„Wenn Sie die Worte aus Frankreich nicht verstehen, denken Sie daran, dass Frankreich Sie liebt.“ Es sind klare Worte gewesen, die Frankreichs Präsident Emmanuel bei seiner historischen Rede zum Volkstrauertag im Bundestag gehalten hat. Er macht deutlich: Kein Blatt passt zwischen die Beziehung Frankreichs mit Deutschland.
Mit einem gemeinsamen Vorschlag gehen die beiden Länder nun vorweg und präsentieren damit ihre Einigkeit. Die Rede ist vom Eurozonen-Budget. Deutschland und Frankreich hatten sich vergangene Woche auf einen Vorschlag für ein gemeinsames Budget der 19 Euro-Staaten innerhalb des EU-Haushalts verständigt. Das Eurozonen-Budget ist ein Wunschprojekt des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und soll ab 2021 kommen. Damit sollen wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Euro-Staaten verringert und Krisen besser vorgebeugt werden, heißt es.
Ökonom Sinn: Mit Eurozonen-Budget will „man die maßgeblichen Bevölkerungsgruppen bestechen, den Euro nicht zu verlassen“
Gegenüber Business Insider kritisiert Ökonom Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut diesen Plan deutlich: „Man kann durch Finanztransfers zwar den Lebensstandard der Bevölkerung der betroffenen Länder heben, doch kann man die dortige Wirtschaft nicht voranbringen“, betont er. „Der Grund für die Transfers ist nicht, dass man Länder wettbewerbsfähig mache möchte, sondern dass man die maßgeblichen Bevölkerungsgruppen bestechen möchte, den Euro nicht zu verlassen“, so Sinn weiter.
Auch Stefan Kooths, Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), steht dem Vorschlag eines Eurozonen-Budgetskritisch gegenüber. „Es bringt mehr Konflikte in den Währungsraum und auch in die EU, als dass es Lösungen bringt. Die Spaltung zwischen Geberländern wie Deutschland oder Frankreich und Empfängern wie Italien würde sich dadurch noch weiter verstärken, weil die Schuldner sich durch neue Regeln noch stärker bevormundet fühlen werden“, sagt er gegenüber Business Insider.
Positiv bewertet die Pläne hingegen Kristina van Deuverden, Finanzexpertin am Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. „Spätestens nach der Finanzkrise haben die weiteren Entwicklungen deutlich gezeigt, dass für eine krisenfeste und funktionierende Währungsunion ein gewisser wirtschaftlicher Gleichlauf in den Mitgliedsländern notwendig ist“, sagt sie gegenüber Business Insider. Das derzeitige europäische Instrumentarium erreiche dies noch nicht. „Mittel, die gezielt dafür eingesetzt werden, die wirtschaftliche Entwicklung einander anzunähern, können helfen“, so van Deuverden weiter.
IfW-Konjunkturchef Kooths: Staaten in Europa sollen souverän handeln können
Doch dabei kommt es auch auf die Höhe eines Budgets an. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte laut der Deutschen Presse-Agentur einen Betrag in Höhe von 20 bis 25 Milliarden Euro als „guten Ausgangspunkt“ bezeichnet. Frankreichs Präsident Macron hatte eigentlich ein Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro vorgesehen. „Viel kann mit dem Volumen wohl nicht angestoßen werden. Es darf aber auch nicht allein darum gehen, mehr und mehr Geld auszugeben, sondern das Geld in solche Verwendungen fließen zu lassen, die geeignet sind, Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung abzubauen“, fordert DIW-Expertin van Dreuverden.
„Je kleiner sie sind, desto besser ist es für die Wettbewerbsfähigkeit der Empfängerländer“, sagt Ökonom Hans-Werner Sinn. Er hält die zusätzlichen Gelder ohnehin für kontraproduktiv für die Wirtschaft der einzelnen Länder und weist darauf hin, „dass die Gläubiger der Geberländer sich freuen, wenn die Steuerzahler dieser Länder ihre Schuldner wieder zahlungsfähig machen.“ Ein anderer Nebenaspekt sei, „dass die Exporteure der Geberländer es als attraktives Geschäftsmodell empfinden, wenn die heimischen Steuerzahler den Empfängern das Geld zum Kauf der Importware geben“, so Sinn.
Geld erhalten sollen aber nur die Länder, die sich an EU-Regeln halten — beispielsweise an Fiskalregeln. Doch auch darin sieht IfW-Experte Kooths ein Problem: „Frankreich möchte gern von oben herab vorgeben, wie EU-weite Regeln aussehen sollen, damit Länder das Geld aus dem Budget erhalten. Dabei ist es auch im Interesse ganz Europas, dass die einzelnen Staaten souverän handeln. Nur so können Regierungen von guten oder auch schlechten Entscheidungen von Nachbarländern lernen und Rückschlüsse auf die eigene Politik ziehen.“
Experte Sinn: Eurozonen-Budget sind „eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfängerländer“
Ohnehin hält Stefan Kooths nicht viel davon, Reformwillen von Ländern mit Geld zu belohnen. „Das ist das falsche Zeichen für die Rechtsstaatlichkeit Europas. Halten sich Länder beispielsweise nicht an Menschenrechtsregeln, so sollte ihnen nicht das Geld gekürzt werden, sondern der Europäische Gerichtshof sollte über Maßnahmen entscheiden, die wegen des Regelbruchs angemessen sind“, fordert er. Regeln befolgen oder Reformen anzustoßen, nur weil ein Land dafür monetäre Vorteile erhält, würde nicht weiterhelfen. „Dafür muss das Land die Notwendigkeit dieser Maßnahmen erkennen und sie deshalb umsetzen“, sagt Kooths.
Dass Maßnahmen für ein starkes Europa durchaus sinnvoll sind, weiß auch Hans-Werner Sinn — doch ein Eurozonen-Budget hält er für den falschen Weg. Er sieht darin eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der Empfängerländer. „So etwas kann sich Europa angesichts des zunehmenden internationalen Konkurrenzdrucks nicht mehr leisten. Wir müssen Europa stärken statt schwächen, weil nur ein starkes Europa sich wird weltweit behaupten können.“
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