Kein gutes Licht

US-Finanzminister Timothy Geithner will toxische Wertpapiere von Privatinvestoren und dem Staat aufkaufen lassen.Das aber lohnt sich nur für die Privaten, sagt Hans-Werner Sinn.
Autor/en
Hans-Werner Sinn
Wirtschaftswoche, 27.04.2009, Nr. 18, S. 42

An den Börsen gibt es ein Kursfeuerwerk, und neuer Enthusiasmus verbreitet sich an der Wall Street. Warum? Wegen des Rettungsplans von US-Finanzminister Timothy Geithner, eines Plans, von dem Finanzminister Peer Steinbrück bekundet, dass er sich ihm noch nicht erschließe. Hier der Versuch, das Wesen des Plans zu beschreiben: Private Investoren wie Hedgefonds und Pensionskassen sollen den Banken mit staatlicher Hilfe die toxischen Wertpapiere abkaufen, die die Bankbilanzen mit ihren Risiken belasten. Dazu geht der Staat mit diesen Investoren eine Partnerschaft ein, zu der er Eigenkapital und zusätzlich noch einen Kredit beisteuert. In diesem Kredit liegt die eigentliche Hilfe des Staates, denn er ist regressfrei und wird nur mit der erworbenen Forderung selbst besichert.

Am besten versteht man den Plan, wenn man sich vorstellt, dass der Staat zusammen mit privaten Investoren eine Vielzahl von GmbHs gründet, die, unterstützt durch zusätzliche Staatskredite, den Banken die toxischen Forderungen abkaufen. Jedenfalls haben die staatlich-privaten Partnerschaften, die gegründet werden sollen, ähnliche Haftungsstrukturen wie GmbHs. Der private Investor und der Staat beteiligen sich an der jeweiligen Partnerschaft zu gleichen Teilen mit Einlagen, die das Eigenkapital bilden. Die Partnerschaft kauft der Bank die problematischen Kreditforderungen ab und verwertet die Forderungen in der Zukunft. Für den Erwerb der Forderungen setzt die Partnerschaft ihr Eigenkapital und das vom Staat bereitgestellte und normal zu verzinsende Fremdkapital ein. Gewinne werden hälftig an beide Eigentümer ausgezahlt, Verluste zehren die Einlagen auf. Übersteigen die Verluste die Einlagen, so muss der Staat als Kreditgeber im entsprechenden Umfang auf die Rückzahlung seiner Kredite verzichten.

Ein exakt nach den Regeln des Plans konstruiertes Beispiel möge dies veranschaulichen: Eine Bank hält toxische Immobilienkreditforderungen, deren heutiger Marktwert bei 84 Dollar liegt, weil der Markt davon ausgeht, dass der Nominalwert der Forderungen in Höhe von 168 Dollar nur mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einzutreiben und mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit verloren ist. Diese Forderungen verkauft die Bank nun zum Marktwert an die staatlich-private Partnerschaft. Der private Investor und der Staat steuern je sechs Dollar Eigenkapital bei, und der Staat gibt noch einmal das Zwölffache seines Eigenkapitals als Kredit dazu, also 72 Dollar, macht zusammen 84 Dollar. Im günstigen Fall wächst das Eigenkapital beider Partner von 12 Dollar auf 96 Dollar (168 Dollar abzüglich der 72 Dollar für den Kredit), für jeden der Partner also von 6 Dollar auf 48 Dollar. Im ungünstigen Fall wird das Eigenkapital ganz aufgebraucht, und der staatliche Kredit kann nicht zurückgezahlt werden. Der private Investor kannbei einem Einsatz von sechs Euro nach Beendigung des Geschäfts nun ein mittleres Vermögen von 24 Dollar (0,5 x 48 + 0,5 x 0) erwarten, was bei einem Einsatz von sechs Dollar einer durchschnittlichen Rendite von 300 Prozent entspricht. Doch für den Staat sieht die Rechnung viel schlechter aus. Dem günstigen Fall, wenn auch er aus 6 Dollar Einsatz 48 Dollar Endvermögen macht, steht nämlich die Möglichkeit gegenüber, dass er nicht nur seinen Einsatz, sondern zusätzlich seine Kreditforderung verliert. In diesem Fall schrumpft das Eigenkapital des Staates von 6 Dollar auf minus 72 Dollar: Seine Einlage ist weg, und die Kreditforderung auch. Im Mittel kann der Staat somit davon ausgehen, dass aus seinem Eigenkapitaleinsatz von sechs Dollar ein Endvermögen von minus zwölf Dollar (0,5 x 48 - 0,5 x 72) wird, was einer Eigenkapitalrendite von minus 300 Prozent entspricht. Der private Investor kann also einen riesigen Gewinn erwarten. Und der Staat einen riesigen Verlust.

Kein Wunder, dass dieser Plan den Markt mobilisiert. Die privaten Investoren wären schön dumm, wenn sie solche Deals nicht mitmachten. Aber die geringe Mobilität des Marktes ist gar nicht das Hauptproblem, das es zu lösen gilt. Das liegt vielmehr, wie der Internationale Währungsfonds gerade mit neuen Zahlen belegt hat, in der dramatischen Unterkapitalisierung des Bankensystems. Gegen dieses Problem kann der Geithner-Plan nur insofern etwas ausrichten, als der Staat durch seine Beteiligung Geld verliert und dieses Geld tatsächlich den Banken zugute kommt. Dass der Staat Geld verlieren wird, ist aus den dargelegten Gründen wahrscheinlich. Indes wird sich nur ein Teil dieses Geldes in Form einer Preiserhöhung der toxischen Anlagen zeigen und damit die Eigenkapitalbasis der Banken verstärken. Ein erheblicher Teil wird bei den Pensionskassen und Hedgefonds verbleiben.

Das aber wirft kein gutes Licht auf den Geithner-Plan. Wenn es nämlich darum geht, die Solvenzkrise zu lösen, dann wären offene Geldgeschenke des Staates an die Banken sinnvoller - weil sie nicht Gefahr laufen, bei Hedgefonds und Pensionskassen zu versickern, sondern voll und ganz bei den Banken landen und deren Eigenkapitalbestand auffüllen.

Aber warum sollte der Staat überhaupt Geld verschenken? Fair wäre es, wenn er für die Mittel, die der Steuerzahler bereitstellt, im Austausch Aktien erhielte, also zum Miteigentümer an den Banken würde. Dann bestünde wenigstens die Aussicht auf Dividenden oder spätere Verkaufserlöse bei der Veräußerung dieser Aktien. So gesehen ist der Geithner-Plan eigentlich nur die drittbeste Politikoption zur Lösung der Solvenzkrise des amerikanischen Bankensystems. Fazit: Lassen Sie die Finger davon, Herr Steinbrück!

Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Ordinarius an der Ludwig-Maximilians-Universität in München