Sie liegt in der Luft- die nächste Mehrwertsteuererhöhung. Bislang dementiert die Bonner Regierung zwar das Anheben der Verbrauchssteuer, doch angesichts der akuten Geldknappheit in den öffentlichen Kassen bleibt das Thema hochaktuell.
Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo Institutes für Wirtschaftsforschung fordert die große Steuerreform. Die damit drohenden Steuerausfälle von 50 Milliarden DM sollen seiner Meinung nach durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um ein bis zwei Prozentpunkte ausgeglichen werden.
Als "Gift für die Konjunktur" lehnt dagegen Volker Jakohitzdas Drehen an der Mehrwertsteuerschraube ab. Der Vizepräsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE Köln) befürchtet, daß die Einzelhändler die zusätzliche Belastung nicht verkraften können. Zudem sei es ungerecht, Familien, die einen Großteil ihres Einkommens für Konsum einsetzten, noch mehr zur Kasse zu bitten.
Letzter Schritt zur großen Reform
Die Regierung steht vor dem Problem einer großen Steuerreform. Zum einen ist eine Unternehmenssteuerreform mit einer deutlichen Entlastung durchzuführen. Nur so kann der Standort Deutschland für Investitionen wieder interessant gemacht werden. Zum anderen hat das Verfassungsgericht die Benachteiligung der Familien in der Vergangenheit durch die Einkommensbesteuerung kritisiert und zumindest für die Zukunft eine Verbesserung gefordert.
Je nach Umfang der Unternehmenssteuerreform und nach Ausgestaltung der Familienentlastung sind insgesamt Steuerausfälle von mindestens 50 Milliarden DM zu erwarten. Diese Beiträge sollen freilich nicht einfach durch Steuererhöhungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Vielmehr haben Sparmaßnahmen Vorrang, sei es im Bereich der Unternehmenssubventionen oder der Sozialtransfers. Der Staat kann nicht mehr wie in der Vergangenheit alle Risiken gesamtwirtschaftlicher oder individueller Art großzügig absichern. Außerdem ist eine konsequente Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vorzunehmen, dies aber auch bei den Arbeitnehmern.
Hier liegen Vorschläge aus der Wissenschaft auf dem Tisch, die über das derzeitige Konzept der Regierung weit hinausgehen. So können bei den Arbeitnehmern zum Beispiel die Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale umgewandelt und die Sonn- und Feiertagszuschläge normal steuerpflichtig gemacht werden. Die Alterseinkommen müssen ebenfalls steuerlich stärker erfaßt werden, denn sie werden derzeit im Vergleich zu den Aktiveneinkommen begünstigt. Das gilt insbesondere für die Sozialversicherungsrenten, aber auch für die Pensionen. Erst nach Durchführung all dieser Maßnahmen kann - als letzter Schritt - an eine gewisse Anhebung der Mehrwertsteuer gedacht werden. Dabei könnte je nach Umfang der Nettoentlastung bei den Unternehmen eine Erhöhung um ein bis zwei Prozentpunkte vorgenommen werden. Der Vorwurf, daß eine Erhöhung der Mehrwertsteuer unsozial sei, trifft dabei nicht zu. Nur die Mehrwertsteuer belastet den Rentier, der von der Auflösung früherer Ersparnisse lebt. Eine Einkommenssteuer erfaßt gerade viele Reiche nicht und ist deshalb nicht sonderlich sozial. Wer will, daß sich auch die Generation der Rentner an der Finanzierung der Deutschen Einheit beteiligt, kann sein Ziel besonders elegant durch eine Mehrwertsteuererhöhung erreichen.