Sie könnte eine wichtige Institution zur Verbesserung der Qualität und Strenge der Bankenaufsicht und -regulierung sein, die Kosten von Bankenzusammenbrüchen reduziert und sie innerhalb der Eurozone aufteilt. Sie könnte jedoch auch ein Vehikel für Transfers zu Mitgliedern mit fragilen Bankensystemen und instabilen Staatsfinanzen werden. Durch Verzögerung der Vergemeinschaftung von Abwicklungskosten im Bankensektor wird außerdem die Trennung schwacher Staaten von schwachen Bankensystemen verzögert. Der vielgepriesene Bail-in-Mechanismus wird durch viele Ausnahmen eingeschränkt. Trotz der kämpferischen Rhetorik der Kommission und der EZB bleiben einige Fragen offen.
Überraschender Fortschritt
Trotz weitverbreiteter Skepsis und Opposition einflussreicher Lager haben die Verhandlungen der EU zur Bankenunion überraschenden Fortschritt gemacht. Die Zeitungen haben die barocken Methoden der EU zur Abwicklung zusammenbrechender Banken (eine Vielzahl aufgeblasener Gremien, die deutlich mehr als hundert Personen stark sind) und ihr winziges Feigenblatt eines Fonds zur Deckung der Abwicklungskosten (nur 55 Milliarden Euro, weniger als die amerikanische Federal Reserve in einem Monat für quantitative Lockerung ausgibt, und das nur nach einer zehnjährigen Aufbauphase) verspottet. Gebettet in der nichtssagenden Pietät des Euro-Jargons sind Europas hochfliegende Ambitionen nur schwer für bare Münze zu nehmen. Auch wenn die Zusicherung der Kommission stimmen mag, dass „rasche Fortschritte in Richtung einer Bankenunion mit einheitlichen zentralisierten Mechanismen für die Beaufsichtigung und Umstrukturierung von Banken […] eine wichtige Voraussetzung für die Gewährleistung von Finanzstabilität und Wachstum im Euroraum [sind]“ (Europäische Kommission, 2013), überdecken solche Aussagen eine Vielzahl von Sünden. Wie oft waren wir schon an diesem Punkt? Vorherige Pläne mit hochtrabenden Ambitionen – der Euro zum Beispiel – hatten spektakulär unvorhergesehene Konsequenzen. Wie wird das Konzept der Bankenunion in der Praxis aussehen?
Aufdeckung der Probleme durch Altlasten
Die Kommission und der Rat der EU einigten sich am 18. Dezember 2013 auf einen Plan für einen „Single Resolution Mechanism“ (SRM) und einen „Single Bank Resolution Fund“ (SRF). Details müssen noch ausgearbeitet (wobei eines davon das wesentliche Detail des Sicherungsnetzes („Backstop“) für den SRF ist) und eine Einigung mit dem Europäischen Parlament erreicht werden. Der gemeinsame Aufsichts-Mechanismus ist bereit; die Europäische Zentralbank (EZB) soll im November 2014 die Funktion als höchste Aufsicht und Regulierungsbehörde der Banken im Euroraum übernehmen und führt vor diesem Zeitpunkt eine umfassende Untersuchung der Anlagequalität und Bilanzen der 130 größten und systemrelevantesten Banken durch, um anschließend die Bankenaufsicht mögliche Probleme von Altlasten aufspüren zu lassen. Acharya und Steffen (2014) haben die öffentlich zugänglichen Daten über die Bilanzen der Banken mit der Fragestellung untersucht, was die Ergebnisse des Stresstests sein könnten und wie viel zusätzliches Kapital die Banken benötigen könnten. Eine ihrer auffallenderen Schätzungen besagt, dass sich in einer systemischen Krise eine Kapitaldeckungslücke von 579 Milliarden Euro ergeben könnte. Das klingt nach einer enormen Zahl. Sie ist 18,2-mal so groß wie der Marktwert des Eigenkapitals der Banken und 1,5-mal die Summe aus Eigenkapital und nachrangigen Schuldtiteln. Da viele andere Schuldtitel laut aktuellen Vorschlägen vom Bail-in ausgenommen sind, scheinen substantielle Verluste für die Steuerzahler vorprogrammiert zu sein. Die Bankensysteme von Belgien, Griechenland und besonders Zypern, werden wahrscheinlich auf staatliche Hilfe angewiesen sein.
