Die Kurse stürzen ab, die Anleger ärgern sich über Fehlprognosen, die Euro-Krise ist noch immer nicht beendet, und die Nerven liegen wieder blank. Da können auch schon mal seriöse Banker ihre Contenance verlieren.
Dabei hatte sich alles so gut angelassen. Die Ersparnisse der Deutschen hatte man jahrelang in Südeuropa angelegt, wo sie der Finanzierung maroder Staaten und windiger Immobilienprojekte dienten. Eigentlich wusste man ja um die Gefahren, aber da alle Banken so handelten, ging man davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Falle des Falles zu Hilfe kommen würde.
Und so kam es auch. Um die Anschlussfinanzierung für notleidende Finanzanlagen sicherzustellen, lieferte die EZB den Banken Südeuropas und Irlands für eine Billion Euro Sonderkredite gegen miserable Pfänder (Target) und gab privaten Investoren unbegrenzte Schutzversprechen (OMT). Auch viele französische, deutsche und britische Banken sowie amerikanische Investmentfonds wurden auf diese Weise mitgerettet.
ZU WENIG REFORMEN
Die neue Nervosität der Märkte und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den Krisenländern zeigt aber, dass diese Maßnahmen nur Strohfeuer entfachten. Preissenkende Reformen zur Korrektur der verheerenden Inflation, die der Euro in Südeuropa hervorgerufen hatte, fanden trotz oder wegen der Geldhilfen nicht statt. Die zaghaften Bemühungen in Spanien und Griechenland reichten nicht, und in Italien ist so gut wie nichts passiert. Kein Wunder, dass die Kapitalflucht aus Italien seit dem Sommer wieder in vollem Gange ist, ähnlich wie im Herbst 2011.
Nur Irland ist aus dem Schneider. Das Land geriet schon 2006 in die Krise, als es noch keine kollektiven Rettungsaktivitäten gab. Weil dem Land damals noch keiner half, schnallte es seinen Gürtel enger und half sich selbst.
So ist es eben. Öffentliches Geld senkt den Reformdruck und verlängert den Schlendrian. Dass es ein Land ermuntern könnte, schmerzliche Reformen durchzuführen, die große gesellschaftliche Gruppen belasten, ist der gefährliche Trugschluss, auf dem die Europa-Politik der vergangenen Jahre basierte.
Da die Medizin nicht half, will die EZB jetzt die Dosis erhöhen. So hat sie beschlossen, sogenannte ABS-Papiere zu kaufen, die Banken der "Programm-Länder" der Euro-Zone durch eine Bündelung ihrer Kreditforderungen zusammenschnüren dürfen. Dabei will sie ähnlich wie bei den Pfändern, die sie für die Kredite an die Banken entgegennahm, vor dem Kauf von Schrottpapieren nicht haltmachen. Die EZB will auch Papiere mit einem Rating unterhalb von BBB- erwerben - Papiere also, denen von den Ratingagenturen kein Investment Grade mehr zugebilligt wird.
Holger Schmieding meint, dabei würde der Steuerzahler ein gutes Geschäft machen, weil die EZB den Finanzministern Zinserträge auf Geld verschaffen könne, das sich umsonst herstellen lässt. Das Argument ist falsch. Zum einen würden private Anleger diese Papiere sicher gerne selbst kaufen, wenn sie tatsächlich solche Erträge liefern würden. Zum anderen handelt es sich bei den möglichen Zinserträgen nicht um Nettobeträge. Wie jeder private Investor steht auch die EZB vor einem Portfolio-Problem, bei dem es auf den Zinsvergleich zwischen verschiedenen Anlageformen ankommt. Wenn sie ein Inflationsziel anstrebt, steht die Geldmenge nicht mehr zur Disposition, sondern nur noch der Weg, auf dem diese Geldmenge als Kapital in die Wirtschaft fließt. Insofern hat der Steuerzahler nur dann etwas von den ABS-Käufen, wenn sie mehr Zinserträge liefern, als andere Anlagen des frisch gedruckten Geldes es täten.
Im Übrigen sticht das Argument der Deflationsgefahr, das Schmieding bemüht, nicht. Die EZB hat durch den Maastrichter Vertrag nicht, wie er meint, die Aufgabe bekommen, die Inflation auf zwei Prozent zu treiben, sondern bei null Prozent zu halten. Die "zwei Prozent" hat sie selbst hinzugedichtet. Derzeit liegt die Kerninflationsrate der Euro-Zone, bei der Einmaleffekte wie die Entwicklung von Energiepreisen herausgerechnet sind, recht stabil bei etwa 0,8 Prozent. Deshalb kann von einer Mandatsverletzung wegen einer Deflation und einem entsprechenden Handlungsdruck vorläufig nicht die Rede sein.
Das Deflationsargument ist vorgeschoben, weil der Maastrichter Vertrag der EZB nur das Mandat gegeben hat, für stabile Preise zu sorgen, nicht aber den Auftrag, Banken und Staaten zu retten. Um eine solche Rettung geht es bei der EZB-Politik aber nun schon jahrelang. Unter dem Deckmantel der Geldpolitik wird eine hemmungslose Bail-out-Politik betrieben, um bankrotte Staaten und Banken und mit ihnen die Vermögen der Anleger zu schützen, die sich verspekuliert haben, als sie ihnen ihr Geld liehen. Die Gefahr dabei ist nicht nur, dass sich die Kapitalvernichtung in den südeuropäischen Krisenländern noch sehr lange fortsetzt. Sondern auch, dass die Demokratie unter die Räder kommt.