Warum ifo-Präsident Hans-Werner Sinn gegen Staatshilfen für Opel ist
Staatshilfen für Opel? Besser nicht, sagt ifo-Chef Hans Werner Sinn. Im Interview mit heute.de macht er deutlich, dass mit dem Geld anderswo mehr bewegt werden kann. Und erklärt, warum es gut ist, wenn angeschlagene Firmen vom Markt verschwinden.
heute.de: Professor Sinn, Sie sprechen sich gegen Staatshilfen bei Opel aus. Warum?
Hans-Werner Sinn: Man kann nicht einzelne Firmen herauspicken, ohne die Frage zu stellen, wie viele Arbeitsplätze man anderswo mit dem Geld retten könnte. Opel erpresst den Staat mithilfe der Medien. Man will pro Arbeitnehmer 130.000 Euro, was in Rüsselsheim und Bochum dem Preis einer Eigentumswohnung von 80 Quadratmetern entspricht. Mit dem Geld könnte man, wenn man es in der Fläche einsetzen würde, sehr viel mehr Arbeitsplätze schaffen als bei Opel, nur eben in Firmen, die politisch nicht so gut organisiert und vernetzt sind.
heute.de: Viele Wirtschaftsexperten sagen, wir befänden uns in der schwersten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren. Das Argument, der Staat dürfe sich nicht in die Wirtschaft einmisichen, gelte ausnahmsweise mal nicht. Warum irren diese Experten?
Sinn: Sie irren nicht. Wir brauchen heute keynesianische Konjunkturpolitik und keine ordnungspolitischen Grundsatzdebatten. Aber gerade auch bei einer keynesianischen Konjunkturpolitik muss man darauf achten, dass man mit dem eingesetzten Geld den größtmöglichen Effekt erzielt und sich nicht erpressen lässt.
heute.de: Audi hat in dieser Woche 2,2 Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2008 gemeldet. Opel hingegen hat Probleme. Dass schlecht aufgestellte Unternehmen vom Markt verschwinden - funktioniert so Wirtschaft?
Sinn: Ohne Strukturwandel wären heute noch immer zwei Drittel der Deutschen in der Landwirtschaft beschäftigt, wie vor 150 Jahren. Und wir wären bettelarm. Wachstum und Wohlstand gibt es nur, wenn ineffiziente Firmen ausscheiden und neuen Firmen Platz machen. Dieser Strukturwandel vollzieht sich immer nur in der Krise. Die Konjunkturpakete können deshalb viele, aber nicht alle Arbeitsplätze retten.
heute.de: Das klingt hart. Wie erklären Sie das einem Opel-Arbeiter, der 50 Jahre alt ist und zwei Kinder zu versorgen hat?
Sinn: Der Staat muss gerecht sein und auch an die Handwerker, die Arbeiter in der mittelständischen Industrie, die Bauarbeiter und die vielen Menschen denken, die im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt sind. Auch die sind teilweise schon lange dabei und haben Kinder. Es ist weder gerecht, noch effizient, das staatliche Geld dorthin zu geben, wo man am lautesten schreit. Im übrigen lässt der Sozialstaat niemanden fallen. Das soziale Netz ist in Deutschland dichter geknüpft als in fast allen anderen Ländern der Erde.
heute.de: Auch andere Unternehmen wie Schaeffler leiden unter der Krise. Sollte der Staat diesen Unternehmen helfen?
Sinn: Der Staat sollte allen mit Konjunkturpaketen helfen, aber nicht auf dem Wege der Einzelfallentscheidung. Wenn der Staat seine Konjunkturhilfen nach dem Ausmaß der politischen Erpressung verteilt, wird die Zahl der geretteten Arbeitsplätze nur verringert.
...haben Unternehmen gerettet
Im Herbst 2003 verhindert die Stadt Hamburg eine Zerschlagung von Beiersdorf. Hamburg erwirbt einen Anteil von 10 Prozent am Hersteller von Nivea und Tesa. Nach dem Aktienverkauf 2007 bleibt Hamburg sogar ein Gewinn von 7,8 Millionen Euro.
...haben Unternehmen Aufschub verschafft
Im Herbst 1999 hat der Baukonzern Philipp Holzmann 4,5 Milliarden Mark Schulden. Bundeskanzler Gerhard Schröder stellt Bundesbürgschaften in Höhe von 275 Millionen Mark bereit. Doch 2002 hat der Konzern immer noch Milliarden-Schulden und geht insolvent.
...haben Unternehmen nicht helfen können
Das letzte bayerische Großstahlwerk, die marode Maxhütte in der Oberpfalz, ging schon 1987 Konkurs. Doch Millionensubventionen hielten das Werk zunächst am Leben. 2002 folgte aber dennoch das endgültige Aus.
Hans-Werner Sinn, ...
...Jahrgang 1948, ist Ökonom und Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung mit Sitz in München. Gerade hat er ein Buch zur aktuellen Bankenkrise veröffentlicht.
Das Interview führte Dominik Rzepka