War der Rücktritt von Axel Weber als Bundesbank-Präsident richtig?
Hans-Werner Sinn: Ja, Weber verdient den vollen Respekt dafür, dass er sich nicht hat verbiegen lassen und bei seiner Linie geblieben ist. Er konnte den Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank nicht mittragen und hat die Konsequenz gezogen.
Jens Weidmann dürfte sein Nachfolger werden. Was halten Sie von ihm?
Sinn: Das ist ein ausgezeichneter Mann! Er hat schon bei der Bundesbank gearbeitet und ist ein Geldtheoretiker und -praktiker mit sehr vielen Kenntnissen. Ich halte ihn für außerordentlich gut geeignet.
Weidmann war aber bisher Merkels wichtigster Wirtschaftsberater. Ist für Sie die Nähe zur Politik kein Problem?
Sinn: Die meisten Kandidaten sind schon mit der Politik in Berührung gekommen. Das lässt sich bei so einem solchen Amt nicht vermeiden. Ich glaube nicht, dass Herr Weidmann sich irgendetwas sagen lassen wird. Als Chef der Bundesbank hat er eine unabhängige Position und ist abgesichert. Darauf kommt es an.
Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Bundesbank-Präsidenten?
Sinn: Ich hoffe, dass er sich in Europa für Währungsstabilität einsetzt und darauf hinwirkt, dass die Anleihenkäufe beendet werden.
Webers Rücktritt hat nicht für eine Lücke bei der Bundesbank gesorgt. Er galt auch als Kandidat Deutschlands für den Posten des EZB Präsidenten. Wäre er der richtige Mann an der Spitze der Europäischen Zentralbank gewesen?
Sinn: Sicherlich. Er hätte die Tradition der deutschen Bundesbank in die EZB hinübergetragen und einen guten Job gemacht. Aber das geht nicht, wenn dieser Kurs von den anderen Notenbankern im EZB-Rat nicht mitgetragen wird. Das hat Weber erkannt. Das Verhalten mancher Ratsmitglieder war seit dem vergangene Jahr sichtbar von nationalen Interessen bestimmt. Deswegen haben sie die Eigentümer der Notenbank, nämlich die Steuerzahler Europas, allen voran der Bundesrepublik Deutschland, in die Haftung für unsichere Staatsschulden südlicher Länder und Irlands genommen. Probleme für die Geldwertstabiliät sehe ich nicht, wohl aber die Gefahr einer demokratisch nicht legitimierten Vermögensumverteilung in Europa. Wenn nämlich die Papiere nicht bedient werden, muss neues Eigenkapital gebildet werden, und das geht dann zu Lasten der Steuerzahler.
Welche Qualitäten muss jemand mitbringen, damit er sich als EZB-Präsident eignet?
Sinn: Er muss das Geldgeschäft kennen und Erfahrung haben in der Notenbank-Politik. Das ist das wichtigste. Darüber hinaus muss ein Präsident die Politik der Bank nach außen vertreten können und im Ganzen ein exzellenter Ökonom sein.
Als weitere Deutsche für den Posten sind nun der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und der Chef des Rettungsfonds, Klaus Regling, im Gespräch. Was halten Sie von ihnen?
Sinn: Das sind beides ausgewiesene Experten, von denen man erwarten kann, dass sie die Tradition der Stabilität der Bundesbank weiter vertreten.
Was ist Ihre Meinung zum italienischen Notenbank-Chef Mario Draghi, dem auch Chancen eingeräumt werden?
Sinn: Draghi ist auch ein ausgezeichneter Fachmann. Er kommt aber aus dem falschen Land: Italien gehört zu den Ländern mit einer hohen Staatsverschuldung und strebt eine Sozialisierung seiner Verbindlichkeiten durch Eurobonds an. Es könnte Draghi schwerfallen, sich den Umverteilungswünschen seines eigenen Landes durch Eurobonds zu widersetzen. Diesem Konflikt sollte man ihn nicht aussetzen.
Egal, wer es wird – welche Herausforderungen liegen vor ihm?
Sinn: Die Herausforderung ist, die maroden Staatspapiere, die man gekauft hat, wieder abzustoßen und dem Markt die Kursbildung zu überlassen. Er muss die Eigentümer der EZB und damit uns alle aus einer Haftung nehmen, der wir gar nicht zugestimmt haben. Der Aufkauf von Staatsanleihen gehört nicht zu den Aufgaben der Zentralbank. Das hat sie ja wohl auch erkannt und sich deshalb erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Luxemburger Zweckgesellschaft die Papiere übernimmt, freilich mit den gleichen Umverteilungseffekten in Europa. Wir kommen aus der Mühle offenbar nicht wieder heraus.