Beitragstext:
– Einigkeit der Kandidaten bei Soli-Abschaffung und bei Erhalt von Hartz IV
– Uneins bei Flüchtlingen, Einwanderung und Rente
– Wenig Begeisterung für Mindestlohn
– Experte über Merz: Er wird Schwache weiter benachteiligen
Jens Spahn ist jung und Bundesminister.
Friedrich Merz hat Wirtschaftserfahrung.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat hohe Beliebtheitswerte und war Ministerpräsidentin.
Acht Mal sind sie gegeneinander angetreten. Für die CDU etwas völlig Neues. Noch nie wurde ausgefochten, ob der Wirtschaftsflügel stärker ist als die Sozialverbände. Oder ob die kulturell Konservativen gegen die Fortschrittlichen obsiegen, also keine Fehler machen, zunächst mal nur vorsichtig zustechen. Entschlossenheit zeigen, aber auch Integrationsvermögen. Bei zwei Themen sind sie sich aber durchgängig einig. Erstens: Der Soli soll weg. Davon profitieren vor allem Gutverdiener. Und zweitens: Hartz-IV soll möglichst bleiben wie es ist.
Jens Spahn: "Wer arbeiten kann und sich einbringen kann, der ist auch gefordert, dies zu tun."
Annegret Kramp-Karrenbauer: "Und das Fordern und Fördern ist unser Leitprinzip nicht nur bei Hartz IV."
Friedrich Merz: "Der Grundsatz, dass derjenige, der aus den öffentlichen Kassen eine Leistung bezieht, begründen muss, warum er sie bezieht und nicht ohne Anlass und ohne jeden Grund bekommt, bei diesem Grundsatz muss es bleiben."
Dissens bei Flüchtlingen, Einwanderung und Rente
Für die finanziell Schwächsten ist da wenig zu erwarten. Doch es gibt beim Kampf der Drei auch Unterschiede. Beim Umgang mit Flüchtlingen und Einwanderung oder beim Thema Rente.
Merz setzt auf Aktien fürs Alter, AKK will erst noch darüber nachdenken. Und Spahn will alle noch länger arbeiten lassen. Sein persönlicher Blick in die Zukunft: "Und wenn wir sechs Stunden jeden Tag länger leben, dann werden wir mal ein halbes Stündchen davon arbeiten müssen, um den Rest zu finanzieren."
Annegret Kramp-Karrenbauer: "Viele erwarten gerade mit Blick auf die gesetzliche Rentenversicherung, dass das ihren Lebensstandard absichert, und wir müssen so ehrlich sein, dass das das System nicht mehr hergeben wird."
Friedrich Merz: "Wir haben eine viel zu geringe Ausstattung der betrieblichen und privaten Altersversorgung mit kapitalgedeckten Systemen."
Merkel und der neoliberaler Kurs von Merz
Die Kandidatur von Friedrich Merz hat viele kalt erwischt, auch die Kanzlerin. Friedrich Merz: "Ich bin der festen Überzeugung, dass Angela Merkel und ich miteinander unter diesen veränderten Bedingungen miteinander auskommen und klarkommen werden."
Tatsächlich? Mit seinem neoliberalen Kurs war Merz seinerzeit an Merkel gescheitert. Bierdeckel-Steuererklärungen und mehr Kapitalismus wagen, das wollte sie nicht mitmachen. Und nun?
Experte über Merz: Er wird Schwache benachteiligen
Wir fragen zwei Experten, die rein optisch fast Brüder sein könnten. Aber wirtschaftspolitisch kommen Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Paritätischer Wohlfahrtverband, zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen. Zum Beispiel bei der Steuerpolitik.
Prof. Hans-Werner Sinn: "Diese vielen Schlupflöcher, die wir heute haben, die sind ja gar nicht mehr kontrollierbar. Da haben sich irgendwelche Interessengruppen wieder irgendwelche Vorteile herausgeholt, indem sie da steuerliche Abzugsmöglichkeiten eingeführt haben in das Steuersystem. Dieser ganze Sumpf muss beseitigt werden, und ich kann mir vorstellen, dass Friedrich Merz jemand wäre, der dies aktiv betreibt."
