Deutschland ist seit der Finanzkrise wieder auf einem guten Wachstumspfad. Warum? Weil das anlagesuchende Sparkapital sich nicht mehr ins Ausland traut, sondern zu Hause investiert wird. Dadurch wird in Deutschland ein Bau- und Investitionsboom erzeugt, der das Spiegelbild des spanischen Booms vor der Krise ist.
Das ifo Institut hat das wohl als erstes im Mai 2010 im Handelsblatt zum Ausdruck gebracht. An anderer Stelle haben wir schon damals von einem langfristig besseren Wachstumstrend gesprochen, auf dem sich Deutschland nun befindet. Dabei haben wir immer auch betont, dass sich dieser Trend zerstören lässt, wenn dem deutschen Sparkapital auf dem Wege über Rettungssysteme zu viel öffentlicher Geleitschutz beim Weg ins Ausland gegeben wird. Diese grundsätzlich positive Einschätzung wurde mit einigen Monaten Verzögerung von vielen Kommentatoren übernommen.
Die Tatsache, dass die deutsche Investitionsgüterindustrie in besonderer Weise vom Wachstum der Schwellenländer profitiert, war eine der Grundthesen meines Buches "Ist Deutschland noch zu retten?" aus dem Jahr 2003. Aber das alles steht nicht im Widerspruch zu der Aussage, dass wir uns heute konjunkturell im Abschwung befinden. Konjunktur und Trend sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Wachstumsprognosen können nie punktgenau stimmen. Deswegen veröffentlicht das Ifo-Institut ja auch stets das Prognoseintervall, von dem wir annehmen, dass die wirklichen Werte sich mit zwei Dritteln Wahrscheinlichkeit in diesem Intervall aufhalten werden.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute lagen mit ihren Vorhersagen gar nicht so schlecht. Zwar war die Prognose 2010 zu pessimistisch, weil wir die Dramatik des Nachkrisenaufschwungs unterschätzt hatten. Insgesamt aber war die Treffsicherheit in den letzten Jahrzehnten frappierend. Besser geht es nicht. Wer mehr erwartet, hat Illusionen über das, was Prognosen können.
Man bedenke, dass wir ja die Wachstumsraten und damit die (logarithmische) Ableitung des Zeitpfades des Bruttoinlandsprodukts (BIP), nicht aber das BIP selbst prognostizieren. Keine Temperaturprognose für den nächsten Tag kann da mithalten. Müssten die TV-Wetterfrösche die prozentuale Änderung statt des Niveaus der Temperatur prognostizieren, kämen sie zu schlechteren Ergebnissen als die Wirtschaftsforschungsinstitute.
Die ersten Zahlen des Statistischen Bundesamtes, mit denen man unsere Prognosen bisweilen vergleicht, sind übrigens auch nur Hochrechnungen aus einem Bruchteil der Wirtschaft. Sie werden in aller Regel im Laufe der Jahre mehrfach revidiert, zum Teil erheblich. Dabei kann, wie Jan-Egbert Sturm vom schweizerischen Konjunkturforschungsinstitut KOF festgestellt hat, die Richtung der Revision mit Hilfe des ifo Indexes treffsicher prognostiziert werden. Der Ifo-Index ist das Ergebnis einer Befragung von 7 000 Managern der gewerblichen Wirtschaft. Er kommt wesentlich früher als die amtliche Statistik, reicht allerdings nicht so weit wie die Prognosen. Er hat uns bislang noch nie getäuscht. Insbesondere hat der ifo Index den Einbruch der Wirtschaft im Jahr 2008 und den rapiden Aufschwung im Jahr 2010 richtig und frühzeitig prognostiziert.
Der Autor ist Präsident des ifo Instituts in München.