In der Nacht vom 26. auf den 27. November 2012 einigten sich die internationalen Geldgeber der Eurostaaten und des Internationalen Währungsfonds mit Griechenland auf ein Maßnahmenbündel, um die Schuldenlast des Krisenlandes zu vermindern. Die Maßnahmen standen heute zur Abstimmung im Deutschen Bundestag an.
Im Einzelnen wurden die folgenden Maßnahmen beschlossen:
* Ein Schuldenrückkaufprogramm: Griechenland soll eigene Anleihen, die derzeit weit unter dem Ausgabekurs gehandelt werden, zurückkaufen. Es wird damit gerechnet, dass mit einem von der EFSF vorgestreckten Darlehen in Höhe von 10 Milliarden Euro Staatsanleihen im Nennwert von 30 Milliarden Euro erworben werden können. Damit ließe sich der Schuldenstand um 20 Milliarden Euro senken.
* Die anderen Eurostaaten (mit Ausnahme von Irland und Portugal, die selbst mit einem internationalen Hilfsprogramm unterstützt werden) überweisen die Buchgewinne der Zentralbanken, die entstanden, weil die Sekundärmarktkäufe von Staatspapieren seitens der EZB die Marktkurse dieser Papiere erhöhten, auf ein griechisches Sonderkonto. Die Summe dürfte sich bis zur Fälligkeit der letzten Anleihe auf rund 10 Milliarden Euro belaufen.
* Die Zinsen für die bilateralen Kredite der Euroländer (wieder ohne Irland und Portugal) aus dem ersten Hilfsprogramm werden um einen Prozentpunkt abgesenkt. Damit verzichten diese Länder auf jährliche Einnahmen in Höhe von 0,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig wurde die Kreditlaufzeit um 15 Jahre bis 2041 verlängert. Der Barwert - errechnet mit einem Abzinsungsfaktor (approximativ in Höhe des Zinssatzes auf zehnjährige deutsche Staatsanleihen) von 1,5% - der Griechenland erlassenen Zahlungen beträgt 12 Milliarden Euro.
* Eine Absenkung der Gebühren auf die EFSF-Kredite um 0,1 Prozentpunkte. Bei bisher ausgegebenen Krediten in Höhe von 74 Milliarden Euro bedeutet das eine Ersparnis von knapp 0,1 Milliarden Euro pro Jahr. Sofern sich die Gebührenermäßigung auch auf die künftigen Tranchen des Programms bezieht, liegt der Barwert der bis 2042 eingesparten Summe bei gut 3 Milliarden Euro. Die Laufzeit der EFSF-Kredite betrug bisher in der Regel 15 Jahre, die Verlängerung um nochmals 15 Jahre bedeutet für den Großteil der Darlehenstranchen eine Laufzeit bis zum Jahr 2042.
* Eine Verlängerung der Laufzeit der bilateralen und der EFSF-Kredite um 15 Jahre und eine Stundung der Zinsen auf EFSF-Kredite für 10 Jahre. Unter der Annahme, dass der Zinssatz bei 2,5% liegt1, bringt die Zinsstundung Griechenland eine Ersparnis von jährlich knapp 2 Milliarden Euro für die bereits ausgezahlten EFSF-Kredite. Werden die weiteren geplanten Kredittranchen bis 2014 in die Rechnung einbezogen, so beläuft sich der Barwert der Zinsstundung auf 32 Milliarden Euro.
Tabelle 1 (siehe PDF) gibt einen Überblick über die Summe der neu beschlossenen Hilfen und den deutschen Anteil daran. Sie messen den Wert des impliziten Schuldenschnitts, der Griechenland gewährt wurde. Anders ausgedrückt: Die ausgewiesenen Barwerte messen die implizite Staatsschuld, die bei den Helferländern zusätzlich entsteht, bzw. jene Senkung der offen ausgewiesenen Staatsschulden, die heute nötig wäre, wollte man die Summe der zukünftigen Belastungen aus der offenen Staatsschuld und den neu vereinbarten Hilfen im Zeitablauf konstant halten. Summiert man die Barwerte der Zins- und Gebührensenkungen sowie der Stundungen, ergibt sich für den impliziten Schuldenschnitt zu Lasten öffentlicher Gläubiger, der Griechenland nun gewährt wurde, ein Betrag von rund 47 Milliarden Euro. Daran ist Deutschland zu knapp 14 Milliarden Euro beteiligt. Um 14 Milliarden Euro stiege also das deutsche Haushaltsdefizit des Jahres 2012 wegen der neu beschlossenen Griechenland-Hilfen, wenn man dieses Defizit versicherungsmathematisch korrekt berechnen würde.
Die neuen Hilfsbeschlüsse bedeuten einen impliziten Schuldenerlass für Griechenland, der zu dem schon im Frühjahr beschlossenen Schuldenschnitt für Griechenland in Höhe von 66 Milliarden Euro hinzu tritt, der private Gläubiger traf. Zusammen haben beide Schuldenschnitte etwa ein Volumen von 113 Milliarden Euro. Die nominellen Kredite, deren Rückzahlungslasten durch den neuen impliziten Schuldenschnitt reduziert werden, zeigt Tabelle 2 (siehe PDF).
Die Tabelle verdeutlicht, dass Griechenland bislang insgesamt für 414 Milliarden Euro öffentliche Kredite erhalten hat. Das sind 199% des BIP des Jahres 2011. Diese Kredite unterlagen zu 59% (246 Milliarden Euro) der Entscheidung der Parlamente der Eurozone und 41% (168 Mrd. Euro) der Kontrolle des EZB-Rates. (Vgl. dazu H.-W. Sinn, Die Target-Falle, Hanser, München 2012, Kapitel 9.)