Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner Ifo-Instituts, über die Arbeit von Kanzlerin Merkel, warum deutsche Unternehmen vor ausländischen Staatsfonds geschützt werden müssen, Manager nicht zu viel verdienen und die Marktwirtschaft ungerecht ist.
Professor Hans-Werner Sinn, 59, leitet seit Februar 1999 das Institut für Information und Forschung in München. Der Ökonom war maßgeblich dafür verantwortlich, dass das angeschlagene und vom Wissenschaftsrat mitunter heftig kritisierte Forschungsinstitut wieder an Renommee gewann. Der gebürtige Westfale lebt in München.
sueddeutsche.de: Herr Sinn, russische, asiatische und arabische Investoren sind derzeit in Deutschland kräftig auf Einkaufstour. Droht der Republik der Ausverkauf?
Hans-Werner Sinn: Vom Ausverkauf kann keine Rede sein, weil wir netto natürlich mehr im Ausland kaufen. Es gibt mehr deutsche Firmenkäufer im Ausland als ausländische Käufer im Inland.
Sind solche Investitionen von ausländischen Unternehmen in Deutschland dann generell unbedenklich?
Grundsätzlich ja. Direktinvestitionen können in Deutschland hierzulande Arbeitsplätze schaffen. Im Konkreten ergibt sich freilich ein differenzierteres Bild. Im deutschen Fall aber geht es oft darum, dass ausländische Investoren deutsche Firmen als Vermittler für internationale Geschäfte brauchen, zum Beispiel mit Osteuropa. Das ist so eine Art Verschiebebahnhof und nicht unbedingt schlecht für uns, denn die Ausländer zahlen gut für deutsche Firmen und versorgen sie mit Eigenkapital, das gerade im Mittelstand eine Mangelware ist. Problematisch wird die Sache, wenn hier ausländische Staatskonzerne am Werke sind, zum Beispiel aus China oder aus Russland.
Dann ist Protektionismus erlaubt?
Der Begriff ist anderweitig besetzt. Im Konkreten geht es hier um Schutzmaßnahmen, die den Wettbewerb erhalten sollen, also genau um das Gegenteil von Protektionismus. Ginge man nicht gegen Staatsfonds vor, wäre die Konsequenz, dass quasi eine Verstaatlichung stattfände. Und es macht keinen Sinn, deutsche Staatsbetriebe wie die Telekom zu privatisieren, damit sie anschließend in ausländischem Namen wieder verstaatlicht werden können.
Seit Monaten diskutiert die Regierungskoalition über Schutzmaßnahmen vor ausländischen Staatsfonds. Das ist unterstützenswert?
Vom Grundsatz her finde ich das richtig. Ausländischen Staatsfonds sollte man es generell nicht erlauben, sich in deutsche Betriebe einzukaufen. Ab 20 Prozent wird die Sache kritisch. Wenn die französischen Staatskonzerne zum Beispiel den deutschen Energiemarkt übernehmen wollen - und das wollen sie latent -, dann müssen wir das verhindern. In Frankreich ist sehr viel Marktmacht durch Mithilfe des Staates entstanden. Die Marktwirtschaft lebt aber vom Wettbewerb.
Können nicht auch Investitionen staatlicher Eigentümer eine Stimulanz für die Wirtschaft sein?
Ja, zunächst schon. Später aber hätten sie die Möglichkeit, Marktmacht auszuüben und höhere Preise durchzusetzen. Dazu kommt ja auch ein sicherheitspolitisches Interesse, gerade im Energiebereich. Was haben wir Deutschen denn an Energie? Die Franzosen, die Engländer und die Italiener haben alle Ölquellen, Deutschland hat überhaupt nichts. Selbst Aral gehört der BP. Das Einzige, was wir in Deutschland haben, ist das Gasnetz, das uns eine gewisse Verhandlungsposition verschafft. Das berechtigt die deutsche Regierung hier die Entwicklung zu kontrollieren.
Nehmen in der Weltwirtschaft staatliche Einflüsse auf Unternehmen und die Wirtschaft eher zu oder ab?
