Anstößige Staatshaltung

Maastricht-Vertrag soll öffentliche Banken schützen
Autor/en
Hans-Werner Sinn
Süddeutsche Zeitung Nr. 135, 16.06.1997, S. 22

Nun ist es also soweit. Heimlich, still und leise bereitet die Bundesregierung eine Novelle zum Maastrichter Vertrag vor, die das deutsche Staatsbankensystem dauerhaft zementieren soll. Schon in dieser Woche will man mit den Vertragspartnern im Rahmen der Maastricht-II-Verhandlungen einig werden und Nägel mit Köpfen machen, bevor eine öffentliche Diskussion zu dem Thema beginnen kann.

Es geht um nichts weniger als die Festschreibung von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast im europäischen Vertragswerk. Die Anstaltslast verpflichtet den Staat, für Verluste der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aufzukommen. Die Gewährträgerhaftung bedeutet einen direkten Rechtsanspruch der Gläubiger dieser Institute gegen den Staat. Beides zusammen ist eine Supergarantie, die die staatlichen Banken vor jedem Bankrottrisiko schützt, ganz egal, welche Geschäfte sie betreiben und wie dumm sie sich dabei anstellen.

Die Staatsbanken, die in den Genuß der Supergarantie kommen, sind die Sparkassen, die Landesbanken und die Banken des Bundes. Auf die drei Bankgruppen entfallen ungefähr 50 Prozent des Geschäftsvolumens aller Banken, wovon die Landesbanken immerhin 20 Prozentpunkte für sich verbuchen können. Die Landesbanken, allen voran die WestLB, zählen zu Deutschlands größten Banken, und im internationalen Kreditgeschäft gehören sie in die Spitzengruppe der bekanntesten Banken überhaupt. Auf sie entfällt das Gros der deutschen Ausleihungen auf den Euromärkten, und dank der Staatshaftung beteiligen sie sich weltweit an der Finanzierung industrieller Großprojekte. Nach dem Urteil der großen Rating-Agenturen wie Standard & Poor oder Moody belegen die deutschen Staatsbanken mehr als die Hälfte der 15 ersten Plätze in einem weltweiten Bonitätsvergleich aller Banken. Wegen der Supergarantie des Staates ist das "Triple A", um das sich die privaten Banken stets von neuem bemühen müssen, automatisch gesichert.

Der Expansionsdrang der Landesbanken ist dank der staatlichen Hilfe ungebrochen. Erst kürzlich gelang es ihnen, dem Staat 1 Milliarde DM mehr an frischem Eigenkapital abzuluchsen, als sie zur Erfüllung neuer EG-Richtlinien gebraucht hätten, und flugs wurde dle Mainzer Immobilienbank gegründet, um wenigstens einen Teil des überflüssigen Kapitals unterzubringen.

Uberhaupt ist der Staat ein sehr nachgiebiger Anteilseigner, der sich mit geringsten Erträgen begnügt. Wie die beigefügte Tabelle zeigt, liegt die Eigenkapitalrendite der fünf größten Landesbanken um nicht weniger als 5 Prozentpunkte unter jener der fünf größten privaten Banken, und während die privaten Banken zwei Drittel ihrer Gewinne ausschütten, begnügen sich die Anteilseigner mit weniger als der Hälfte der entstandenen Gewinne.

Rentabilität und Expansionsdrang der Landesbanken stehen in einem krassen Mißverhältnis zueinander, das nur durch die massiven Subventionen der Öffentlichen Hand zu erklären ist. Superhaftung, Renditeverzicht und großzügige Eigenkapitalgeschenke können jedes marode Unternehmen flott machen, aber leisten kann sich eine Marktwirtschaft solcherlei Subventionen nicht. Nur wenn das Spiel der Kräfte unverzerrt bleibt, kann sie ihre segensreichen Wirkungen entfalten, und deshalb ist der Handstreich, den die Bundesregierung jetzt plant, nicht in Ordnung. 

Der Wissenschaftliche Beirat hat vor 14 Tagen sein Gutachten zu den Risikokapitalmärkten und jetzt ein neues Gutachten zu den öffentlich-rechtlichen Banken veröffentlicht. In diesen beiden Gutachten wird eine bessere Marschroute für die Entwicklung des deutschen Kapitalmarktes definiert als jene, die die Bundesregierung eingeschlagen hat. Eine umfassende Börsenliberalisierung im Verein mit einer Abschaffung der Privilegien der öffentlich-rechtlichen Banken würde die Effizienz des Kapitalmarkts erhöhen und Deutschland jene langfristigen Wachstumsimpulse geben, die es dringend benötigt.

Eigenkapital und Ausschüttungsquote

Ein Vergleich der fünf größten Landesbanken mit den fünf größten privaten Banken*

  Öffentliche Banken
  WestLB BayLB NordLB Helaba Süd-
WestLB
Eigenkapitalrendite 4,9% 10,1% 8,4% 10,2% 10,5%
Ausschüttungsquote 50% 38% 26% 38% 80% 
 

Private Banken

  Dt.
Bank
Dresd.
Bank
Comm.
Bank
Bay.
Vereinsbk.
Bay.
Hypo
Eigenkapitalrendite 18,3% 12,0% 12,2% 13,9% 13,8%
Ausschüttungsquote 60% 58% 61% 74% 71%

*) Durchschnittswerte im Zeitraum von 1980 bis 1994. Quelle: H.-W. Sinn, der Staat im Bankwesen. Zur Rolle der Landesbanken in Deutschland. Beck: München 1997.