Die Wirtschaft läuft im Moment weltweit prächtig - die einzige Gefahr für die Konjunktur geht vom Protektionismus in den USA aus. "Erste Versuche der Handelsbeschränkungen und der Kontrolle durch die Vereinigten Staaten sind - etwa am Beispiel der Pipeline Nordstream - deutlich sichtbar", sagte Hans-Werner Sinn gestern Abend in Weimar.
Der ehemalige Chef des Wirtschafts-Institutes in München (Ifo) erinnerte die 700 Gäste des gemeinsamen Jahresempfangs der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer Erfurt im Kongresszentrum "Neue Weimarhalle" daran, dass die USA derzeit der wichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft sind. Der Wirtschaftswissenschaftler ging in seiner Festrede auch auf die anstehenden Brexit-Verhandlungen ein. Die Europäische Union ist seiner Meinung nach gut beraten, nett mit den Briten umzugehen. "Andernfalls machen wir uns den eigenen Exportmarkt kaputt", verwies Sinn darauf, dass das Vereinigte Königreich derzeit den dritten Platz in der Exportstatistik einnimmt. Kritik übte Sinn an der Europäischen Kommission, die es erneut zulasse, dass die eigenen Regeln gebrochen werden. Die Kommission erlaube beispielsweise den Ländern in Südeuropa eine weit höhere Verschuldung, als es die Euro-Kriterien zulassen. Das sorge zwar für eine höhere Binnenkonjunktur in diesen Euro-Ländern, schwäche aber deren Wirtschaft in der Wettbewerbsfähigkeit weiter.
Vom anhaltenden Konjunkturhoch profitiere auch die Thüringer Wirtschaft, bestätigte der Präsident der Erfurter Handwerkskammer, Stefan Lobenstein. "Die Lage ist gut, die Stimmung ebenso", sagte Lobenstein in seiner Begrüßung der Gäste. Von der Politik erwarte man eine Aufwertung der beruflichen Bildung. Das System der dualen Ausbildung in Deutschland sei der beste Garant gegen Jugendarbeitslosigkeit, sagte Lobenstein. Er bekräftigte die Forderung der Unternehmer nach einem Abbau der Bürokratie. "Die Regelungswut nimmt überhand und bindet Ressourcen in den Unternehmen", so Lobenstein mit Verweis auf das Thüringer Klimagesetz.
Auf die brisante Fachkräftesituation wies IHK-Präsident Dieter Bauhaus hin: "Bis 2025 rechnen wir im Freistaat mit einem Fachkräftebedarf von 280 000 Menschen". Die Deckung des Personalbedarfs werde daher zur Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit Thüringens. Als erfreulich bezeichnete Bauhaus die Tatsache, dass der Thüringer Arbeitsmarkt im ersten Halbjahr 2017 von Rekord zu Rekord eilte. "Die Arbeitslosenquote liegt bereits unter sechs Prozent", so Bauhaus.
Traditionell nutzten die beiden Erfurter Kammern den Jahresempfang dazu, Unternehmer für ihr Engagement zu ehren. Die Ehrennadel der IHK erhielten Hannelore Neher vom Hotel am Tierpark Gotha und Christian Lohmann von der Toskanawelt Bad Sulza. Die Ehrennadeln der Handwerkskammer ging an Jürgen Kratzer aus dem Eichsfeld und an Holger Prüfer aus dem Weimarer Land.
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