Was Ökonomen von einer Umschuldung Griechenlands halten

Autor/en
Hans-Werner Sinn
Handelsblatt, 20.05.2011, Nr. 98, S. 17

Sinn: Ein Austritt aus dem Euro wäre das kleinere Übel

Griechenland hat zwei Probleme. Es hat zu viele Schulden, und es ist zu teuer. Das Land muss um 20 bis 30 Prozent abwerten, damit sein gigantisches Leistungsbilanzdefizit von zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und der Überhang des Konsums über die Einkommen von 14 Prozent verschwinden. Das erhöht die Schuldenquote weiter, egal ob die Abwertung innerhalb oder außerhalb des Euro-Raums stattfindet. Ein Schuldenerlass in Höhe des heutigen Marktabschlags auf den Nennwert von rund 40 Prozent ist notwendig.

Die Frage ist, ob eine interne oder externe Abwertung besser ist. Beide Alternativen sind schrecklich. Eine interne Abwertung entspricht dem, was Deutschland unter Brüning durchgemacht hat, weil es nicht offiziell abwerten durfte: 23 Prozent Preissenkung und 32 Prozent Lohnsenkung von 1929 bis 1933. Griechenland würde wie damals Deutschland an den Rand des Bürgerkriegs getrieben.

Die Gewerkschaften würden militant, und die Firmen gerieten in die Überschuldung, weil ihre Aktiva an Wert verlören, während die Bankschulden blieben. Die Banken wären weitgehend pleite, weil die Firmen ihre Schulden nicht zurückzahlen könnten. Eine Abwertung von 20 bis 30 Prozent kann nur über lange Zeiträume gelingen, indem man auf Inflation verzichtet, während die Handelspartner teurer werden.

Eine Abwertung mit Austritt aus der Währungsunion wäre auf den ersten Blick auch nicht besser. Es gäbe sofort einen Bank Run, der die griechischen Banken ebenfalls in die Pleite treiben würde. Aber die Firmen der Realwirtschaft würden stabilisiert, weil sie sofort ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangten - und auch ihre Bankschulden abgewertet würden. Eine Massenarbeitslosigkeit würde vermieden. Das Land käme sehr schnell wieder auf die Beine. So turbulent der Austritt wäre, so schnell würden sich die Gemüter wieder beruhigen.

Die Entscheidung über den richtigen Weg kann allein Griechenland treffen. Wenn es aus dem Euro herauswollte, um sich zu sanieren - am besten mit der Option, später wieder zurückzukehren - sollte man ihm diesen Weg eröffnen. In jedem Fall müssen die griechischen Banken gestützt werden.

Wer noch glaubt, mit Beschwichtigungen durchzukommen, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Er verunsichert die Märkte noch mehr, weil ihm ohnehin keiner mehr glaubt. Nur beherzte Maßnahmen können den Euro retten.

Es hat keinen Sinn, das Füllhorn erst aufzumachen und den Geldempfängern dann mit erhobenem Zeigefinger zu sagen, sie dürften das Geld eigentlich gar nicht nehmen. Damit macht man sich nur unbeliebt. Richtig wäre es, das Geld von vornherein knapp zu halten und zu klären, wer wann wie viel erhält. In diesem Rahmen hätten die Länder dann Handlungsfreiheit. Das Ifo-Institut hat einen Vorschlag entwickelt. Die Bundesregierung muss jetzt liefern - wir brauchen einen Krisenmechanismus, der keinen Zweifel am Ablauf des Verfahrens lässt.

Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Institutes München