PRO: Verbot von Leerverkäufen

Ein Spekulant verkauft Papiere, die er nicht besitzt. Das ist jetzt nicht mehr erlaubt. Gut so?
Autor/en
Hans-Werner Sinn
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.05.2010, Nr. 20 , S. 38

Eines vorweg: Einseitige Eingriffe in das Marktgeschehen machen wenig Sinn, weil das Geschäft dann woanders stattfindet. Diese Einschränkung muss man machen zur Entscheidung der Bundesregierung. Das Verbot ist nur gerechtfertigt, wenn nun die anderen EU-Länder und möglichst auch Amerika folgen. Dann ist ein Verbot von Leerverkäufen sehr sinnvoll, denn zu viel Schindluder wurde damit schon getrieben. Sie haben geholfen, Lehman Brothers kaputtzumachen, und mit Leerverkäufen hat George Soros das britische Pfund aus der Währungsschlange herauskatapultiert, mit der Folge, dass die Engländer den Euro nicht einführen konnten.

Ein Leerverkauf ist eine Spekulation auf einen fallenden Kurs. Man leiht sich sehr viele Wertpapiere, verkauft sie, drückt den Kurs, ruft einen Herdeneffekt hervor, was den Kurs weiter fallen lässt, und kauft dann die Papiere billig zurück, um sie dem Verleiher mit einer Prämie zurückzugeben. Eine Spekulation auf fallende Kurse ist an sich nicht problematisch. Auch jemand, der ein Wertpapier per Termin verkauft, spekuliert auf fallende Kurse. Er verpflichtet sich heute, das Wertpapier an einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vorher vereinbarten Kurs zu verkaufen. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, kauft er das Wertpapier an der Börse, um seine Terminverpflichtung erfüllen zu können. Auch er gewinnt nur dann, wenn der zukünftige Börsenkurs (der Kassakurs) unter dem vorher vereinbarten Terminkurs liegt.

Der Unterschied beim Leerverkauf ist jedoch, dass man die Kurssenkung selbst herbeiführt, weil man mehr Wertpapiere auf den Markt werfen kann, als man selbst besitzt. Man leiht sich die Wertpapiere von Teilnehmern, die selbst nicht spekulieren wollen, um sie auf einen Schlag zu verkaufen, oder, noch extremer: Man verkauft Wertpapiere, die man noch nicht hat (nackte Leerverkäufe), und kauft wirkliche Wertpapiere nach dem selbst induzierten Kursverfall, um die Lieferverpflichtung erfüllen zu können.

Terminverkäufer, die Gewinne erzeugen, stabilisieren die Börsenkurse. Wenn viele Käufer Aktien per Termin verkaufen und diese Aktien zu einem niedrigeren Kassakurs kaufen, treiben sie den Kassakurs gegen den Terminkurs. Sie machen sich durch ihre Aktivität das eigene Geschäft kaputt. Aber sie erweisen dem Markt einen Dienst: Je mehr erfolgreiche Spekulanten in Termingeschäften sind, desto stabiler ist die Börse.

Anders ist es bei Leerverkäufern. Zwar treiben auch sie den Börsenkurs zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Wertpapiere kaufen, nach oben. Doch zunächst drücken sie den Kurs durch den Verkauf der geliehenen oder noch gar nicht in Besitz befindlichen Papiere. Es entsteht eine Abwärts- und Aufwärtsbewegung bei den Kursen, die es ohne die Leerverkäufe nicht gegeben hätte. Insofern destabilisieren Leerverkäufe den Markt.

Damit Leerverkäufe dem Spekulanten einen Vorteil gegenüber dem Terminverkauf bieten, müssen sie in solch riesigem Umfang getätigt werden, dass sie selbst den Marktpreis bewegen. Ist das nicht der Fall, gleichen sie in ihren Wirkungen den Terminverkäufen. Dieser Aspekt wirft ein problematisches Licht auf die Leerverkäufe, denn offenbar hängt ihre Vorteilhaftigkeit von Marktmacht ab. Wann immer Gewinne aus Marktmacht resultieren, sind sie ein Zeichen für Marktfehler. Insofern ist ein Verbot von Leerverkäufen ein Vorteil für die Volkswirtschaft. Die Gewinne, die aus Marktmacht und künstlich herbeigeführten Preisschwankungen resultieren, werden eliminiert, und die Marktteilnehmer wenden sich der Terminspekulation zu.Leerverkäufer sind schädlich. Sie nutzen ihre große Marktmacht, um Kurse nach unten zu drücken.