Steuern müssen runter – auch auf Pump!

BILD-Interview mit Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn
Interview mit Hans-Werner Sinn, Bild.de, 19.10.2009

Die künftigen Regierungsparteien streiten über die Staats-Finanzen. Sind Steuersenkungen möglich?

Es ist besonders wichtig, dieses Wahlversprechen zu halten. Die schleichende Erhöhung der Einkommensteuer während der letzten Jahre muss ausgeglichen werden. Die Kaufkraftstärkung, die mit einer Steuersenkung verbunden ist, kommt gerade recht, denn die Krise ist noch lange nicht vorbei.

Darf es Steuersenkungen auf Pump geben?

Ja! In einer Krise wie dieser darf der Staat nicht nur auf Pump leben, er muss es sogar. Sonst stürzt die Wirtschaft ab. Wenn Haushalte und Firmen zu viel sparen, muss sich der Staat verschulden, um den Wirtschaftskreislauf zu stabilisieren. Verschuldet er sich nicht, droht ein Kreislaufkollaps mit unübersehbaren Konsequenzen. Den Fehler hat Deutschland in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 schon einmal gemacht.

Tut Schwarz-Gelb genug, um zu sparen?

Wenn der Staat jetzt mit dem Sparen anfängt, treibt er das Land erneut in die Krise. Wir können zwar zig Milliarden bei den Subventionen kürzen, aber erst wenn der Aufschwung da ist.

Ist eine Nettoentlastung der Steuerzahler überhaupt möglich?

Ja, sie ist möglich und nötig. Wir haben zu hohe Lohnsteuern! Die Progression des Tarifs ist zu scharf.

Sollten die Bürger lieber sparen oder Anschaffungen tätigen?

Es ist wichtig, dass die Verbraucher Geld ausgeben, damit die Wirtschaft in Schwung kommt. Noch wichtiger ist, dass die Unternehmen investieren, neue Maschinen kaufen und Gebäude bauen. Dann haben Bau und Maschinenbau wieder mehr zu tun, und vor allem entstehen bei den investierenden Unternehmen mehr Arbeitsplätze.

Wird der Gesundheitsfonds zum Fass ohne Boden?

Der Fonds tritt marktwirtschaftliche Grundprinzipien mit den Füßen, führt dadurch zu einer gewaltigen Aufblähung der Kosten. Er ist kaum noch zu durchschauen und muss reformiert werden.

Ist unser Renten-System schon zukunftssicher?

Nein denn es basiert auf hohen Geburtenraten! Tatsächlich haben wir aber im Verhältnis zu unserer Bevölkerungsgröße weniger Neugeborene als jedes andere Industrieland. Wir müssen nach der Krise die Riester-Rente zur Pflicht-Vorsorge machen und eine Zusatzrente für Familien einführen.

Die Banken zocken wieder, verteilen Boni – warum schafft die Politik es nicht, das zu stoppen?

Die Boni sind derzeit viel kleiner als früher. Die Zockerei kann am besten gestoppt werden, indem man den Banken sehr viel höhere Eigenkapitalquoten vorschreibt. Wenn die Eigentümer der Banken mehr zu verlieren haben, werden sie ihre Manager zu einem vorsichtigeren Geschäftsgebaren veranlassen, auch weniger Boni zahlen.