Ulrich Schneider: “Unsere Befürchtung, wenn Herr Merz das Rennen macht, ist die, dass bei steuerpolitischen Fragen tatsächlich noch mehr Umverteilung von unten nach oben einsetzt. Seine Kontakte in beide Welten machen Friedrich Merz so wertvoll. Auch für den Billionen-Vermögensverwalter Black Rock. Aktien fürs Alter und dafür Steuernachlässe fordern. So was kommt dort gut an.
Wohnungsbau: Keine Aufgabe des Staates?
Eine so eine bunte Vita hat die Generalsekretärin nicht vorzuweisen. Aber auch mit ihr oder Jens Spahn wird es für den Koalitionspartner SPD nicht einfacher. Einige stark umstrittene Themen wie der soziale Wohnungsbau haben beim Schaulaufen kaum eine Rolle gespielt. Prof. Hans-Werner Sinn: "Wohnungsbau ist ja nun nicht Aufgabe des Staates. Wo kommen wir da hin?"
Ulrich Schneider: "Der Bau bezahlbarer Wohnungen – da brauchen wir Hunderttausende. Darauf kommt es an und nicht auf irgendwelche Steuerprivilegien, die man da dem Wohnungsbau gewähren will."
Mindestlohn – weniger ist mehr?
Was ist in der Arbeitsmarktpolitik zu erwarten? Wir hatten allen drei Kandidaten einen Fragebogen mit konkreten Streitpunkten zukommen lassen. Keiner hat ihn beantwortet. Aber die Experten haben eine Einschätzung.
Ulrich Schneider: "Ich glaube, für Herrn Merz sind alle diese Dinge, wie Mindestlohn, ein Dorn im Auge. Er ist nun mal wirtschaftsliberal. Herr Spahn hat sich dazu bisher nicht verhalten, aber ich denke, bei jemandem, der der Ansicht ist, dass man mit Hartz IV gut über den Monat kommt, wird auch ein Mindestlohn von etwas über neun Euro ausreichend sein und bei Frau Kramp-Karrenbauer ist dies einfach nicht auf der Agenda.“
Hans-Werner Sinn: "Man kann Sozialpolitik über Mindestlöhne machen. Man kann Sozialpolitik aber auch über Lohnzuschüsse machen, die den Lohn erhöhen. Dieses Element kann man verstärken und verbessern, die Hinzuverdienstmöglichkeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass die CDU-Kandidaten lieber in diese Richtung gehen."
Wer bringt Schwung in Modernisierung Deutschlands?
Einig sind sich die Kandidaten darin, dass Deutschland bei der Modernisierung künftig deutlich härter ins Gefecht ziehen muss. Wer bringt da den meisten Schwung auf die Matte?
Ulrich Schneider: "Außerordentlich schwungvoll wirken auf mich in dieser Hinsicht Herr Spahn und Frau Kramp-Karrenbauer. Es sind dynamische Figuren." Prof. Hans-Werner Sinn: "Ich denke, die Leute wollen eine Änderung. Sie wollen keine Wiederholung von Merkel, Demografie, Trump, Brexit, Italien, Euro-System. Da braucht man jemanden, der gut verhandeln kann für Deutschland und der das berufsmäßig macht, einen absoluten Profi und das ist glaube ich Friedrich Merz."
Drei Kandidaten, viele ähnliche Ansätze, aber im Detail und stilistisch durchaus unterscheidbar. Mal mit dem Degen, mal mit dem Säbel. Nur einer – oder eine – kann am Ende gewinnen. Und muss dann die Basis wieder zusammenführen. Am Freitag geht es in die letzte Runde. Aber der eigentliche Kampf um die Macht beginnt erst danach.
Ein Beitrag von Lars Ohlinger
Quelle: www.daserste.de