Deutschland steht wegen seiner demografischen Entwicklung laut ifo Präsident Hans-Werner Sinn vor einer politischen Zerreißprobe. 2015 werden nach seinen Berechnungen erstmals Wähler in der Mehrheit sein, „die hinreichend alt sind, um von Renten- und Beitragserhöhungen zu profitieren“. In einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche warnt Sinn: „Durch die Kombination besonders vieler Alter mit besonders wenigen Jungen entsteht ein fast unlösbarer, aber jetzt schon genauestens vorhersehbarer Generationenkonflikt.“ Um die Geburtenzahl zu erhöhen, fordert der Ökonom eine Kinderkomponente in der Rentenformel. „Je mehr Kinder jemand großzieht, desto mehr Zuschläge zur Rente sollte er erhalten. Wir müssen endlich die Ausbeutung und Diskriminierung der Familien beenden.“
Der geburtenstärkste Jahrgang der Nachkriegszeit, der Jahrgang 1964, dem es jetzt finanziell glänzend gehe, werde laut Sinn eine radikale Wandlung durchmachen. „Noch nie hat es in der Geschichte Deutschlands eine Gruppe von 50-Jährigen gegeben, die relativ gesehen so wenige alte und junge Menschen miternähren musste wie heute.“ Die Finanzierung der Eltern könne sich die Generation mit vielen Geschwistern teilen, müsse aber gleichzeitig kaum eigene Kinder finanzieren. Sinn: „Deshalb bleibt viel Geld für einen beispiellosen Konsumstandard übrig. Aber das schöne Leben wird in etwa 15 Jahren jäh in Verzweiflung umschlagen, wenn alle Babyboomer gleichzeitig in die Rente gehen und von Kindern ernährt werden wollen, die es nicht gibt.“
Darin sieht der Ökonom politischen Sprengstoff. „Die Babyboomer werden ihre politische Macht einsetzen, um der absehbaren Altersarmut zu entkommen, indem sie ihren wenigen Nachkommen immer mehr Lasten aufbürden“, warnt der ifo Präsident. „Auch wenn sie in der Minderheit sind, werden sich die jungen Menschen freilich nicht widerstandslos ausbeuten lassen. Wenn sie einen immer größeren Anteil ihres Einkommens an den Staat abführen sollen, um die Renten der Alten zu finanzieren, werden sie auswandern oder auf die Straße gehen, um ihren Unmut kundzutun“, schreibt Sinn in der WirtschaftsWoche. „Der Demokratie droht somit eine gefährliche Zerreißprobe.“/p>