Nun liegen mehr Details zu dem Investitionsprogramm in Höhe von € 315 Mrd. in den Jahren 2015 bis 2017 vor, das der neue EU-Präsident Juncker angekündigt hat. Es handelt sich dabei vor allem um ein gewaltiges Schattenbudget vom Doppelten des normalen EU-Budgets zur Finanzierung öffentlicher Investitionsprojekte, mit Hilfe dessen die Schuldengrenzen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes umgangen werden.
Die neue Verschuldung soll über den neu zu gründenden European Fund for Strategic Investment (EFSI) organisiert werden, der mit Garantien von der EU-Kommission in Höhe von € 16 Mrd. und Kapital der Europäischen Investitionsbank in Höhe von € 5 Mrd. Euro ausgestattet wird. Letzteres soll durch eine Hebung stiller Reserven zustande kommen, also durch die Umbewertung vorhandener Aktiva. Es ist geplant, dem EFSI durch eine Kredit-Hebelung eine Finanzierungskapazität von € 63 Mrd. Euro zu ermöglichen, aus der durch den Einbezug weiterer privater Anleger schließlich ein Investitionsvolumen von € 315 Mrd. entsteht. Echtes eigenes Geld stellt die Staatengemeinschaft nicht bereit, wohl aber explizite und implizite Garantien für die privaten Anleger, die den gemeinschaftlichen Garantien von Eurobonds nahekommen. Kanzlerin Merkels kategorisches Nein zu Eurobonds hat die EU beflügelt, Heerscharen von Finanzfachleuten mit der Suche nach Umgehungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Der neue Investitionsfonds ist das Ergebnis.
Die Investitionen selbst wird die EU-Kommission aus den Anträgen der Mitgliedsländer der EU zusammenstellen, die bereits vorgelegt wurden. Das ifo Institut hat eine Auswertung der noch unvollständigen Antragsunterlagen vorgenommen. Danach hatten bis zum 4. Dezember 2014 alle 28 Länder bereits potentielle Projekte benannt. Das Volumen der ca. 2000 angemeldeten Projekte lag bei € 1,3 Billionen, wovon rund € 500 Mrd. auf den Zeitraum 2015 bis 2017 entfallen.Davon betrafen schätzungsweise 53% öffentliche Projekte, 15% Public-Private Partnerships (PPPs) und 21% private Projekte. Nicht einzuordnen war etwas mehr als ein Zehntel der Projekte.
Bei den öffentlichen Projekten wird es sich vermutlich um eine Finanzierung durch den EFSI handeln, für die die Staaten die Zins- und Tilgungsverpflichtungen übernehmen. Bei den PPPs wird es sich um Mischfinanzierungen handeln, bei denen ein Teil der Risiken, aber auch die Erträge bei Privaten liegen. Bei den privaten Projekten wird es einerseits um echte private Produktionsprozesse, andererseits um die private Bereitstellung von Infrastruktur gehen, die sich durch eine vom privaten Betreiber erhobene Maut oder Nutzungsgebühr tragen muss.
Im Gegensatz zu manchen kritischen Stimmen vermute ich nicht, dass das Programm ein konjunktureller Flop wird. Immerhin sind die € 315 Mrd., die in einem Dreijahreszeitraum avisiert wurden, oder auch die € 1,3 Billionen, die konkret benannt wurden, 2,3% bzw. 9,6% des BIP der EU. Dies wäre trotz der Streckung über drei Jahre in der Tat ein beachtliches Konjunkturprojekt.
Mein Problem ist eher, dass hier ein gewaltiger schuldenfinanzierter Schattenhaushalt aufgebaut wird, der neben dem EU-Haushalt und den nationalen Haushalten herläuft und die Steuerzahler Europas hohen Risiken aussetzt. Da sich jedes Land im Schutze der gemeinsamen Haftung ungeachtet seiner Bonität zu gleichen Zinsen verschulden kann, werden auch Projekte in Ländern finanziert, die bislang schon im Übermaß Kapital verbrannt haben und deshalb ohne den gemeinsamen Schutz von den Märkten kaum noch finanziert würden. Die hierin angelegte Verzerrung der Marktprozesse wird wie die vielen anderen kollektiven Schutzmechanismen, die im Zuge der Krise errichtet wurden, dazu beitragen, die Fehllenkung des europäischen Investitionskapitals zu zementieren und das europäische Wirtschaftswachstum nachhaltig zu verringern.
Es kommt hinzu, dass der neue über die Gemeinschaftshaftung ermöglichte Schuldenberg, wenn überhaupt, vermutlich nur zu einem kleinen Teil in den Staatsbudgets verbucht werden wird. Damit werden sämtliche Schuldengrenzen der EU-Länder ausgehebelt, so z.B. der Stabilitäts- und Wachstumspakt, nach dem das Gesamt-Defizit eines EU-Landes nicht mehr als 3% des BIP betragen darf oder den Fiskalpakt des Jahres 2012, nach dem sich die Schuldenquoten der EU-Länder, wenn sie zu hoch sind, in jedem Jahr um ein Zwanzigstel des Abstandes zu 60% senken müssen.
Den Banken hat man vorgeworfen, dass sie sich über ihre ausländischen Schattenbudgets in Form von Zweckgesellschaften und Conduits zu viele Risiken aufgehalst haben. Dass nun auch die öffentliche Hand mit ähnlichen Tricks arbeitet, gibt Anlass zu großer Besorgnis.
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