Der Einfluss geht zurück, Gott sei Dank. Vor Jahrzehnten hatten wir einen massiven Staatseinfluss, seitdem hat es eine massive Welle der Privatisierungen auf der Welt gegeben.
Bleiben kommunistische Länder wie China, die sich in den Kapitalismus einkaufen.
Sicher, das ist ein neues Phänomen. Auch die exkommunistischen Länder haben noch eine Menge staatlicher Macht und staatlich mitkontrollierte Unternehmen wie Gazprom in Russland. Dagegen muss man sich schützen.
Das Ifo-Institut und die anderen führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für 2008 eine leichte Abkühlung der Konjunktur. Die Wachstumsrate soll - nach 2,6 Prozent in diesem Jahr - dann bei 2,2 Prozent liegen. Woran liegt es?
Die Investitionen steigen etwas weniger stark als zuvor, das Investitionsklima kühlt sich etwas ab. Diese Abkühlung kommt insgesamt von der Weltwirtschaft her. Wir haben in Amerika eine Flaute, die hoffentlich nicht zu einer Rezession wird. Das hat mit der Krise des Finanzsystems zu tun. Mehr und mehr Häuslebauer können ihre Kredite nicht zurückzahlen, kommen in Zahlungsschwierigkeiten und konsumieren weniger. Die amerikanische Konjunktur geht derzeit runter - das dämpft die gesamte weltwirtschaftliche Konjunktur. Und wir, die vom Export sehr abhängig sind, werden das spüren.
Das heißt, die Wirtschaft fährt in die Flaute?
Das heißt nur, dass der Aufschwung etwas an Fahrt verliert. Eine Rezession steht nicht an.
Der Internationale Währungsfonds hat eingeräumt, dass die Märkte angesichts der US-Hypothekenkrise vor einer großen Herausforderung stehen. Ein anderes Wort für Dauerkrise?
Ich glaube schon, dass die Krise substanziell ist. Der Einbruch der privaten Bautätigkeit in den USA ist dramatisch und liegt bei 20 Prozent - das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Ein Ende dieser Entwicklung ist von der Datenlage her nicht absehbar. Ich glaube, dass sich diese Finanzkrise noch auswachsen wird.
Mit der Folge einer globalen Bankenkrise?
Nein. Die Banken sind zwar vorsichtig geworden und verlangen in Amerika einen höheren Hypothekenzins. Sie vergeben häufig auch keine Kredite mehr. Wie stark sie unter faulen Krediten leiden, diese Wahrheit wird bei den Jahresabschlüssen ans Licht kommen. Ich glaube aber nicht, dass die Banken das Hauptproblem sind. Die amerikanischen Privathaushalte machen mir viel mehr Sorgen. Die haben über Jahre nicht gespart und sich bei ihrer Vermögensbildung darauf verlassen, dass ihre Häuser wertvoller wurden. Jetzt merken sie, dass sie viel ärmer sind, als sie dachten und reduzieren ihren Konsum. Sorgen bereitet zudem das riesige Defizit im amerikanischen Außenhandel, das derzeit bei knapp 900 Milliarden Dollar liegt. Es beträgt sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Seit 1930 hat es nicht einmal annähernd ein so hohes Defizit gegeben. Diese Zahl sprengt jeglichen Rahmen. Für Amerika stehen unruhige Zeiten an.
Und eine Phase der Konsolidierung.
Die Amerikaner können nicht immer über ihre Verhältnisse leben und müssen in Zukunft sicher auch den Gürtel wieder etwas enger schnallen und mehr sparen, so dass sie den größeren Teil ihrer Investitionen selbst finanzieren, anstatt die Ausländer um die Finanzierung zu bitten.
Deutschland hat in jüngster Zeit gespart. Im neuen Gemeinschaftsbericht ist für 2007 vom ersten Überschuss im Staatshaushalt seit Jahren die Rede. Wie kann dieser Überschuss sinnvoll eingesetzt werden?
