BZ: Herr Prof. Sinn, meine Oma befürchtet, dass sie ein zweites Mal nach 1948 ihr Erspartes verlieren könnte. Muss sie Angst vor einer neuen Währungsreform haben?
Sinn: Ich kann Ihre Oma beruhigen, es besteht nicht die Gefahr, dass es eine Währungsreform gibt, so schwierig die Zeiten auch sind und waren. Das Gröbste ist überwunden. Die Banken sind gerettet. Es ist richtig, dass sehr viel Geld im Umlauf ist. Aber ich glaube nicht, dass es eine Inflationstendenz gibt. Sondern im Gegenteil, ich sehe eher die Gefahr einer Phase mit wirtschaftlicher Stagnation und fallenden Preisen. Das ist jedenfalls sehr viel wahrscheinlicher als die Gefahr, dass es eine Inflation gibt. Inflation kann es in Europa schon deswegen nicht geben, weil die europäische Zentralbank einerseits verpflichtet ist, dies zu bekämpfen und andererseits auch die Möglichkeiten hat. Sie kann eine Inflation immer bekämpfen durch Zinserhöhungen. Eine Deflation kann sie nicht bekämpfen, da sie Zinsen senken müssßte. Das hat sie aber schon getan, und tiefer geht es nicht, da die Zinsen schon nahe bei null sind.
BZ: Die Angst vor den Folgen der Finanzkrise führt zur Kaufzurückhaltung. Freuen sich die Banken nun über prall gefüllte Sparkonten?
Sinn: Die Kaufzurückhaltung ist noch gar nicht so ausgeprägt. Der Konsum ist im Gegenteil erstaunlich stabil. Das überrascht. Aber wir erwarten, dass die Kaufzurückhaltung bis Mitte nächsten Jahres zunimmt. Die zusätzliche Ersparnis wird aber leider von den Banken nicht im richtigen Umfang an die Firmen weitergeleitet, die dann nicht entsprechend investieren können.
BZ: Die Banken haben also Geld, sind aber sehr zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten. Warum ist das so?
Sinn: Die Banken haben zwar liquide Gelder, die sie ausleihen könnten, aber sie haben viel Eigenkapital verloren, weil sie Abschreibungen auf Papiere amerikanischer Provenienz vornehmen mussten. Das Problem ist, dass sie in einem bestimmten Mindestanteil für ihre Ausleihungen Eigenkapital vorhalten müssen. Schrumpft das Eigenkapital, schrumpfen die Kredite, egal wie viel Geld die Sparer anbieten. so viele Ersparnisse und Liquidität anbieten wie man will, es geht einfach nicht weiter.. Die Folge ist, dass wir sehr hohe Kreditzinsen haben, während die Sparer sehr wenig Zinsen bekommen. Die Banken machen auf diese Weise Gewinne, mit denen sie ihr Eigenkapital wieder auffüllen. Allmählich kommt dadurch der Kreditfluss wieder in Gang. Besser wäre es, der Staat würde sich temporär an den Banken beteiligen, um ihnen wieder mehr Eigenkapital zuzuführen, ohne ihnen Geld zu schenken. Dann ginge es in der Wirtschaft wieder schneller bergauf.
BZ: Was denken Sie, wie lange wird die Wirtschaftskrise noch dauern?
Sinn: Das ist schwer zu sagen. Es zeigen sich schon Erholungstendenzen. Der Einbruch ist schon gewesen. Ich glaube nicht, dass wir noch tiefer fallen. Bei der Produktion zeichnet sich eine Stabilisierung ab und schon im Herbst kann wieder ein leichtes Wachstum stattfinden. Aber wir brauchen ein ganz starkes Wachstum, um wieder da hin zu kommen, wo wir waren. Das kann uns noch einige Zeit beschäftigen.
BZ: Eine Zeitspanne wollen Sie nicht definieren?
Sinn: Das nächste Jahr steht noch ganz im Zeichen des Abschwungs auf dem Arbeitsmarkt.
BZ: Verraten Sie uns: Kaufen Sie derzeit schon wieder Aktien?
Sinn: Da ich ein Universitätsprofessor bin, stellt sich die Frage nicht.
BZ: Es gibt derzeit so gut wie keine Zinsen. Was raten Sie, wie soll man sein Geld anlegen?
Sinn: Alles was nominalwertgesichert und festverzinslich ist bei Schuldnern mit guter Bonität kann man nehmen. Man sollte unter keinen Umständen Produkte kaufen, bei denen man nicht weiß, wer einem das Geld zurückbezahlt. Ich wäre vorsichtig bei Fonds, Zertifikaten und solchen Dingen.
BZ: Die Wirtschaftskrise macht Sie zu einem noch gefragteren Mann. Sind Sie ein Krisengewinner?
Sinn: In dem Sinne sind, dass wir als Ökonomen des Ifo-Instituts sehr viel zu tun haben schon. Das ist unsere Funktion.
Das Interview führte Cornelia Weizenecker