Energie: Weil sich die Konjunktur derzeit abschwächt, könnte Öl vorübergehend billiger werden, langfristig geht der Trend aber nach oben, so Hans-Werner Sinn
MANNHEIM. Die Preise für fossile Brennstoffe haben nach Ansicht von Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner ifo-Instituts, langfristig noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht und werden in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen. Der Öl-Verbrauch muss deshalb sinken, fordert der renommierte Wissenschaftler im Interview.
Die hohen Spritkosten ärgern viele Verbraucher. Sind Sie selbst auf ein verbrauchsarmes Fahrzeug umgestiegen oder lässt Sie das kalt?
Hans-Werner Sinn: Kalt lässt mich das nicht. Aber umsteigen ist leichter gesagt als getan: Ein neues Auto kostet schließlich eine Menge Geld.
Werden Sprit und Heizöl noch teurer?
Sinn: Der Trend geht langfristig nach oben, weil Erdöl immer knapper wird. Derzeit schwächt sich die Konjunktur weltweit aber ab. Damit wird auch der Ölpreis nicht mehr viel steigen, vielleicht sogar wieder etwas nachgeben.
Viele Verbraucher haben das Gefühl, dass einige wenige Konzerne die Preise beliebig diktieren.
Sinn: In der Tat machen die Förderländer den Ölpreis unter sich aus, und nach ihm richtet sich der Gaspreis. Den müssen die deutschen Energieversorger an die Lieferanten bezahlen, so lauten die über Jahrzehnte angelegten Verträge.
Das heißt der Konsument ist machtlos.
Sinn: Die fossilen Brennstoffe gehen nun einmal zur Neige. Aus ökonomischer Sicht ist es nicht anders möglich, als dass ihre Preise während der nächsten Jahrzehnte fast grenzenlos steigen. Der Verbrauch muss deshalb sinken.
Wenn Energie immer teurer wird, trifft das vor allem einkommensschwache Haushalte. Droht der Masse der soziale Abstieg?
Sinn: Die Preissteigerungen treffen jeden und verzehren einen Teil der Einkommenszuwächse. Und wir können noch froh sein, dass wir den hohen Euro-Kurs haben. Ohne ihn wäre die Belastung noch größer.
Sind wir den steigenden Lebensmittelpreisen ebenso ausgeliefert wie den Energiekosten?
Sinn: Nein, dieses Problem wurde durch die grüne Politik der Industrieländer hervorgerufen. Viele Äcker werden inzwischen für die Biosprit-Produktion genutzt. Was im Tank landet, wird dem Teller entzogen. Es ist unethisch, biologisch angebaute Treibstoffe in den Tank zu stecken, weil das Armut in der Welt erzeugt.
Die Bundesbank geht davon aus, dass die Lebenshaltungskosten bis Jahresende hoch bleiben. Das ist Munition für Gewerkschaften, die höhere Gehälter fordern. . .
Sinn: Das können sie fordern. Aber der Spielraum, den Firmen für höhere Löhne haben, hat sich durch die steigenden Preise nicht vergrößert, sondern verkleinert.
Immer mehr Menschen können von ihrem Vollzeitjob nicht leben. Ist das gerecht?
Sinn: Das ist nicht die Frage. Wichtig ist, dass die Menschen genug Einkommen haben, und das besteht nicht nur aus Lohn. Deutschland hat unter Alt-Kanzler Schröder mit der Agenda 2010 und dem ALG II ein Lohn-Zuschuss-Modell eingeführt. Ein Niedriglöhner, der für vier Euro in der Stunde Vollzeit arbeitet, hat mit der staatlichen Aufstockung im Schnitt 910 Euro netto. Damit kann er keine großen Sprünge machen. Aber er muss eben auch nicht von den vier Euro leben, wie es die Gewerkschaften gerne suggerieren.
Auch viele Menschen aus der Mittelschicht haben das Gefühl, dass sie auf keinen grünen Zweig kommen. Saugt der Staat die Mitte zu sehr aus?
Sinn: Der Staat schöpft immer noch zuviel ab. Das liegt an der Progression des Steuertarifs. Eigentlich müsste man die Steuern jedes Jahr nach unten anpassen, um den Effekt der Progression auszugleichen. Tut man das nicht, wächst das Steueraufkommen des Staates schneller als das Einkommen der Bürger.
In der Metropolregion Rhein-Neckar gibt es nach wie vor viele industrielle Betriebe. Haben diese Arbeitsplätze auf Dauer eine Chance?
Sinn: Nur mit einer marktwirtschaftlichen Strategie, die auch Niedriglöhne zulässt, wie sie die Globalisierung verlangt. Von Mindestlöhnen, die man nicht bekommt, kann man nicht leben. Besser ist es, die Zuschüsse der Geringverdiener weiter zu erhöhen, wenn es zum Leben nicht reicht.