Umfrage unter Volkswirten zur Schwäche der deutschen Wirtschaft
Deutschland stand in den vergangenen Monaten am Rand einer Rezession. Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahresdurchschnitt 2004 zwar respektable 1,7 Prozent. Die Ursache liegt aber allein in der starken Weltwirtschaft, deren Funke nicht auf das Inland übergesprungen ist. Seit nunmehr vier Jahren liegt die Binnenwirtschaft darnieder.
Standortschwäche überwinden
Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München
Im Jahr 2004 expandierte die Weltwirtschaft so stark wie zuletzt vor 28 Jahren, und der deutsche Export wuchs um stattliche 8,6 Prozent. Unter Abzug der exportinduzierten Importe erzeugte dies netto einen Nachfrageschub in Höhe von 1,4 Prozent des Sozialprodukts. So viel Nachfrage brächte Bundesfinanzminister Hans Eichel selbst mit der dreistesten Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht zusammen, und er könnte seine Nachfrage auch nicht besser über die deutsche Wirtschaft verteilen. Selektive Nachfrageschübe bringen nichts.
Im Kern kann man die Nachfrageschwäche nur bekämpfen, indem man die Standortschwäche des Landes überwindet. Die deutschen Arbeitnehmer sind nicht mehr wettbewerbsfähig, weil sie zu teuer sind, und der Staat untergräbt mit einer unsoliden Finanzpolitik das Vertrauen in die Zukunft des Landes. Aus beiden Gründen wenden sich die Investoren ab. Die Investitionen schrumpften im vergangenen Jahr um 0,9 Prozent, obwohl sie angesichts des gewaltigen Booms der Weltwirtschaft eigentlich um 8 Prozent hätten steigen müssen. Die Nachfrage fiel bei den Produzenten der Investitionsgüter, und zu wenig neue Arbeitsplätze entstanden bei den Investoren. Immer mehr Arbeitslosigkeit war die Folge.
Das macht den Leuten Angst. Und wer Angst hat, konsumiert auch nicht viel. In dieser Situation ein staatliches Konjunkturprogramm zu fordern, das die Solidität der Staatsfinanzen noch weiter untergräbt, heißt einem Zug mehr Dampf zu geben, der in die falsche Richtung fährt. Es würde alles noch schlimmer.