Wirtschaftswoche: Herr Sinn, Deutschland stöhnt über die hohen Ölpreise, und Bundeskanzler Gerhard Schröder verspricht Pendlern, Sozialhilfeempfängern und Brummifahren "soziale Korrekturen". Ist das der ökonomische Königsweg?
Sinn: Die Reaktionen der Regierung auf die hohen Benzinpreise haben vor allem einen Zweck - sie schwächen kurzfristig den öffentlichen Druck. Mit einem langfristig angelegten Ökosteuerkonzept hat das nichts zu tun. Wenn Rot-Grün jetzt vor der Lkw- und Autofahrerlobby kuscht, spielt sie der Opec in die Hände und gefährdet ihre Umweltziele.
Warum?
Die Erdöl fördernden Länder verfolgen mit ihrer aktuellen Preispolitik ein Ziel: Verteuern sie durch geringe Fördermengen die Ölpreise, wächst durch protestierende Verbraucher der Druck in den Öl importierenden Ländern, die Ökosteuern wieder zu kassieren. Und offenbar hat die Opec den Kampf fürs Erste gewonnen, wenn nach Frankreich nun auch Deutschland der Bürgerwut nachgibt.
Wäre es da nicht besser, auf die nächste Stufe der Ökosteuer zu verzichten, damit die Regierung bis 2003 nicht jedes Jahr vor der gleichen Diskussion steht?
Natürlich ist eine solche gestaffelte Steuer problematisch. Ich würde jetzt aber nicht kneifen, obwohl ich die Steuer aus ökonomischer Sicht für nicht gut begründet halte. Vielmehr vermisse ich eine klare Diskussion darüber, welche volkswirtschaftlichen Kosten Rot-Grün mit der Ökosteuer überhaupt in den Griff kriegen will. Für mein Verständnis lässt sich mit einer Energiesteuer vor allem das Verkehrsaufkommen reduzieren, aber da müsste noch mehr geschehen. Die vielen Staus bedeuten einen riesigen Schaden für die Volkswirtschaft. Wir brauchen eine Mautgebühr für alle, deren Aufkommen zur Senkung der Kfz-Steuer verwendet wird. Eine nachträgliche Entlastung bei Pendlern und Lkw-Fahrern zielt dagegen in die falsche Richtung. Gegen Heizkostenzuschüsse für Sozialhilfeempfänger lässt sich nicht viel sagen.
War der deutsche Alleingang bei der Ökosteuer verfehlt?
Eine nationale Ökosteuer drosselt nur in einem Land den Energieverbrauch. Sie hat nicht zur Folge, dass die Opec insgesamt weniger Öl fördert. Die Mengen, die Deutschland nicht verbraucht, fragen Länder ohne Ökosteuern nach. Weltweit lässt sich das Problem der Umweltverschmutzung also durch Ökosteuern gar nicht lösen. Würden sich dagegen alle Industrieländer auf einen einheitlichen Ökosteuersatz einigen, ließe sich zumindest Druck auf die Rohölpreise der Opec ausüben. Zu einer solchen gemeinsamen Aktion wird es aber nicht kommen, da machen für allem die Amerikaner nicht mit.
SAF
Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Wirtschaftswoche.