Trend: Was sind aus ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für die Eurokrise?
Sinn: Die südlichen Euroländer haben sich über alle Maßen im Ausland verschuldet und die Wirtschaft mit dem geliehenen Geld in einen künstlichen Boom getrieben. Der hat die Einkommen und damit auch die Importe über ein Niveau gehoben, das durch die Exporte nicht mehr gedeckt war. Doch dann versiegte der Geldstrom, da die Gläubiger Angst bekamen, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen würden.
Welchen Ausweg sehen Sie aus dieser Situation?
Es führt kein Weg daran vorbei, dass diese Länder ihren Lebensstandard auf das reduzieren, was sie durch Exporte erwirtschaften. Sie brauchen eine reale Abwertung, wie wir Ökonomen sagen. Löhne und Preise müssen über viele Jahre hinweg hinter der Entwicklung anderer europäischer Länder zurückbleiben. Damit wird man im vergleich zu anderen ärmer und importiert weniger, und man wird billiger, sodass man mehr exportieren kann.
Das würde ein starkes Nord-Süd-Gefälle im Wohlstand bedeuten. Ist das politisch durchzusetzen?
Es ist keine politische Forderung, die ich jetzt aufgestellt habe, sondern das ist das, was auf den Märkten passieren wird, eine notwendige Anpassung an die Bewegungen an den Finanzmärkten, es sei denn, wir würden den Ländern die Güter schenken, die sie nicht bezahlen können.
Was würde geschehen, wenn Griechenland jetzt tatsächlich pleite gehen würde? Kann das überhaupt passieren?
Griechenland ist ja schon pleite, denn es kann sich ja an den Märkten nicht mehr finanzieren und ist auf die Gelder des Rettungsschirms angewiesen. Die Frage ist, was passiert, wenn diese Rettungsgelder auslaufen. Dann muss Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklären, mit seinen Gläubigern eine Einigung erzielen, und diese müssen in der Folge auf Teile ihrer Forderungen verzichten.
Besteht diese Gefahr aktuell auch bei anderen Euroländern, also etwa bei Irland?
Nein. Griechenland ist hier in einer Sondersituation. Griechenland hat ein BIP, das pro Kopf nur halb so groß ist wie das deutsche, doch Irland hat sogar ein höheres BIP pro Kopf als Deutschland.
Also auch Portugal und Spanien sehen Sie nicht als Wackelkandidaten?
Die Gefahr besteht ohne Zweifel. Irgendwann besteht immer die Gefahr, aber diese Länder sind ja noch nicht einmal unter dem Rettungsschirm. Warum sollte man da über eine Insolvenz spekulieren?
Sehen Sie durch das billige Geld auf den Märkten die Gefahr neuer Investmentblasen, sei es Gold, seien es Immobilien?
Vorläufig nicht. Nach einer langen Phase des Kapitalexports und der Flaute wird in Deutschland und Österreich auch Geld wieder zu Hause angelegt und sorgt für Wachstum. Bis daraus eine Blase wird, geht noch viel Wasser den Rhein hinunter.
Trägt Deutschland durch die zurückhaltende Lohnpolitik Mitschuld an der Eurokrise? Die Argumentation Frankreichs und Spaniens lautet ja, dass sie den deutschen Exportboom durch die höheren Lohnsteigerungen finanzieren, während die deutschen Konsumenten durch marginale Reallohnzuwächse kaum für entsprechende Binnenmarktnachfrage sorgen können.
Nein, in keiner Weise. Deutschland ist ja der große Finanzier Europas in den letzten Jahren gewesen. Das Geld floss in die anderen Länder, und bei uns wurde nicht mehr investiert. Damit fehlte die wesentliche Triebkraft der Binnennachfrage. Anderswo wurde mit dem deutschen Geld Party gefeiert, und Deutschland wurde billiger. Wir importieren weniger und exportieren mehr, weil uns der Aderlass an Kapital, das ins Ausland floss, im inneren geschwächt hat. Da ist Deutschland ganz sicher kein Vorwurf zu machen.
Wäre der Rückschritt einiger Euroländer in das EWS sinnvoll, etwa um abzuwerten und dann die Wirtschaft sozial verträglicher zu sanieren und eurofähig machen zu können?
Griechenland könnte das erwägen. Die anderen nicht. Man kann den Euro nicht rückabwickeln.