Der Krieg und die Folgen

Autor/en
Hans-Werner Sinn
Handelsblatt, 18.03.2003, S. 10

Irak

GASTKOMMENTAR

Nachdem die Konjunktur zur Mitte des Jahres 2000 gekippt war, zeigte sich im Sommer des Jahres 2001 bei den Umfragen des Ifo-Instituts bereits wieder ein deutlicher Silberstreif am Horizont Doch da kam der Anschlag auf das World Trade Center, und alle Indikatoren rutschten in den Keller. Deutschland wuchs im Jahr 2001 um nur 0,6 %, im Jahr 2002 um 0,2 %, und für dieses Jahr hat das Ifo-Institut selbst unter günstigen Bedingungen auch keine besonderen Erwartungen, sondern rechnet mit dem dritten Jahr der Flaute. Drei Jahre Flaute sind schlimmer als ein Jahr Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt noch schneller an, als sie es im Trend der letzten dreißig Jahren ohnehin schon tat, und nimmt beängstigende Ausmaße an.

Das Problem liegt bei der Kaufunlust der Investoren und Konsumenten. Sie wagen sich nicht an langlebige Anlagen und Konsumgüter heran und starren verängstigt auf die amerikanische Politik Schlimmer kann es kaum werden, möchte man meinen, wenn der lange erwartete Krieg nun beginnt.

In der Tat: Unter der Annahme eines Krieges, der schnell beendet wird, sich nicht in einer weiteren Erhöhung der Ölpreise niederschlägt und keine politische Destabilisierung des Nahen Ostens zur Folge hat, wird eher die Erleichterung obsiegen. Das Ifo-Institut rechnet deshalb damit, dass die Weltwirtschaft unter diesen Voraussetzungen in diesem Jahr um 2,5 %, der Euro-Raum um 1,1 % und Deutschland um 0,9 % wachsen werden. Das ist für Deutschland kein wirkliches Wachstum, sondern kaum etwas anderes als eine Stagnation, aber eben doch keine Rezession, wie manche es glauben. Die aufgeschobenen Ersatzinvestitionen werden nachgeholt und verhindern ein weiteres Abgleiten der Konjunktur. Diese unter den gegebenen Umständen noch vergleichsweise optimistische Einschätzung der Situation wird gestützt durch die in den letzten zwei Monaten leicht positive Entwicklung des Lageindikators bei den Ifo-Umfragen in Deutschland sowie die geringfügige Verbesserung des Weltklimaindexes, den das Ifo-Institut zuletzt wieder im Februar durch eine Befragung von 1 200 Experten in 90 Ländern erhoben hat.

Allerdings sind die Risiken erheblich, wie die Reaktion der Weltwirtschaft auf den Golfkrieg des Jahres 1991 zeigt. Damals war in der Folge des Krieges eine Rezession in den USA und dann auch in Europa entstanden, bei der auch die deutsche Wirtschaft temporär um 1,1 % schrumpfte. Schon nach der Besetzung Kuwaits durch den Irak ab August 1990 stieg der Ölpreis von 15 US-$ pro Barrel im Juni 1990 auf 41 US-$ je Barrel im September 1990. Bis zum Ende des Golfkrieges, der im Januar und Februar 2001 stattfand, fiel er dann wieder auf sein Ausgangsniveau zurück. Die Aktienkurse sanken vom zweiten bis zum vierten Vierteljahr 1990 um 9 % in den USA und um etwa 26 % in Deutschland und Japan. Sie erholten sich in den USA im Laufe des Jahres 1991 wieder, brauchten aber in Deutschland noch bis in das Jahr 1993 hinein, bis sie wieder auf ihr Ausgangsniveau zurückkamen, und sie stagnierten dauerhaft in Japan.

Die Risiken eines länger andauernden Kriegs werden für die Weltwirtschaft erheblich sein.

Für Deutschland muss man insbesondere den Effekt höherer Ölpreise auf das Wirtschaftswachstum fürchten, denn das Geld, das die Konsumenten und Firmen an die Ölscheichs zahlen, können sie nicht zugleich für inländische Güterkäufe verwenden. Bei einem Anstieg des Ölpreises um 10 $ je Barrel ist für Deutschland mit einer Wachstumseinbuße von 0,2 Prozentpunkten zu rechnen und bei einem Anstieg um 30 $ mit einer Einbuße von 0,5 Prozentpunkten. Bei einem weiteren Aktienkursverfall muss man von einer zusätzlichen Einbuße von 0,2 % ausgehen. In der Summe könnte deshalb, wenn sich dieses pessimistische Szenarium bewahrheitet, das Wachstum in Deutschland auf 0,2 % zurückgehen, was innerhalb der statistischen Fehlermargen für ein Nullwachstum liegt.

Dabei ist allerdings das Spektrum der möglichen Risiken noch nicht abgegriffen. Völlig unwägbare Risiken liegen in einer negativen Reaktion der Amerikaner auf den deutschen Widerstand gegen ihre Politik. Wenn der Krieg hohe amerikanische Verluste mit sich bringt, wird sich die Verärgerung jenseits des Atlantiks verstärken, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einer "Don't buy German"-Kampagne kommt. Wenn diese Kampagne greift und auch nur 10 % Einbußen bei den deutschen Exporten in die USA zur Folge haben sollte, dann wird uns das weitere 0,4 % Nachfrage und Wirtschaftswachstum kosten. Hinzu kommen ähnliche Risiken, wenn sich die institutionellen Anleger der USA noch stärker vom deutschen Aktienmarkt abwenden, als sie es ohnehin schon tun.

Wenn der Krieg gar zu einer Destabilisierung der gesamten Nahostregion führt und es zu Verwicklungen zwischen Israel und den Nachbarstaaten kommt oder wenn der Iran sich einschalten sollte, dann sind die Folgen für die Weltwirtschaft unabsehbar.

Unklar ist, welche Kosten des Krieges auf Deutschland zukommen. Deutschland hatte sich am ersten Golfkrieg mit einer Zahlung von reichlich 10 Mrd. DM beteiligt. Damals wurden die Gesamtkosten des Krieges mit 65 Mrd. $ veranschlagt. Die direkten Kriegskosten für den jetzt geplanten Angriff sind nach einer Untersuchung von Nordhaus mit 50 bis 140 Mrd. $ zu veranschlagen, die Kosten der Besatzung werden mit 75 bis 500 Mrd. $ zu Buche stehen, und der Wiederaufbau wird 25 bis 100 Mrd. $ kosten. Als mittelbare Folge der Auseinandersetzung wurden beim ersten Golfkrieg von der damaligen Bundesregierung verschiedene Steuern und sonstige Abgaben erhöht. Sollten auch jetzt zusätzliche Belastungen ins Gespräch kommen, wären weitere Abstriche beim Wachstum vorzunehmen. Allerdings könnte sich Deutschland zur Finanzierung dieser Zahlungen auf die Ausnahmeregelung des Stabilitätspaktes berufen und die Schuldenfinanzierung wählen. Das käme manchen vielleicht sogar zupass.

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