von Andreas Karius
Wer aus dem neuerlichen Erfolg der deutschen Exporteure auf dem Weltmarkt folgert, das Land strotze nur so vor internationaler Wettbewerbsfähigkeit, irrt. Denn seit Mitte der 90er Jahre hat die deutsche Industrie große Teile der Vorproduktion ins Ausland verlegt, um dem Kostendruck in Deutschland zu entgehen. Deshalb kommt ein immer größerer Teil der in den Exporten steckenden Werte aus dem Ausland. "Der Cayenne, den Porsche nach Amerika liefert, steht mit seinem vollen Wert in der deutschen Exportstatistik, aber in Leipzig wird kaum mehr als Getriebe und Lenkung eingebaut. Der Rest kommt aus Bratislava", schreibt Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, in der aktuellen 6. Auflage seines Buchs ‚Ist Deutschland noch zu retten?'
Wertschöpfungsquote wird weiter sinken
Laut einer aktuellen Ifo-Untersuchung sank die Wertschöpfungsquote, das ist der Anteil der eigenen Produktionsleistung am Bruttowert der erzeugten Güter, seit den 70er Jahren von etwa 40% auf 33,1% im Jahr 2001. Konjunkturell stieg die Quote zwar 2002 und 2003 geringfügig (34,2% im Jahr 2003), mittelfristig sei jedoch mit einem weiteren Rückgang zu rechnen. Die häufig vorgetragene Vermutung, die Wertschöpfung habe sich nur von der Industrie in den inländischen Dienstleistungssektor verlagert, wird vom Ifo-Institut als Illusion entlarvt: Denn der Zuwachs des effektiven Produktionswertes beruht zu vier Fünfteln auf der Verlagerung ins Ausland und nur zu einem Fünftel auf der Verlagerung in andere inländische Sektoren.
Während das reale Produktionsvolumen in der deutschen Industrie von 1995 bis 2003 um 18,3% gestiegen ist, nahm die eigene reale Wertschöpfung, also die in Deutschland selbst erbrachte Wirtschaftsleistung, nur um 4% zu. Entsprechend dynamisch entwickelten sich die von außen bezogenen Vorleistungen: Mit einem Plus von 45% wuchs der Vorleistungsimport aus dem Ausland elfmal so schnell wie die industrielle Wertschöpfung und mehr als doppelt so schnell wie die Industrieproduktion.
Zusätzlich an Reiz verliert der Titel ‚Exportweltmeister' dadurch, dass der Wert der deutschen Exporte ohnehin durch den hohen Euro-Kurs verzerrt ist. Von 2001 bis 2003 wurde der Euro immerhin um 26% aufgewertet. Würde man den Kurs von 2001 mit 0,90 Dollar pro Euro zugrunde legen, dann lägen die USA mit ihrem Weltmarktanteil an den Exporten mit deutlichem Abstand auf Platz Eins. Als Beleg für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts taugt die Exportstatistik also kaum: "Diese Statistik belegt die Wettbewerbsstärke der Firmen, die die Waren verkaufen, im Sinne der Träger der Marken, nicht aber die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze", so Sinn.