Der Überschuss entsteht nur, wenn er nicht im laufenden Geschäft verbraten wird. Der Staat muss seine Schulden tilgen. Der deutsche Staat hat wahrlich sehr viele Verbindlichkeiten aufgebaut und liegt immer noch weit über der Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die der Maastrichter Vertrag gerade noch erlaubt. Da müssen wir runter. Ich denke, die Regierung macht es genau richtig, indem sie sich den Bestrebungen und Verlockungen widersetzt, dieses Geld auf den Kopf zu hauen - und jetzt endlich mal die Nettoneuverschuldung runterschraubt.
Die Bundesregierung macht in der Wirtschafts- und Finanzpolitik alles richtig?
Ich habe direkt nach der Wahl im Herbst 2005 gesagt, dass ich von dieser Koalition eigentlich nichts erwarte, weil sich die SPD wegen der neuen Linken nicht mehr bewegen kann. So war es. Aber eines hatte ich erhofft: Dass diese Regierung das Budget konsolidiert. Und gemessen an dieser Hoffnung hat sie sehr gute Arbeit geleistet.
Ist der Aufschwung der Erfolg der Regierung?
Nein. Journalisten fragen mich manchmal: Was hat Frau Merkel zu diesem Aufschwung beigetragen? Dann sage ich: Zum Glück nichts - genauso wenig wie Herr Steinbrück. Es ist ein Glück, dass sie durch die Budgetkonsolidierung Geld gespart und nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer geschüttet haben. In einer Aufschwungphase muss der Staat bremsen, in einer Abschwungphase muss er Gas geben. Wir müssen jetzt das Polster anlegen, das es uns erlaubt, im Abschwung die Ausgaben wieder zu erhöhen.
Das wäre die klassische keynesianische Politik, an die sich die Politiker in den vergangenen Jahren nicht gehalten haben.
Jetzt halten sie sich immerhin daran. Politiker neigen dazu, viel Geld auszugeben, wenn viel Geld in der Kasse ist und wenig auszugeben, wenn wenig da ist. Das sollten sie eigentlich nicht tun - sondern antizyklisch handeln.
Der Nachteil ist, dass die beiden Volksparteien Union und SPD mit ausgeglichenen Staatshaushalten beim Wähler nicht punkten. Jetzt schlagen sie vor, das Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose zu verlängern.
Das sind Argumentationen bestimmter Gruppen. Aber es handelt sich um billigen Populismus. In Wahrheit ist es natürlich so, dass der Aufschwung außerordentlich sozial ist, indem er sehr viele Menschen in Lohn und Brot bringt. Wir haben ja in den letzten zwei Jahren ein kleines Beschäftigungswunder gehabt. Das ist genau der Punkt: Durch die vermeintlich sozialen Wohltaten, das Arbeitslosengeld zu verlängern, werden wieder Arbeitsplätze gefährdet. Da wird ein hoher Lohnersatzanspruch aufgebaut. Niemand ist bereit für weniger zu arbeiten als für das, was der Staat auch so zur Verfügung stellt. Wenn der Lohnanspruch zu hoch ist, gibt es dafür keine Jobs, dann entsteht eben Arbeitslosigkeit.
Die Erhöhung des Arbeitslosengelds ist eine Korrektur der Agenda 2010. Wie fällt Ihre Bilanz über die Generalreform der alten rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder aus?
Die Agenda hat die Anspruchslöhne gesenkt und so Bewegung in die Lohnskala gebracht - mit der Konsequenz, dass neue Jobs entstanden sind. Das war ein sozialer Segen. Wer jetzt den Rückwärtsgang einlegen will, der erzeugt ein soziales Problem.
Bedeutet die Einführung von Mindestlöhnen denn auch Rückwärtsgang?
Ja, sicher. Schröder hat ja den deutschen Mindestlohn, den die Sozialhilfe implizierte, gesenkt. Er hat Arbeitsverhältnisse gefördert, in denen man Lohn und gleichzeitig Hartz IV bezieht. Der Staat veränderte die Anreize: Er gab ein bisschen mehr Geld fürs Mitmachen und nicht mehr ganz so viel fürs Wegbleiben. Die Lohnersatzansprüche fielen, und die Löhne blieben am unteren Ende der Lohnskala hinter dem Niveau zurück, das sie sonst erreicht hätten. Deshalb entstanden mehr Jobs. Wer jetzt gesetzliche Mindestlöhne einführt, macht das Gegenteil von Schröders erfolgreicher Politik.
