„Kein Zweifel: Deutschland erlebt derzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der ifo Index ist seit Sommer 2005 beständig gestiegen und hat einsame Höhen erreicht. Das Problem ist nur, dass es sich hierbei um einen Aufschwung konjunktureller Art handelt und dieser keine strukturelle Trendwende darstellt", betonte der Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Um Deutschlands Position als führende Wirtschaftsnation zu retten, bedürfe es grundlegender Reformen der institutionellen Verhältnisse.
Notwendige Reformen müssten sich auf den Arbeitsmarkt konzentrieren, denn Arbeit sei die Quelle des Wohlstands und die Kosten der Arbeit die einzigen relevanten Standorfkosten im internationalen Wettbewerb, erklärte Sinn. Ein flexibler Arbeitsmarkt, auf dem der Lohn durch Angebot und Nachfrage gebildet wird, werde zu niedrigeren Stundenlohnkosten führen. „Am einfachsten wird dies erreicht, wenn die Arbeitszeit verlängert wird", so der ifo-Präsident. Bei gleichem Monatslohn müsse die Arbeitszeit um 10 Prozent steigen, wenn man die Arbeitskosten je Stunde um 10 Prozent senken wollte. Das hieße, „die wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden auf 42 Stunden zu erhöhen". „Die dadurch entstehende Produktivitätssteigerung wird zwangsläufig zu mehr Arbeitsplätzen führen", zeigte sich der Ökonom überzeugt.
Neben der Forderung, die Abgabenlast zu reduzieren („Der Staat schöpft zu viel für seine Zwecke ab"), sprach sich der Präsident für die Stärkung der betrieblichen Tarifautonomie aus.
Auch in punkto Kündigungsschutz sieht er Handlungsbedarf: Dieser habe für die deutschen Arbeitnehmer die Arbeitsplatzsicherheit verringert, weil er die Arbeitslosigkeit vergrößert habe. Abgesehen von einem Bestandsschutz für bestehende Arbeitsverhältnisse plädierte Sinn bei Neuverträgen für die „radikale Abschaffung" des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Das neue System werde die Unternehmen ermuntern, mehr Einstellungen zu wagen, weil sie flexibler auf unerwartete Änderungen der Absatzlage reagieren könnten.
Als Hauptgrund für die hohe Arbeitslosigkeit hierzulande benannte Sinn das „Lohnersatzsystem des Sozialstaates". Der Lohnersatz in Form des Arbeitslosengelds n sei „ein Jobkiller par excellence" und demzufolge als soziales Versuchsmodell gescheitert. Er mache den Staat zu einem Konkurrenten der privaten Wirtschaft, „der Löhne für das Nichtstun anbietet, die von der privaten Wirtschaft überboten werden müssen".
Da der Sozialstaat so konstruiert sei, dass die Lohnskala von oben nach unten zusammengestaucht werde („Ziehharmonika-Effekt") weise Deutschland die geringste Lohnspreizung auf und sei Weltmeister bei der Arbeitslosigkeit der gering Qualifizierten. Eine Lösung dieses Problems sieht der ifo-Präsident in der „sukzessiven Umwandlung des Lohnersatzes in Lohnzuschüsse". Der Weg hierzu werde im Programm „Aktivierende Sozialhilfe" seines Instituts beschrieben. Danach wird das Arbeitslosengeld so modifiziert, dass 500 statt nur 100 Euro eigenen Verdienstes möglich sind. Um zusätzliche Lasten für den Staat zu vermeiden, wird der Regelsatz, den man im Falle der Nichtarbeit erhält, um ein Drittel gekürzt. Damit werde der Staat auf dem Arbeitsmarkt vom Konkurrenten zum Partner.
Für Menschen, die gleichwohl keinen Arbeitsplatz finden, ergebe sich die Möglichkeit, sich bei ihrer Kommune zu einem Lohn in Höhe des heutigen Regelsatzes in einem Leiharbeitsverhältnis beschäftigen zu lassen, bemerkte Sinn. Die Kommune verleihe die ihr anvertrauten Arbeitskräfte unter Zuhilfenahme von Zeitarbeitsfirmen, die bereits Erfahrung mit diesem Geschäft haben, zu einem frei aushandelbaren Honorarsatz an die private Wirtschaft. Dies vermeide Konkurrenz für das lokale Handwerk. Sinn: „Zum einen finden die Kunden der Schwarzarbeiter kein Angebot mehr, weil die ehemaligen Schwarzarbeiter nun acht Stunden am Tag der Gemeinde zur Verfügung stehen, zum anderen kann das Handwerk die entsprechenden Personen entleihen und bei sich beschäftigen."