Eine der Gefahren ist, dass die EZB davor zurückschrecken wird, solch große Deckungslücken offenzulegen und eine Aufstockung des Bankenkapitals zu verlangen, weil dies, trotz Verbesserung der Stabilität in der langen Frist, kurzfristig die Belastung für die fragilen Mitgliedstaaten erhöhen würde. Aber dies wäre ein sehr entmutigendes Omen. In einem solchen Szenario könnte sich die Bankenunion als ein Instrument zur Kanalisierung von Ressourcen in Peripherieländer durch Vergemeinschaftung von Abschreibungsverlusten der Banken auf Altlasten aus Schuldtiteln fast insolventer Staaten und dubiosen Immobilienprojekten im Euroraum herausstellen. Die EZB ist der größte Kreditgeber der gefährdeten Banken und hat große Summen an Wertpapieren mit einer Qualität unterhalb des „Investment Grade“ als Sicherheiten akzeptiert. Durch die Absenkung der Sicherheitsstandards für die Refinanzierungskredite hat sie drei Viertel der Geldbasis des Eurosystems über die Banken der sechs Krisenländer Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und Zypern verliehen, die nur ein Drittel des BIPs der Euroländer ausmachen. In Angesicht ihrer eigenen prekären offenen Positionen, mag die EZB deshalb versucht sein, Abwicklungsmethoden zu suchen, die die Last der Abschreibungsverluste auf die Steuerzahler der noch solventen Euroländer umschichten. Dies ist ein Aspekt, der Zweifel aufwirft, ob es eine weise Entscheidung war, den SRM in die Hände der EZB zu platzieren.
Der einheitliche europäische Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen
Eines der vorgegebenen Ziele der Bankenunion ist, die Unterschiede zwischen Euroländer für die Finanzierung von Haushalten und kleinen Unternehmen zu verringern, die sich, wie EZB-Daten zeigen, vergrößert haben.
Die EZB argumentiert, dass ihre Geldpolitik wegen der Verflechtung schwacher Staaten mit schwachen Bankensystemen nicht effektiv auf die Peripherie übertragen wird; hohe Kreditkosten in der Peripherie drosselten den Aufschwung und verlängern die Schuldenkrise. Die Bankenunion solle diese Probleme angehen. Wenn es einen völlig einheitlichen Markt für Finanzdienstleistungen gäbe, behauptet die EZB, würden Kreditkosten nur von den Risiken des einzelnen Kredits abhängen und überhaupt nicht vom Ausfallrisiko der Regierung des Landes, in dem sich der Kreditnehmer befindet. Leider ist diese Ansicht nicht überzeugend, da implizit angenommen wird, dass die Mitgliedstaaten schon in einen Europäischen Bundesstaat aufgelöst wurden. In Abwesenheit eines Europäischen Bundesstaates ist eine jeder Euroland engstens mit seinen Banken, Haushalten und Unternehmen verbunden. Steuern, Regulierungsmaßnahmen und Verantwortlichkeiten des Mitgliedstaates unterwerfen alle denselben Länderrisiken. Eine Politik, die länderspezifische Zinsunterschiede in einer solchen Situation komplett beseitigt, würde zu einer Fehlleitung von Ressourcen führen, da sie die Unterschiede bei nationalen Rückzahlungswahrscheinlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten von Euro-Austritten vernachlässigen würde. Die seit 2009 beobachteten Kreditkostenunterschiede spiegeln klar die Tendenz der Märkte wider, zwischen Kreditnehmern anhand von Rückzahlungswahrscheinlichkeiten zu differenzieren - entgegen der Tendenz vor der Krise, diese Risiken zu ignorieren und leichtsinnig Kredite zu vergeben. Eine Bankenunion reduziert diese Unterschiede der Kreditkosten möglicherweise, aber eliminiert sie wohl kaum vollständig; und in der Tat sollte sie dies auch nicht tun.
Die Verflechtung von Banken und Staaten
Während der Krise entwickelten die Banken und Staaten der Europeripherie noch engere Verbindungen als zuvor, indem Banken erlaubt wurde, Geld von den örtlichen Druckerpressen der nationalen Zentralbanken zu leihen, um Anleihen des eigenen Staates zu kaufen und diese wiederum als Kreditsicherheiten zu verwenden, obwohl Ratingagenturen sie unterhalb „Investment Grade“ eingestuft hatten. Die Staaten wiederum beschützten ihre Banken mit impliziten und expliziten Rettungsversprechen und verleiteten sie dazu, Staatsanleihen zu kaufen. In Irland führten diese Versprechungen, die weit über den Einlagenschutz hinausgingen, zu enormen Verpflichtungen auf Seiten des Staates, die ihn dazu zwangen selbst Kredite aufzunehmen, um die Banken zu rekapitalisieren. Wie wir auch im „EEAG Report on the European Economy 2014“ (EEAG, 2014) argumentieren, wurde die Verbindung zwischen Banken und Staaten auch durch die EU-Interpretation des Basel-Abkommens zur Bankenregulierung gestärkt, die es Banken erlaubte ihre Bilanzen mit Staatsanleihen zu beladen ohne diesen Eigenkapital gegenüber stellen zu müssen, obwohl die Risikomodelle der Banken das eigentlch für nötig befunden hätten. Folglich existiert die toxische Verbindung, die manche EU-Politiker jetzt durch Verteilung eines Teils des Risikos von Abschreibungsverlusten auf die Steuerzahler und Banken anderer Länder kappen möchten, größtenteils auf Grund ihrer eigenen fehlerhaften Politik in der Vergangenheit.
