Die Schweiz hatte den Kurs des Euro bis vor kurzem noch bei Fr. 1.20 verteidigen müssen, um nicht selbst ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. In dieser Zeit hat die Schweizerische Nationalbank in riesigem Umfang Euro erworben und damit Wertpapiere im Ausland gekauft. Das Geschehen hat viele Ähnlichkeiten mit der Herausbildung von Zahlungsbilanzsalden im Bretton-Woods-System, mit dem in der Nachkriegszeit die Wechselkurse vieler europäischer Länder und der USA aneinandergekoppelt waren, oder auch mit dem Entstehen der Target-Salden im Euro-Raum. Die Parallelen zu erkennen, ist sehr nützlich für das Verständnis eines fundamentalen Konstruktionsfehlers des Euro-Systems.
Notenpresse soll es richten
Im Bretton-Woods-System hatten sich aufgrund unterschiedlicher Inflationsraten der Länder wachsende Leistungsbilanz-Unterschiede ergeben, die von den Kapitalmärkten nur noch zögerlich finanziert wurden und schliesslich sogar in eine Kapitalflucht aus den überteuerten Ländern umschlugen. Die Notenbanken der betroffenen Länder lösten das Problem, indem sie die abfliessenden Geldbestände nachdruckten und an die Geschäftsbanken verliehen oder von ihnen Wertpapiere kauften.
Die Folge waren riesige Zahlungsbilanzsalden, die sich bei der Banque de France und der Bundesbank in wachsenden Dollarbeständen und bei Letzterer zusätzlich in wachsenden Franc- und Pfund-Beständen niederschlugen. Während Frankreich mit seinem Verlangen, die Dollarbestände in Gold umgetauscht zu bekommen, das Bretton-Woods-System zu Fall brachte, verzichtete die Bundesbank auf einen solchen Umtausch und hält stattdessen bis zum heutigen Tage amerikanische Treasury Bills und ähnliche Schuldtitel. Aber es landeten auch europäische Devisen bei der Bundesbank, vor allem Franc und britische Pfund. Die Bundesbank hatte den Anspruch auf einen Umtausch dieser Devisen in Dollar oder Gold, aber da der Marktwert des Goldes unter der offiziellen Parität lag, zogen es die Notenbanken Frankreichs, Grossbritanniens und anderer Staaten vor, mit Gold zu bezahlen. Beinahe der gesamte Goldschatz der Bundesbank hat hierin seinen Ursprung. Er ist heute etwa fünfzehnmal so viel wert wie beim Untergang des Bretton-Woods-Systems 1973.
Die Zahlungsbilanzungleichgewichte im Euro-System, die sich in den Target-Salden zeigen, haben eine ähnliche Ursache wie die Ungleichgewichte im Bretton-Woods-System. Südeuropa wurde durch die Kreditblase, die der Euro erzeugte, zu teuer und verlor seine Wettbewerbsfähigkeit. Als die Kapitalmärkte nicht mehr bereit waren, die Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren, und zudem das bereits entliehene Kapital zurückzogen, lösten die Südländer das Problem mit der Notenpresse, genau so, wie es die USA und einige europäische Länder im Bretton-Woods-System getan hatten.
So kam es, dass heute etwa 80% der Zentralbank-Geldmenge des Euro-Systems auf Kreditoperationen in Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und Zypern zurückzuführen sind, obwohl diese sechs Krisenländer zusammen bloss einen Drittel der Wirtschaftskraft des Euro-Raums auf sich vereinen. Der EZB-Rat ermöglichte ihnen diesen Weg, indem er die Sicherheitsanforderungen für die Pfänder, die Geschäftsbanken für die bezogenen Refinanzierungskredite einreichen müssen, dramatisch senkte und die Vergabe von Notfallkrediten an die Banken (ELA) akzeptierte. Die Sondergeldschöpfung dieser Länder, die über die Eigenversorgung mit Liquidität hinausging, betrug in der Spitze 1 Bio. Euro und stellt alle offiziellen Rettungsaktionen in den Schatten.
Hilfsaktionen unter Zugzwang
Der gesamte Zentralbank-Geldbestand, der in Deutschland vorhanden ist, wurde durch Kreditoperationen im Ausland geschaffen. Dafür hat die Bundesbank eine Target-Ausgleichsforderung von Hunderten von Milliarden Euro erhalten. Diese Forderung ist das Pendant des Goldes im Bretton-Woods-System, aber leider handelt es sich dabei um eine blosse Buchforderung, die niemals fällig gestellt werden kann und derzeit nur mit 0,5% verzinst wird. Da die Forderung faktisch erlischt, wenn der Euro zerbricht, weil keine Nachschusspflicht der Staaten im Euro-System vorgesehen ist, sind Bundestag und Bundesregierung bei ihren Entscheidungen über Rettungsaktionen nicht mehr frei. Sie müssen fiskalischen Rettungsaktionen zustimmen, die zu Zahlungen in die Krisenländer führen und die Target-Salden wieder reduzieren.
Die Schweiz hat es in dieser Hinsicht besser gemacht. Um die Aufwertung des Frankens zu verhindern, kaufte die Notenbank die hereinströmenden Devisen und erwarb damit verzinsliche Wertpapiere im Ausland. Unter anderem wurde sie zum grössten Gläubiger des deutschen Staates. Diese Wertpapiere sind das Pendant der Goldvorräte, die die Bundesbank im Bretton-Woods-System anhäufte, und der Target-Forderungen im Euro-System. Anders als die Target-Forderungen werden sie besser verzinst, sind sicher und können jederzeit gegen andere Güter und Vermögenstitel eingetauscht werden. In der Schweiz hat man es schon immer besser verstanden, mit dem Geld umzugehen, als in Deutschland.