Sie selbst haben den Begriff vom "Sozialsofa" geprägt. Sehen Sie dieses ein Stückchen breiter werden?
Nein, den Begriff habe ich nicht verwendet. Richtig ist, dass die Hartz-IV-Reform durch beide Maßnahmen - Mindestlöhne und mehr Arbeitslosengeld - teilweise rückgängig gemacht würden. Schröders Reformpolitik muss stattdessen konsequent fortgeführt werden. Wir brauchen einen sozialen Staat, der den weniger leistungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft hilft - aber nicht unter der Bedingung, dass sie wegbleiben vom Arbeitsplatz, sondern dass sie erscheinen. Wenn der Staat das Mitmachen bezahlt, müssen die Menschen bei Niedriglohnjobs nur bezuschusst werden. Heute bezahlt der Staat 100 Prozent des Einkommens der Arbeitslosen.
Wie schätzen Sie denn die Entwicklung des Arbeitsmarktes ein - bleibt es beim Jobwunder, das Sie diagnostizieren?
Die Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute besagt, dass es in diesem Jahr 700.000 Arbeitslose weniger als im letzten Jahr sind, und dass diese Zahl bis zum nächsten Jahr noch einmal um 300.000 zurückgehen wird. Wir werden dann 3,5 Millionen Arbeitslose in der Republik registrieren. Ob wir danach noch weiter runterkommen, ist schwer zu sagen. Irgendwann werden wir einen harten Sockel erreichen. Da setzen die Vorschläge zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik an. Noch immer sind wir Weltmeister bei der Arbeitslosigkeit der Geringqualifizierten.
Die Inflationsrate ist so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr. Eine Bedrohung?
Es existieren gewisse latente Gefahren. Aber die Schätzung für nächstes Jahr ist zwei Prozent, für dieses Jahr 2,1 Prozent, obwohl wir die Mehrwertsteuererhöhung hatten. Das ist völlig ungefährlich. Man sollte von der Nullgrenze der Inflation einen gewissen Abstand haben. Zwei Prozent ist eine gute Zahl.
Dämpfend auf die Preisentwicklung wirkt der starke Euro - der andererseits wiederum die Exportchancen schwächt, weil deutsche Produkte im Nicht-EU-Ausland teurer werden.
Letzteres ist problematisch. Wir liegen jetzt mit 1,42 Dollar oberhalb der Kaufkraftparität nach deutschem Warenkorb. Die Kaufkraftparität ist ein fiktiver Wechselkurs, der den Warenkorb in den betroffenen Ländern gleich teuer macht.
Sehen Sie politische Versuchungen, über eine Schwächung des Euros der Exportwirtschaft zu helfen?
Wechselkurse sind durch die Zinspolitik der Notenbank beeinflussbar. Niedrigere Zinsen würden den Euro heruntertreiben - das ist genau das, was Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy stets von der Europäischen Zentralbank (EZB) fordert. Das aber würde die Gefahr einer Inflation mit sich bringen. Sarkozy sollte die Zinsen mal lieber der Europäischen Zentralbank überlassen. Da sitzen Fachleute, die das besser beurteilen können als er. Die EZB ist absolut unabhängig, und das ist auch gut so.
Lohnkonflikte wie jetzt bei der Bahn machen deutlich, dass die Arbeitnehmer wieder einen größeren Anteil am Volkseinkommen wollen. Wie viel Spielraum existiert?