Die zukünftige Finanzstabilität des Euroraums wird nur teilweise von der Bankenunion abhängen. Wichtiger ist, dass die Mitgliedstaaten ihre fiskalischen Defizite senken und die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen wiederherstellen, somit sowohl das Angebot an Staatsanleihen senken, als auch die Marktnachfrage danach steigern. Auch wird die Stabilität von der Festlegung sinnvoller Risikogewichtungen unter Basel III abhängen, die die wahren Ausfallrisiken bei Staatsanleihen besser wiedergeben sowie von einer allgemein strengeren Regulierung des Bankwesens. Das Konzept einer Bankenunion ist nur ein Aspekt in einer größeren Reformlandschaft.
Bail-in
Durch das Design des Bail-in-Instruments, eines zentralen Elements des SRM, wird eine Bankenunion die Banken entmutigen, exzessive Mengen an Staatsverschuldung zu halten. Es verlangt, dass Banken ihre Verbindlichkeiten (Einlagen, Eigenkapital und Verbindlichkeiten) so strukturieren, dass sie zu mindestens acht Prozent der Bilanzzumme zur Rechenschaft gezogen werden können, sollte die Bank in Schwierigkeiten geraten. Dadurch sollen Gläubiger veranlasst werden, Banken sorgfältiger zu überwachen, und Banken ermutigt, weniger risikobehaftete Wertpapierportfolios zu halten. Außerdem sollen die Kosten von Bankenabwicklungen für die Steuerzahler gesenkt werden. Die Nutzbarkeit des Bail-in-Instruments ist jedoch durch eine lange Liste von Ausnahmen eingeschränkt. Außerdem erscheinen acht Prozent der Bilanz winzig für wirkliche Zombie-Banken, was die Frage aufwirft: Wer wird für die restlichen 92 Prozent aufkommen, wenn dies nötig ist? Folglich könnte das Bail-in-Instrument eher Augenwischerei sein. Die Vorschläge der Kommission machen klar, dass es Banken nicht erlaubt sein wird, ihre Verbindlichkeiten so zu strukturieren, dass sie diesem entgehen (EEAG, 2014), aber konkrete Vorschläge zur Garantie eines bestimmten Anteils für den Bail-in heranziehbarer Verbindlichkeiten wurden bisher von Frankreich blockiert.
Schlussfolgerung
Zum aktuellen Zeitpunkt wurde bereits eine fast komplette Zusammenstellung von Vorschlägen zur Bankenunion gemacht, aber wir wissen noch nicht, wie sie in der Praxis funktionieren wird. Offensichtlich gibt es einige Gefahren: Es könnte sein, dass die EZB nicht der ersehnte furchtlose und unparteiische Aufseher ist, den man sich von ihr erhofft. Der Konflikt zwischen monetärer und finanzieller Stabilität auf der einen Seite und Sorgen über ihre eigene Bilanz auf der anderen,könnten sie dazu verleiten, nachsichtig und zurückhaltend zu agieren. Die umfangreichen Untersuchungen in der zweiten Jahreshälfte 2014 werden ein wichtiges Signal dazu geben, ob es die EZB wirklich ernst meint.
Die Vorzüge des Bail-in-Instruments hängen von der Perspektive ab, aus der man es beurteilt. Wenn der Maßstab eine Situation ist, in der Steuerzahler dafür verantwortlich sind, die Abschreibungsverluste der Banken zu begleichen, klingt Bail-in wie ein Instrument zum Schutz der Steuerzahler. Wenn jedoch der Maßstab eine Situation ist, in der die Gläubiger der Banken die Kosten ihrer Fehlinvestitionen tragen, klingen die Vorschläge der Kommission eher nach Regeln für einen organisierten Bailout als nach irgendetwas anderem. Ein abschließendes Urteil über die Bankenunion wird deshalb davon abhängen, wie viel Geld vom Steuerzahler über den Europäischen Stabilitätsmechansimus (ESM) letztendlich zur Schließung der vorhersehbaren Finanzierungslücke in den Bankbilanzen genutzt werden wird. Dieses Kapital wird kurzfristig die problematische Verknüpfung von Banken und Staaten lockern, langfristig jedoch Anreize schaffen, sie zu verstärken.
Hinweis der Autoren: Diese Kolumne basiert auf EEAG (2014), The EEAG Report on the European Economy, „Banking Union: Who Should Take Charge?“, CESifo, München 2014, S. 91-108.
Die EEAG-Mitglieder sind Akos Valentinyi (Cardiff Business School, Vorsitzender der Gruppe), Giuseppe Bertola (EDHEC Business School), John Driffill (Birkbeck College), Harold James (Princeton University), Hans-Werner Sinn (ifo Institut und LMU München) und Jan-Egbert Sturm (KOF Konjunkturforschungsstelle, ETH Zürich). Sie sind gemeinsam verantwortlich für jedes Kapitel dieses Berichts. Sie beteiligen sich auf einer persönlichen Basis und vertreten nicht notwendigerweise die Ansichten der Organisationen, denen sie angehören.
Nachzulesen auf www.oekonomenstimme.org