Die Schweiz hat eine beinahe CO2-freie Stromerzeugung. Die Grünen und die Linke wollen jetzt aber aus der Kernenergie aussteigen. Was halten Sie aus Sicht des Klimaschutzes von dieser Strategie?
Diese Strategie war und ist ein Fehler. Grüne und Linke setzten für die Lösung des Klimaproblems auf Windflügel und auf Photovoltaik. Das ist aber nicht glaubhaft, weil die Kapazitäten einfach nicht ausreichen und der Strom viel zu teuer kommt. Windstrom kostet zu Lande das Dreifache des Atomstroms und im Wasser das Fünffache. Solarstrom wird auf absehbare Zeit mehr als zehnmal so viel kosten. Derzeit werden Hunderte neuer Atomkraftwerke geplant und gebaut auf der Welt. Gemäss der International Energy Agency sind Tausende nötig, um das Klimaproblem zu lösen.
Könnten nicht Windparks in der Nordsee die Atomenergie überflüssig machen?
Das Wattenmeer würde allenfalls für einen Fünftel der deutschen Stromversorgung reichen, selbst wenn man es dicht an dicht mit Windflügeln füllen und alle deutschen Seebäder schliessen würde. Die Umwelt würde zerstört, und es müssten riesig hohe Fundamente gegossen werden, die den Strom erheblich verteuern. Das ist alles blosse Phantasterei.
Oder sind gigantische Solaranlagen die Lösung, wie das kürzlich präsentierte Projekt Desertec in der Wüste?
Desertec ist von der Presse aufgebauscht worden. Der Vorstand von Siemens erfuhr aus der Zeitung davon, dass sich der Konzern an Planspielen beteiligt. Auch bei E.on schütteln die Vorstände nur den Kopf. Ich habe nichts dagegen, wenn der Markt solche Projekte hervorbringt und der Staat Barrieren abbaut. Es ist aber falsch, wenn der Staat öffentliche Gelder in solche Alternativen schüttet, um damit bisher nicht rentable Technologien rentabel zu machen.
Was sind die Vorteile der Atomkraft?
Bei der Atomkraft sind die grossen Investitionen bereits erfolgt. Darum ist es vergleichsweise billig, sie weiterzuverfolgen und neue Reaktoren zu erstellen. Der Atomstrom ist konkurrenzlos günstig, und die heutigen Kraftwerke sind als Druckwasserreaktoren ausserordentlich sicher. Sie können gar nicht hochgehen, weil das für die Reaktion erforderliche Wasser bei einer Störung entweicht, was die Reaktion automatisch zum Stillstand bringt. Diese Technologie hat mit dem Graphit-Reaktor von Tschernobyl nichts zu tun.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der öffentlichen Meinung gegenüber der Kernkraft ein?
In Deutschland ist sie am Kippen, in Schweden ist sie bereits gekippt. Die Front der Atomkraftgegner ist dramatisch am Bröckeln. Ausser Deutschland gibt es kein einziges Land mehr, das noch aus der Atomkraft aussteigen will.
Die Schweizer Regierung hält als Übergangslösung für eine sichere Stromversorgung Gaskombikraftwerke für nötig. Diese werden derzeit aber nicht gebaut, weil 50% des CO2-Ausstosses teuer in der Schweiz kompensiert werden müssen.
Warum soll diese Kompensation in der Schweiz passieren? Logisch wäre es, wenn die Kompensation dort erfolgt, wo es am einfachsten ist. Aus diesem Grund ist das europäische Zertifikatshandelssystem richtig. Die Schweiz müsste sich in dieses System integrieren. Dann würde die Einsparung dort passieren, wo sie am billigsten möglich ist. Eine Beschränkung der Kompensation auf die Schweiz verursacht nur unnötige Kosten.
In der Schweiz wird im Kampf gegen den Klimawandel auch eine CO2-Steuer diskutiert. Was halten Sie davon?
Die CO2-Steuer kann gar nichts bewirken. Sie kann zwar in der Schweiz die Energiekosten verteuern und die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen reduzieren. Nur: Die Weltproduktion an fossilen Brennstoffen wird nicht zurückgehen, weil die Schweiz weniger davon kauft. Die Brennstoffe werden dann eben nach Amerika, China und sonstwohin verkauft und es kann sogar sein, dass das Fördervolumen steigt.
Wie das?
Wenn die Ölscheichs befürchten müssen, dass die Preissteigerungsrate des Öls und damit die Rendite der noch im Boden befindlichen Vorräte kleiner wird, weil immer mehr Länder CO2-Steuern und andere nachfrageeinschränkende Instrumente einführen, haben sie einen Anreiz, ihre Bestände schneller zu extrahieren. So können sie diese schneller zu Geld machen und dieses Geld auf den Finanzkapitalmärkten anlegen. Die fossilen Brennstoffe werden somit nur noch schneller abgebaut. Das nenne ich das grüne Paradoxon. Wegen des grünen Paradoxons ist eine Steuer völlig ungeeignet, um den CO2-Ausstoss der Welt zu verringern.
Trotzdem fordern in den USA einige berühmte Ökonomen eine CO2-Steuer anstatt ein Emissionshandelssystem.
Ja, ich weiss, dass etwa William Nordhaus das tut. Aber sie blenden die zeitlichen Angebotsentscheidungen der Ressourcenbesitzer aus. Der Denkfehler kann für die Welt fatal enden.
Das schwarze Gold fliesst also nicht einfach aus der Erde, sondern die Besitzer der Ressourcen entscheiden darüber, wie schnell das geht?
Ja. Und es befindet sich ein bestimmter Bestand im Boden, es handelt sich nicht um Wasser, das sich regelmässig erneuert. Das ist zwar allen bekannt, es wird in den einschlägigen Modellen der Klimaforscher aber nicht abgebildet.
Das längerfristige Problem stellt die Kohle dar, denn sie reicht noch für Jahrhunderte.
Das CO2-Problem der Welt liegt tatsächlich zur Hauptsache bei der Kohle. Wenn diese riesigen Vorräte abgebaut werden, haben wir unweigerlich ein Klimaproblem. Jetzt ist es wichtig, Zeit zu gewinnen. Die einzige Möglichkeit liegt in einem weltweiten Zertifikatehandel. Es muss ein «cap and trade»-System geben. Die Uno, die schon den Zertifikathandel für einen Teil der Länder organisiert, muss alle Länder in ihr System einschliessen und damit die Menge an CO2 deckeln, die weltweit emittiert werden darf. Wenn sie das tut, deckelt sie auch die Menge an fossilen Brennstoffen, die aus der Erde geholt werden.
Wie sehen Sie die Chancen für ein weltweites Abkommen zum Klimaschutz und Zertifikathandel?
Sinn: Im Moment steht die Wirtschaftskrise im Vordergrund, sodass man beim Gipfel in Kopenhagen wohl nicht zu einer weitreichenden Übereinkunft kommen wird. Ohne die Krise wäre ich optimistischer gewesen. Aber ich glaube schon, dass sich in den nächsten zehn Jahren etwas tun wird. Wir haben maximal bis 2020 Zeit, um ein weltweites Zertifikathandelssystem aufzuziehen. Wenn wir uns mehr Zeit nehmen, können die Förderländer ihre Produktionskapazitäten ausweiten und noch schneller extrahieren. Das grüne Paradoxon käme dann voll zum Zuge. Man muss die Ressourcenbesitzer durch eine schnelle Entscheidung überraschen. Das Lamentieren ist fatal.
Interview: Jürg Meier