen Werke haben.
Sollte die EU weiterhin auf Trumps Zollattacken mit Gegenzöllen reagieren? Man könnte argumentieren, die EU solle stillhalten - weil die Leidtragenden von EU-Zöllen die Verbraucher sind.
Die EU-Gegenmaßnahmen sind notwendig. Denn mit unilateralen Zöllen kann ein Land volkswirtschaftliche Gewinne zulasten der anderen erwirtschaften. Bei einem einseitigen Autozoll etwa können die Hersteller nicht alles auf die Verbraucher überwälzen. Ein Großteil des Zolls belastet die Gewinnmarge und schadet indirekt den Investitionen und Jobs.
Noch aggressiver als gegen die EU geht Trump gegen China vor. Welche Weltmacht sitzt am längeren Hebel?
Zurzeit noch die USA, da es bei den Zöllen eine ökonomische Asymmetrie gibt. Die USA haben Zölle auf Güter im Wert von 250 Milliarden Dollar erhoben, die Chinesen nur auf 108 Milliarden. Trump könnte den Wert noch mal verdoppeln, bei den Chinesen ist das Potenzial bald ausgereizt. Doch das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Langfristig gehen Drohpotenzial und Verhandlungsmacht der USA zurück.
Lässt sich der Aufstieg Chinas mit Protektionismus stoppen?
Nein. Man kann ihn nur verlangsamen, indem man den Technologietransfer hemmt. China wird dann aber die eigene Forschung und Entwicklung verdoppeln und verdreifachen und sich andere Lieferanten suchen - etwa Russland.
Gabriel Felbermayr, 42, übernimmt im März die Leitung des traditionsreichen Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Der Österreicher war bisher VWL-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter des Zentrums für Außenhandel am ifo Institut.
Text Bert Losse