Der vorläufig beigelegte Streit um die amerikanische Schuldenobergrenze verdeutlicht einmal mehr, welche Gefahren aus einer überbordenden Staatsverschuldung drohen. Der Staat unterhält eine gewaltige Umverteilungsmaschinerie, die Mittel von den Steuerzahlern an Transferempfänger und andere Nutznießer der Staatsausgaben umverteilt. Letztere wollen immer mehr, und Erstere verteidigen ihren Geldbeutel mit Verve. Die Lösung des Verteilungskonflikts liegt stets in der Verschuldung. Da die Geschädigten, die später die Steuern zur Bedienung der Schulden zahlen müssen, heute noch nicht zur Wahl gehen können, ist die Verschuldung in den Demokratien der Welt stets der bequeme Ausweg aus dem Verteilungskonflikt.
Die Verlockungen der Verschuldung werden unwiderstehlich, wenn man davon ausgehen kann, dass sich ihre Lasten auf andere Bevölkerungsgruppen ausdehnen lassen als diejenigen, die heute von niedrigen Steuern oder hohen Staatsausgaben profitieren. Nur in dem Maße, wie Eltern, die das Wohl ihrer Kinder und Kindeskinder mitbedenken, heute im politischen Geschäft mitwirken, wird der Hang zur übermäßigen Staatsverschuldung begrenzt.
Die Härte der Republikaner beim amerikanischen Verteilungsstreit kann als Versuch verstanden werden, die eigenen Nachkommen vor Ausbeutung zu schützen. Insofern ist die Existenz der Schuldenobergrenze genauso zu begrüßen wie beispielsweise in Deutschland das im Grundgesetz verankerte Verbot jeglicher Schuldenfinanzierung, das bis spätestens 2016 beim Bund und 2020 bei den Ländern greifen wird.
Ein anderes Beispiel ist die Schuldensozialisierung zwischen Staaten, wie sie zurzeit in Europa realisiert wird. Erst verschulden sich die Einzelstaaten über jegliches gesunde Maß hinaus, und dann werden sie durch gemeinschaftliche Hilfskredite der Staatengemeinschaft vor dem Konkurs gerettet. Zunächst wird die Fiktion gepflegt, dass ein jeder seine Schulden zurückzahlt. Doch kaum sind die Rettungskredite geflossen, kommt im nächsten Schritt die tatsächliche Sozialisierung durch Schuldenerlasse. In Irland wurden für 40 Milliarden Euro ELA-Kredite der EZB nach dem Konkurs der Bad Bank, die aus der Anglo Irish Bank hervorgegangen war, in irische Staatspapiere mit einer sehr langen Laufzeit verwandelt, die unterhalb des Marktzinssatzes verzinst waren.
In Griechenland hat man vor einem Jahr die Kredite der Staatengemeinschaft auf im Mittel etwa 30 Jahre verlängert und die Zinsen weit unter das Marktniveau gesenkt, ja für zehn Jahre vollkommen ausgesetzt. Das entsprach barwertmäßig einem Schuldenerlass durch die Staatengemeinschaft in Höhe von 47 Milliarden Euro. Und nun redet man schon über eine weitere Verlängerung der Laufzeit und neue Zinssenkungen für Griechenland. In all diesen Fällen wird die Schuldenlast faktisch auf andere Länder verschoben.
Die Konsequenz dieser Verschiebung ist, dass die Verschuldungsneigung der europäischen Länder ungebremst ist und selbst die Sanktionsmechanismen, die im europäischen Fiskalpakt vorgesehen sind, außer Kraft gesetzt werden. Statt die Lasten der Ausgabenkürzung oder Steuererhöhung selbst zu tragen, weicht man auf die Verschuldung aus, weil man weiß, dass man sich so eines Teils der Lasten für immer entledigen kann. Gemeinsam besicherte Euro-Bonds stehen als Instrument der Schuldensozialisierung schon parat, die, wenn man sie national nicht bedienen kann, den anderen Ländern keine andere Wahl lassen, als die Rückzahlung selbst zu übernehmen.
Auch in den ersten Jahrzehnten der USA hatte die Schuldensozialisierung den unwiderstehlichen Drang zur Kreditaufnahme ausgelöst. Nachdem Alexander Hamilton, der erste Finanzminister der USA, die Schulden der Einzelstaaten 1791 sozialisiert hatte, indem er sie zu Bundesschulden machte, nahmen die Staaten sehr viele Kredite auf, um in die Infrastruktur zu investieren. Das löste einen Wirtschaftsboom aus, der sich als Kreditblase entpuppte, die in den Jahren 1837 bis 1842 platzte. Acht von 26 Staaten der USA (sowie das Territorium Florida) gerieten in den Konkurs. Die ungelöste Schuldenfrage vergiftete das Klima der USA nachhaltig. Ein Lob den harten Schuldenschranken, die solches Unglück von vornherein verhindern, auch wenn man sich beim Anstoßen an diese Schranken so manche Blessuren zuzieht.