Nach wie vor sind die hohen deutschen Lohnkosten ein Problem für die Wettbewerbsfähigkeit der Industriearbeiter. Die Lohnkosten pro Stunde liegen auf dem dritthöchsten Platz der Welt. Hauptproblem ist das verarbeitende Gewerbe. Dort sind die Gewerkschaften sehr stark und haben Lohnstrukturen durchgedrückt, die die Industriebeschäftigung praktisch in den freien Fall gebracht haben. Leider sind Jobs in anderen Sektoren nicht in gleichem Umfang entstanden. Wir haben von den 1,25 Millionen Jobs, die wir von 1995 bis 2006 in der Industrie verloren haben, nur eine Viertelmillion anderswo neu geschaffen. Gemessen an den Erfordernissen der globalisierten Welt sind die Lohnstrukturen noch immer viel zu starr.
Auch über das Einkommen der Manager wird in Deutschland heftig diskutiert. Sind deren Gehälter auch zu starr nach unten?
Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit allemal. Nach meinem Gerechtigkeitsgefühl müsste die Lohnspreizung allenfalls durch den persönlichen Arbeitseinsatz erklärt werden - das wäre dann viel, viel weniger als das, was wir in unserer Marktwirtschaft haben. Die Marktwirtschaft ist einfach nicht gerecht. Aber sie ist effizient.
Was folgt daraus?
Wenig. Man kann die Lohnspreizung der Märkte durch eine progressive Einkommensteuer ein wenig verändern, aber wenn man zuviel eingreift, funktioniert das System nicht mehr. Was nützt es, wenn ich mich darüber ärgere, wenn es anders nicht geht? Wenn ich versuchen würde, die Gehälter der Manager auf ein gerechtes Maß zu stauchen, dann gehen sie halt woanders hin. Manager sind flexibel. Dann ziehen sie nach London, dort müssen sie nicht einmal Steuern zahlen. Und die Arbeitsplätze für die Arbeiter gehen dann auch verloren.
Hilft die neue Transparenz - dass jeder bei börsennotierten Firmen nachrechnen kann, wie viel der Vorstandschef kassiert?
Nein, überhaupt nicht. Transparenz bei den Managergehältern leistet nur dem Neidkomplex der Deutschen Vorschub. Das wiederum führt zu politischen Aktionen, und das hat negative ökonomische Konsequenzen, indem Firmenzentralen verlagert werden. Diese Neid-Diskussion ist keine gesunde Entwicklung.
Also lieber Augen zu und schweigen?
Mit etwas mehr Ungerechtigkeit lebt es sich besser. Etwas mehr Ungleichheit in der Einkommensverteilung bewirkt auch für die weniger gut dabei Wegkommenden letztlich einen höheren Lebensstandard, als wenn man ein egalitäres System schafft, wo alle das Gleiche kriegen und alle gleichermaßen arm sind. Das haben wir doch im Sozialismus Ostdeutschlands probiert. Die Leute haben sich darüber aufgeregt, dass Erich Honecker einen Kühlschrank hatte - die ausgelebte Neidpräferenz ging so weit, dass eben keiner einen Kühlschrank hatte.
Ganz so einfach ist es nicht. Der Ökonom John Kenneth Galbraith zeigte die Gefahren auf, wohin es führt, wenn Manager weniger an ihre Firmen und mehr an ihr eigenes Wohlergehen denken.
Jeder Mensch in der Marktwirtschaft denkt doch zunächst einmal an sein eigenes Wohlergehen, trotzdem funktioniert die Marktwirtschaft. Sie braucht nicht den guten Menschen, sondern funktioniert mit Menschen, die ihren eigenen Vorteil maximieren wollen.
Galbraith, einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, beschrieb auch, dass Macht durch Gegenmacht begrenzt werden muss, also auch die der Manager.
Ja, natürlich. Manager dürfen nicht machen, was sie wollen, sie haben ja die Aktionäre. Die sind bereit, tolle Vorstände hoch zu bezahlen. Wenn ein richtiger Manager kommt, der das Geschäft versteht, kann er für ein Dax-Unternehmen ein paar hundert Millionen mehr in die Kasse spülen. Im Wettbewerb der Firmen um gute Manager ergeben sich halt extrem hohe Einkommen. Auch wenn das mit Gerechtigkeit gar nichts zu tun hat.
Herr Professor Sinn, vielen Dank für das Gespräch.
Druckversion erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 24.10.2007, Nr. 245, S. 22