Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, kritisiert das Euro-Rettungspaket.
Halten Sie die Einführung des Euro für insgesamt gut?
Nicht mit den südlichen Ländern. Es war ein großer Fehler, diese Länder mitmachen zu lassen, weil sie wirtschaftlich und institutionell noch nicht weit genug entwickelt sind.
Aber da kann man jetzt wohl nichts mehr machen?
Rückgängig machen kann man das nicht. Den Euro in einen Nord- und Süd-Euro zu trennen, würde eine Spekulationswelle gegen südliche Länder in Gang setzen, die die Bankensysteme dieser Länder beschädigen würde.
Kürzlich haben Sie noch recht milde über den Euro und seine „Anfangsschwierigkeiten“ gesprochen. Sehen Sie das heute anders?
Nein. Ich hoffe, dass sich der Euro stabilisiert und dass Europa neue Schuldenregeln findet, die langfristig mehr Stabilität bringen. Unter einem günstigen Szenario betrachtet ist diese Krise nur eine anfängliche Schwierigkeit. Die Krise führt zu Reformen, die das System stabiler machen, und es pendelt sich ein neues Gleichgewicht ein. Es hängt aber alles davon ab, wie die Reformen im Einzelnen durchgeführt werden.
Sie haben die Kanzlerin aufgefordert, in der Euro-Frage hart zu bleiben. Sind Sie zufrieden mit ihrem Kurs?
Mit dem Ergebnis bin ich nicht zufrieden, aber ich tue mich auch schwer, die Regierung, die ihr Möglichstes versucht hat, zu verdammen. Deutschland steht in dieser Frage ja doch ziemlich allein und traut sich nicht, diese isolierte Position bis zur Konsequenz des Scheiterns eines Gipfels durchzustehen. Das liegt auch an der deutschen Vergangenheit. Rechtlich müssen wir keine Kompromisse mit den übrigen europäischen Ländern über das Geld schließen, das wir ihnen geben. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir unser Portemonnaie geschlossen halten wollen, während die anderen es zu öffnen trachten. Wir haben insofern fast alle gegen uns. Nur in politischer Hinsicht sieht das eben anders aus.
Was halten Sie an den Brüsseler Beschlüssen zur Euro- Stabilisierung für falsch?
Es ist falsch, Rettungspakete zu beschließen, ohne die Banken in jedem Einzelfall an den Lasten zu beteiligen. Wenn von der Staatengemeinschaft Geld fließt, muss stets auch ein partieller Forderungsverzicht der Banken eingebaut sein. Das war eine Forderung der Kanzlerin, die auch lange betont hat, dass es keine Verlängerung der auf drei Jahre begrenzten Zweckgesellschaft in Luxemburg (der Euro-Rettungsschirm, die Redaktion) geben wird. Diese beiden Forderungen hat sie aufgegeben. Das ist schon enttäuschend.
Hat sie gar nichts erreicht?
Doch. Zumindest ist noch die Rede davon, die Banken von Fall zu Fall zu beteiligen. Ferner ist verhindert worden, dass die Zuteilung von Mitteln der Zweckgesellschaft oder anderer Töpfe auf der Basis von Mehrheitsentscheidungen getroffen wird. Denn bei Mehrheitsentscheidungen in der EU ist die Umverteilung zu Lasten Deutschlands vorprogrammiert. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Kredite, die von der Luxemburger Zweckgesellschaft vergeben werden, vorrangig vor privaten Ansprüchen bedient werden müssen.
Ist es das deutsche Schicksal, für andere zu zahlen?
Ja. Trotzdem muss man diese Zahlungen begrenzt halten und aufhören, mit hunderten von Milliarden von Euro herumzuhantieren, so als ginge es hier bloß um Taschengeld. Deutschland gehört schon lange nicht mehr zu den reicheren Ländern Europas. Wir sind in den letzten 15 Jahren beim BIP pro Kopf vom dritten auf den zehnten Platz zurückgefallen. Eigentlich reicht es nun.
Das Interview führte Ralf Müller