Opec-Länder können Steuern langfristig nicht auf die Preise überwälzen
von Hans-Werner Sinn
München. Offenbar will es die Opec nach 1975 und 1981 erneut auf eine Kraftprobe mit den Industrieländern ankommen lassen. Die hohen Energiesteuern dieser Länder sind der Opec ein Dorn im Auge: Sie reduzieren entweder die Öl-Nachfrage oder sie senken den Nettopreis für das verkaufte Öl. Mit einer bewussten Politik der temporären Verknappung will man nun die Verbraucher der Industriestaaten gegen ihre Regierungen aufbringen, um so eine Rücknahme der Energiesteuern zu erreichen.
Die OPEC hat aber nur temporär die Macht, die Preise zu erhöhen, denn je höher die Preise in der Gegenwart sind, desto weniger wird verkauft und desto mehr muss in der Zukunft zu niedrigeren Preisen auf den Markt gebracht werden. Die Macht, eine Steuer auf die Preise zu überwälzen, hat ein Anbieter immer nur, wenn es sich für ihn lohnt, die Absatzmengen zu reduzieren, umso den Nachfragerückgang abzufangen, der aus der Preiserhöhung resultiert. Diese Bedingung ist aber auf Dauer gerade für die Erdöl-Anbieter nicht erfüllt, weil diese das vorhandene Öl irgendwann auf jeden Fall verkaufen wollen.
Energiesteuern der Industrieländer müssen letztlich von der OPEC getragen werden, weil sich als Folge davon langfristig niedrigere Rohölpreise ergeben. Das ist der Grund für die Nervosität der OPEC. Es bedeutet aber zugleich, dass weder das CO2-Problem noch andere Umweltprobleme durch diese Steuern gelöst werden können. Irgendwann, und bei angekündigten Steuererhöhungen eher früher als später, wird das im Boden vorhandene Öl auf jeden Fall verbrannt, und dann tritt das CO2 in die Atmosphäre ein.
Wenn ein einzelnes Land seine Energiesteuern allein erhöht, hat das einen spürbaren Einfluss auf die lokalen Verbraucherpreise. Dadurch lassen sich die Verbrauchsmengen reduzieren und lokale Umweltprobleme wie die städtische Luftverschmutzung oder die Straßenverstopfung in den Griff bekommen. Indes senkt ein einzelnes Land durch den Verbrauchsrückgang den Weltmarktpreis ein wenig und verlagert so die im Inland wegfallende Nachfrage ins Ausland, mit negativen Konsequenzen für die dortigen lokalen Umweltprobleme. Die Weltproduktion an CO2 ändert sich nicht, doch wird Realeinkommen aus Deutschland und aus den Opec-Ländem an die anderen Industrieländer verschenkt.
Wenn überhaupt etwas für eine nationale Energiesteuer spricht, dann die Schmutzverlagerung auf die Nachbarn und die Erzielung eines Steueraufkommens an sich. Besser wäre eine von allen Industrieländern erhobene Wertsteuer auf Energie, die zu einem einheitlichen festen Satz erhoben wird. Zwar hilft auch sie der Umwelt nicht, aber sie gibt den Industrieländern die Möglichkeit, bei der OPEC mitzukassieren, ohne dadurch die heimischen Verbraucher zu belasten.
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Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatts.