Schreiben an Herrn Dr. Dominik Wichmann/Süddeutsche Zeitung Magazin

Herrn
Dr. Dominik Wichmann
Chefredakteur
Süddeutsche Zeitung Magazin
Hultschiner Str. 8
81677 München

8. Dezember 2008

Sehr geehrter Herr Dr. Wichmann, sehr geehrter Herr Jürgs,

im SZ-Magazin vom 5. Dezember 2008 erschien eine von Ihnen so genannte „Polemik“ gegen Hans-Olaf Henkel und mich. Sie ist zugegeben flott geschrieben und wird diejenigen entzücken, denen die Aussagen der Ökonomen zur deutschen Wirtschaftspolitik schon immer ein Dorn im Auge waren.

Indes ließe sich die Polemik noch verbessern, wenn sie um inhaltliche Fehler korrigiert würde. Der erste bezieht sich auf die Behauptung, ich hätte mich gegen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausgesprochen. Sie sind hier offenbar einem Ondit der linken Szene gefolgt, das leider keinen Wahrheitsgehalt hat. Sodann sagen Sie, ich hätte den „Antisemitismus der Dreißigerjahre“ mit den „Angebern in Nadelstreifen“ von heute verglichen. Hier haben Sie sich im Jahr vergriffen, was leider kein unerheblicher Fehler ist, wie ich ja wohl nicht weiter ausführen muss. Das Jahr 1929 habe ich explizit genannt. Für den Fall, dass Sie Ihre Informationen nur aus dritter Hand bezogen haben sollten, lege ich den Interviewtext noch einmal bei. Ferner gestatte ich mir, darauf zu verweisen, dass Sie mit Ihrer Formulierung, ich sei für den Raubtierkapitalismus eingetreten, implizit den Eindruck erwecken, ich sei für die ungeregelte Marktwirtschaft eingetreten. Richtig ist stattdessen, dass ich in vielen Schriften darauf hingewiesen habe, dass die Bankenregulierung zu lasch und deshalb gefährlich ist. Ich habe dazu in der Fachzeitschrift Finanzarchiv im Jahr 2003 sogar eine Kontroverse ausgelöst, bei der ich deswegen von liberalen Ökonomen kritisiert wurde. (Sie finden dazu und zu anderen, populärwissenschaftlichen Beiträgen von mir eine Rubrik auf der ifo-Website.) Meine Position ist hier übrigens deckungsgleich mit der ordoliberalen Denkschule. Auch Ludwig Erhard zitieren Sie in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig. Die ordoliberale Schule hat ja stets betont, dass der Wettbewerb reguliert werden muss, dass man indes Preise und Löhne nicht regulieren darf. Es kommt eben auf die Inhalte der Regulierung an und nicht auf die Frage der Regulierung an sich.

Ich biete ihnen an, zur Ausräumung der Missverständnisse am 15. Dezember 2008 ins ifo Institut zu kommen. Dort halte ich um 18.00 Uhr einen öffentlichen Vortrag über die Finanzkrise. Bei der anschließenden Diskussion könnten Sie zu Wort kommen. Ich lade Sie außerdem ein, anschließend im kleineren Kreis zum Abendessen zusammenzukommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie dieser Einladung Folge leisten könnten.

Mit freundlichem Gruß
Hans-Werner Sinn

F.d.R. Caroline Schiller

Kopien:
Herr Hans-Werner Kilz, Chefredakteur Süddeutsche Zeitung
Herr Dr. Marc Beise, Redaktionsleiter Wirtschaft Süddeutsche Zeitung

Anlage: Interviewtext